und
nach eifersüchtig auf die jüngere und hübschere Kollegin geworden.
Als nun eines Tages Angelika zu einem gewöhnlichen Kundenbesuch
ihr schönstes Kleid angezogen hatte, und mit glücklichem Lächeln vor
ihr stand, sagte sie zu ihr; wozu richtest du dich so her und gibst die
paar Groschen, die du verdienst, für Plunder aus? Trachte lieber, daß du
gesund wirst, damit unsere Frau nicht so viel Scherereien deinetwegen
hat; es steht nicht zum besten mit dir, das wissen alle, bloß du nicht;
also merk dirs und werde nicht gar so übermütig. Die Worte
erschreckten Angelika, und sie fing an zu begreifen, was ihr drohte. Sie
büßte ihren Frohsinn nach und nach ein, obwohl ihre kräftige und
unbefangene Natur sich immer wieder geltend machte, selbst dann
noch, als sie bettlägerig wurde und mit jedem Tag mehr verfiel. Es war
mir endlich gelungen, in einem Asyl weit draußen vor der Stadt einen
Unterschlupf für sie zu finden, richtiger ausgedrückt, ich hatte einige
schwerbewegliche Personen aufgesucht, und diese ihrerseits hatten
wieder einigen widerwilligen Funktionären eine Zusage abgerungen,
die aus freien Stücken zu geben ihre Pflicht und ihr aufgetragenes Amt
gewesen wäre. Kurz, Angelika sollte in Pflege kommen, und ich beeilte
mich, es der Frau zu melden. Es war an dem Tage gerade ein blutiger
Aufruhr in der Stadt, Soldaten und Arbeiter zogen durch die Straßen;
aus vielen Häusern wurde geschossen. Am schlimmsten ging es in dem
Viertel zu, wo die Friseurin wohnte; ich konnte mir durch die Massen
Volks kaum einen Weg bahnen. Der Laden war geschlossen, ich stieg
ins erste Stockwerk hinauf, wo sich die Wohnung befand, doch es war
niemand zu sehen. Ich wußte, wo Angelikas Kammer war, ich hatte sie
schon einmal besucht und mit ihr gesprochen. Ich klopfte; es blieb still.
Ich dachte, das Kind schlafe vielleicht, obgleich dies bei dem wilden
Lärm, der von der Straße heraufschallte, sonderbar anzunehmen war.
Als ich leise die Tür öffnete, sah ich, daß sie nicht im Bett lag. Sie hatte
sich erhoben; im langen weißen Hemd und barfuß stand sie vor dem
Spiegel, der in den Schrank eingelassen war; die schwarzen Haare
flossen bis zu den Hüften; auf dem Kopf trug sie einen breitrandigen
Hut mit zwei grauen Federn; um die Taille, über das Hemd, hatte sie
ein blauseidenes Band zur Masche geknüpft, und um den stengelfeinen
Hals eine Korallenkette gelegt. Ich trat in das ärmliche Gemach; es
bedurfte nur meines Vorsatzes dazu, daß sie mich weder sah noch hörte;
außerdem war sie viel zu hingenommen von ihrer Beschäftigung und
das Geknall und Geschrei von draußen zu heftig, als daß sie auf mich
hätte aufmerksam werden können. Ich setzte mich also in eine dunkle
Ecke. Ich konnte ihr Gesicht nur im Spiegel sehen, das totblasse, aber
von Begierde, von unbezwinglicher Lebensbegierde über und über
bebende Gesicht. Auf dem Tisch neben ihr lagen ihre Schätze, ein
Haufen bunter Bänder, ein paar wertlose Broschen und Spangen, ein
Nähzeug und eine Schale mit Winterblumen. Auf einem wackligen
Stuhl davor standen ein Paar gelbe neue Stiefletten und über der Lehne
hingen Blusen, ein Ledergürtel und ein grüner Schal. Das alles
betrachtete sie mit fließenden Blicken, bald sich selbst im Spiegel, bald
die geliebten Gegenstände. Die Sachen, nennt man es; ja, jeder hat
seine Sachen, und mit ihnen schützt er sich und schmückt er sich; sie
täuschen ihm Fülle vor, oder Freude; die Habseligkeiten; auch ein
merkwürdiges Wort. Sie griff nach Blumen in der Schale und probierte,
ob sie zum Blau der Schleife paßten; sie nickte ihrem Spiegelbild zu,
vertraut, verträumt, aufmunternd; sie spielte mit ihm und forderte es
heraus, sie bog den Kopf zur Seite und gab sich eine graziöse Haltung,
und besonderes Vergnügen bereitete ihr das Wippen der grauen Federn.
Währenddem wurde der Tumult auf der Straße immer ärger; sie
vernahm es nicht. Draußen schlugen sie eine jahrhundertalte Ordnung
in Trümmer, sie genoß, was sie als Reichtum empfand. Sie beugte sich
zu den Stiefelchen herab und sagte schalkhaft-liebkosend: ihr armen
Schuhe, wer wird euch spazieren tragen, wenn ich gestorben bin? Sie
richtete sich wieder empor, schaute lange und äußerst gespannt in den
Spiegel, seufzte herzlich und sagte leise vor sich hin: ach Gott, nie wird
ein Mann bei mir schlafen. Es war Klage, aber voller Unschuld, so daß
es beinahe heiter klang und ich mich zu lächeln nicht enthalten konnte.
Doch schlich ich mich nach einer Weile hinweg. Mehr durfte ich von
dem Geheimnis nicht rauben; ich hatte mir schon zuviel angemaßt. Den
Menschen bei sich selbst erlauschen, geht nicht an; man verrät ihn und
verrät sich. Alles war Spiegelung gewesen; der wirkliche Spiegel hatte
mir Angelikas Gesicht gezeigt der andere ihre Welt, weit zurück bis zu
den Ahnen und Urahnen, die sie hinausgestoßen hatten, als Letzte, in
ein ungenügendes Stück Leben.«
* * * * *
Die Zeit war ohne Marke; wie lange das Schweigen gedauert hatte,
konnte
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