Der Zweyte Theil von König Heinrich dem Vierten | Page 3

William Shakespeare
geschwächte Gelenke, wie
losgerißne Angeln, unter der Gewalt des Lebens wanken, in einem
ungeduldigen Anstoß von Hize, wie ein Feuer aus seines Hüters Armen
ausbricht; so sind meine von Gram geschwächte Glieder, nun vom
Gram zur Wuth getrieben, dreymal stärker als sonst. Weg also, du
schwache Krüke, ein beschupter Handschuh mit Gelenken von Stahl
soll hinfort diese Hand umgeben. Und weg mit dir, du sieche
Kopf-Hülle, du bist ein zu schwacher Schirm für einen Kopf, nach
welchem siegende Könige zielen. Nun gürtet meine Stirne mit Eisen,
und dann laßt das Aergste kommen, was Zeit und Verhängniß gegen
den wüthenden Northumberland vermögen! Laßt den Himmel die Erde
küssen! Halte nicht länger, o Natur, die wilden Fluthen eingekerkert;
laß die Ordnung sterben, und diese Welt nicht länger einen Schauplaz
seyn, wo die Zwietracht genährt wird, um durch langsame Qualen

aufgerieben zu werden; sondern laß einen mördrischen Geist, den Geist

des erstgebohrnen Cains, in jedem Busen herrschen; laß in einer
wüthenden Stunde, die blutdurstenden Menschen, alle in einen Hauffen
getrieben, sich würgen, bis mit der allgemeinen Niederlage die Scene
sich schließt, und ewige Finsterniß begrabe dann die Todten!
Bardolph.
Diese heftige Leidenschaft thut euch Schaden, Milord;
liebster Graf, gestattet keine Scheidung zwischen eurer Klugheit und
eurer Ehre.
Morton.
Die Leben von allen euern getreuen Anhängern hangen an
den eurigen, und dieses muß nothwendig unterligen, wenn ihr euch
diesem Sturm der Leidenschaft überlaßt. Ihr überlegtet ja ohne Zweifel
die Zufälle und den ungewissen Ausgang des Kriegs, Milord, eh ihr
sagtet, wir wollen einen Aufstand erregen; ihr konntet leicht
vorhersehen, daß ein hiziges Gefecht euerm Sohn das Leben kosten
könne; ihr wußtet daß er, so zu sagen, auf der Schneide eines Messers
über einen gefährlichen Abgrund gieng, wo es
wahrscheinlicher war,
daß er hineinfallen, als daß er hinüber kommen werde: ihr wußtet daß
sein Fleisch verwundbar war, und daß ihn sein ungestümer Geist mitten
in die grösten Gefahren treiben würde; und doch sagtet ihr: Ziehe hin,
und keine von diesen Betrachtungen, so stark sie euch rühren müßten,
konnte euern gefaßten Entschluß wanken machen. Und was ist nun
begegnet, oder was hat diese kühne Unternehmung hervorgebracht, als
was
wahrscheinlicher Weise erfolgen mußte?
Bardolph.
Wir alle, die an diesem Verlust Theil haben, wußten, daß
wir uns auf ein so gefährliches Meer wagten, daß kaum einer unter
zehen das Leben davon bringen werde; und doch wagten wir's für den

vorgestekten Preis, sezten die Betrachtung einer augenscheinlichen
Gefahr bey Seite, und sind nun, da wir hinüber gekommen sind, bereit
noch mehr zu wagen. Kommt, wir wollen alles dran sezen, Vermögen
und Leben.
Morton.
Es ist die höchste Zeit, Milord; und was unsern Muth
erhöhen soll, ist eine Nachricht, die ich euch für gewiß geben kan. Der
beliebte Erzbischoff von York ist mit einer ansehnlichen und
wolgerüsteten Macht auf. Er ist ein Mann, der seine Anhänger mit einer

doppelten Sicherheit gürtet. Milord, euer Sohn, hatte nur Leiber unter
seiner Anführung, nur Schatten und Gestalten von Männern, welche
fechten sollten; denn das Wort Rebellion schied die Würksamkeit ihrer
Seelen und ihrer Leiber von einander, sie fochten mit Grauen und
Widerwillen, ihre Waffen allein waren auf unsrer Seite, denn ihre
Geister und Seelen hatte das Wort Rebellion so frostig gemacht, wie
die Fische in einem Teiche. Aber nun verwandelt der Bischoff den
Aufruhr in Rebellion; das Vorurtheil, daß er ein rechtschaffner und
heiliger Mann sey, macht, daß man ihm mit Leib und Seele folgt, krazt
das Blut Königs Richards von den Steinen von Pomfret, um seinem
Aufstand eine Farbe zu geben, leitet seine Sache vom Himmel ab, sagt
ihnen, er eile einem blutenden Lande zu Hülfe, das unter dem
tyrannischen Bolingbroke in lezten Zügen lige; und so treibt es ihm
schaarenweis Anhänger und Freunde zu.
Northumberland.
Ich wußte diß bereits; aber die Wahrheit zu sagen,
dieser
gegenwärtige Schmerz hat es aus meinem Gemüth gewischt.
Kommt mit mir hinein, und ein jeder eröffne das beste, was er zu unsrer
gemeinschaftlichen Erhaltung und Rache rathen kan. Schiket Couriers,
schreibet Briefe, macht Freunde so schnell als möglich; noch nie waren
unsrer so wenig, und noch nie hätten wir Viele so nöthig.
(Sie gehen ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in eine Strasse von London.)
(Sir
John Falstaff* tritt mit einem kleinen Lakayen auf, der ihm sein
Schwerdt und seinen Schild nachträgt.)
{ed. * Die Falstaffischen Scenen machen einen grossen Theil dieser
gegenwärtigen Haupt- und Staats-Action aus, ob sie gleich als blosse
Zwischen-Spiele, die dem Pöbel für seine sechs Pfennige was zu lachen
geben sollen, mit dem Stük selbst keinen nothwendigen
Zusammenhang haben. Wir werden fortfahren, uns damit die nemliche
Freyheit zu nehmen, wie in dem vorigen Stüke; und wir sind

destomehr hiezu genöthiget, da der Humor und das Lächerliche, so
darinn herrscht, gröstentheils in sehr pöbelhaften Schwänken, Zoten,
Wortspielen, und einer ekelhaften Art von falschem und schmuzigem

Wiz besteht, und wir vermuthlich keine Leser von derjenigen Classe
haben werden, zu der die Zuhörer gehörten, die man damit belustigen
wollte.}
Falstaff.
Holla, du, Riese!
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