Der Weinhüter | Page 3

Paul Heyse
am meisten begeisternde Wirkungen zuschrieb, im Keller seines Hauses niemals ganz versiegte. Heute nun, da er von einem Krankenbesuch im Dorf Algund ohne Labung zurückkehren mu?te, war er keiner starken Prüfung gewachsen und erschrak aufs heftigste, als pl?tzlich dicht neben ihm eine dunkle Gestalt hoch von der Weinbergsmauer herabsprang und auf ihn zustürzend seine Hand ergriff.
Gelobt sei Jesus Christus! sagte er, am ganzen Leibe zitternd.
In Ewigkeit! antwortete der Bursch.
Du bist's, Andree, mein Sohn? Hab' ich doch gemeint, der b?se Feind komme mir mit Macht über den Hals, der ja im Weinberge des Herrn herumschleicht, zu sehen, wen er verschlinge. Nun, nun, wenn man so in Gedanken und Meditationen schwebt, kann's einem schon begegnen, da? euer Hut einem wie das H?rnerhaupt des Leibhaftigen vorkommt. Bist also hier, Andree? Das ist ja wohl dein eigener Grund und Boden, den du hütest, ich meine, deiner Mutter?
Des Burschen Augen wurden finsterer, und das Blut stieg ihm ins Gesicht. Da sei Gott vor, sagte er, da? ich den Fu? setzte in die Güter meiner Mutter. Seit sie mir zu Lichtme? den Schlag ins Gesicht gegeben hat, weil sie meint', ich h?tte Feuer im Stadel angelegt, bin ich nimmer ihr Sohn und betrete ihre Schwelle weder bei Tag noch bei Nacht.
Der geistliche Herr besann sich jetzt erst, da? er einen wunden Fleck berührt hatte. Er schüttelte ernsthaft und mitleidig den Kopf und sagte: Ei, Andree, du sprichst, wie es keinem guten Christen geziemt. Hat nicht unser Herr am Kreuz seinen blutigen Feinden verziehen, und ein Sohn sollt' es seiner Mutter nachtragen, wenn sie ihn auch ungerecht gezüchtigt hat? Ich wei? wohl, da? es dir hart ankommen mag, und da? jenes Mal, wo die Mutter sich vergessen hat, nicht das erste Mal war. Aber sieben mal siebenzigmal sollen wir verzeihen, Andree. Hast du das schon vergessen seit der Kinderlehre?
Nein, Hochwürden, erwiderte der Jüngling fest. Ich hab' mir's auch angelobt, an jenen Tag nimmer zu denken und kann's über mich bringen, solang ich vom Hause fernbleibe. Aber wenn ich zurückk?me, würde mich die Mutter selbst daran mahnen, weil sie mich ha?t und nur darauf sinnt, wie sie mich plagen und tratzen mag. Sie wird mir auch mein Erbe entziehen im Testament, selbiges wei? ich gewi?, und frage nicht viel danach. Ich werd' auch ohne das nicht verkommen, und g?nn' es wohl meiner Schwester. Aber geschieden sind wir, und da kann keiner was dazu tun. Ich hab' mich beim Steirer verdungen, drüben in Gratsch, als Gro?knecht, und heuer mach' ich den Saltner und hab' mein Auskommen, ohne einen Kreuzer von Haus. Aber die Mutter k?nnte mir sieben Boten schicken und mich mit vier Rossen zurückholen wollen, ich ginge nicht. Es hat alles einmal ein End'.
Der kleine Priester sah nachdenklich vor sich hin und schien der Meinung, da? es geratener sei, die Dinge gehen zu lassen, anstatt noch weiter mit geistlicher Mahnung einzugreifen. Er betrachtete jetzt mit kundigen Augen die Reben oben über der Mauer und sagte:
Der Steirer hat wohlgetan, statt der Bratreben, die sonst hier standen, die Hertlinger anzupflanzen. Sie sind noch jung, aber im n?chsten Jahr werden sie das Doppelte tragen.
Die stehen nur hier am Rande, erwiderte der Bursch. Droben ist meist roter Farnatsch und einiges von Gei?augen dazwischen. Was er drüben hat, unterhalb Dorf Tirol, sind rote Ferseilen, aber er wird sie heuer ausnehmen und Setzlinge pflanzen, denn sie haben sich schier zu Tod getragen.
Auf wieviel Uhren rechnet ihr beil?ufig?
Einhundertundvierzig bis--siebenzig immerhin.
Wie steht dir das Saltnern an, Andree? Es mag hart werden auf die, L?nge.
Ha, es passiert, Hochwürden. Noch spür' ich's nicht in den Gliedern.
Hast auch bei Nacht fein die Augen offen?
Die meinigen wohl. Aber sind nur zwei, und ich mü?t' ein Dutzend haben, um allerorten zugleich nachzuschauen. Die Wei?r?cke fangen wieder an, bei Nacht herumzufuragieren; die Weinbeeren sind ihnen grad saftig genug, um ihr Kommi?brot anzufeuchten. Und es kommen ihrer immer viele auf einmal, aber einzeln, und wenn wir einen fassen, haben indes die andern das Feld frei, und es hilft uns nichts, vorm Hauptmann ist doch kein Recht zu erlangen.
Die Stadt sollte sich beklagen.
Ja die Stadt! Da mü?ten wir Zeugen und Beweise schaffen. Aber wer will's beschw?ren, wenn wir am Morgen ganze Strecken lang die besten Trauben gestohlen und links und rechts die Reben wie ein Unkraut mit dem S?bel zerhauen finden aus Wüstheit und Schadenfreude, da? das nur die Soldaten getan haben k?nnen? Fassen wir einen am Kragen, so wei? er so wenig von Weinbeeren wie's Kind im Mutterleib. Da bleibt nichts, als ihn auf eigene Faust Spie?ruten laufen zu lassen, da? er's Wiederkommen vergi?t. Den n?chsten aber, den h?ngen wir, mein Eid! an den Beinen auf, da mag er bis an den lichten Morgen in der Luft exerzieren.
Es sind arme Teufel, Andree, und die Versuchung ist gro?. Ihr solltet's menschlich mit ihnen machen.
Machen sie's denn nicht wie die Bestien? Da seht, Hochwürden--und er
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