Der Traum ein Leben | Page 9

Franz Grillparzer
ist, zu dem Deinen.
Zahlt' ich mit so armen Steinen So beglückenden Erfolg? Dort kam ich,
und dort die Schlange; Dieser Mann--
(Auf Rustan zeigend.)
Zanga (am Boden den Platz bezeichnend). Hier stand er, hier.
König. Nein, du irrst, er stand dort oben, Eingehüllt in braunen Mantel.
Rustan. Zanga! Zanga!
Zanga. Heißer Tag!
König (auf Zanga). Erst warfst du, allein du fehltest, Dann schoß er, die
Schlange lag. In der Sinnenkraft Vergehen Hab wie träumend ich's
gesehen. Du standst hier, und er stand dort, Und war bleich und schien
viel kleiner, Wohl gebückt zum Wurf sich neigend. Wo auch blieb der
braune Mantel?
Zanga. Irgend dort wohl in den Sträuchen.
Rustan (leise). Zanga, Zanga!
Zanga. Mut, nur Mut!
König. Nun genug, und damit gut! Dort auf jener Klippe Zinnen Soll
ein Tempelbau beginnen Dem, der waltend niederblickt, In der Not den
Retter schickt. Tochter, komm!
Gülnare (zu Rustan). Du folg uns bald!

(Gehend und vor der getöteten Schlange zurückschaudernd.)
Oh, des Anblicks Nachtgewalt Übt von neuem seine Rechte. Oh,
verzeih es dem Geschlechte, Das der Seele Kraft bezwingt, Kindisch
solche Schauer bringt.
König. Reich den Arm ihr, gib die Rechte.
Gülnare. Vor dem Toten schütze mich, Lebt' es noch, ich zagte nicht.
(Sie stützt sich auf Rustans Arm. Alle bis auf Zanga ab.)
Zanga (ihnen nachschauend). Das geht gut, bei meiner Treu! Das
Prinzeßchen hat gefangen. Tat zwar noch ein bißchen scheu, Kämpft
noch Stolz mit dem Verlangen. Wie sie fest an ihm sich hält. Nun ein
Graben--Hupp! gesprungen! Ha, sie gleitet, strauchelt--fällt? Nein, er
hat sie rasch umschlungen. Nichts so köstlich in der Welt, Als wenn
eins das andre hält.
Rustan (zurückkommend). Zanga, Zanga! Ich bin selig!
Zanga. Ei, es geht? nicht wahr? es geht!
Rustan. Und nun komm! Dort deinen Bündel, Wirf ihn in den nächsten
Fluß. Nichts laß unsern Stand verraten, Wir sind Kinder unsrer Taten,
Und nach aufwärts strebt der Fuß. Komm nur, komm!
Zanga. Doch früher, Herr, Laßt die Gegend uns durchspüren, Ob nicht
jener Mann vom Felsen--
Rustan. Zanga, ich hab's überdacht; Jener Mann war kein Lebend'ger!
Bote einer höhern Macht, Kam er in des Schreckens Nöten, Um zu
treffen, um zu töten, Und entschwand, da er's vollbracht.
Zanga. Nun, der Dank wär' abgemacht!
Rustan. Laß ihn Mensch auch sein, wie wir, Kommen, und sich stellen
mir; Will mit Gold ihn überhäufen, Fülle auf ihn niederträufen, Groß
ihn machen, groß und reich, Wenn auch nicht dem Geber gleich,
Stellen auf des Glückes Zinne, Und wer wirft mir Unrecht vor? Zanga,
denn, was ich gewinne, Ist nicht das, was er verlor. Laß ihn tun sie, jene
Tat, Bittend dann nach Lohn sich wenden, Man gibt Gold mit spröden
Händen, Und er geht, wie er genaht. Doch bei mir, mit mir war's anders:
Unerklärt, ein dunkles Etwas, Zog des Vaters, zog der Tochter-- Oh,
des Weibs voll hehrem Sinn! Beider Blicke nach mir hin. Gleich gilt
nicht von gleichem Scheine, Und ich nehme nur das Meine. Komm und
fort, dem Glücke nach! Heut ums Jahr ist auch ein Tag.
Zanga. Herr, ach Herr!
Rustan. Was ist?

Zanga. O schaut!
(Der Mann, dessen Wurf die Schlange getötet, ist hinter dem Felsen
hervor und in den Vorgrund rechts getreten. Er hat den ihn
umhüllenden braunen Mantel auf die Moosbank gelegt, und steht nun
in kurzem schwarzem Leibrocke, nackten Armen und Beinen, mit
schwarzem Bart und Haar, das Antlitz leichenblaß, da.)
Rustan. Ha! wie mir's im tiefsten graut!
Zanga. 's ist derselbe, dessen Speer Jenes Tier, vom Felsen her--
Rustan. Unheil! nie dein Köcher leer?
Der Mann vom Felsen (ist einige Zeit, unbeweglich vor sich
hinschauend, auf der Moosbank gesessen, jetzt neigt er sich zur Quelle
und trinkt).
Zanga. Herr, er lebt! ist leibhaft, trinkt!
Rustan. Meines Traums Gebäude sinkt. Zanga!
Zanga. Herr?
Rustan (die Hand am Dolche). Ist's nicht Osmin? Der Verweichlichte,
Verwöhnte, Der mich jüngst beim Jagen höhnte?
Zanga. Seht doch nur den Bart, das Haar.
Rustan. Du hast recht, und es ist wahr. Aber erst nur glich er ihm. Jeder
Blick, mit neuer Lüge, Zeigt mir anders seine Züge. Was je greulich
und verhaßt, All in sich sein Anschaun faßt.
Der Mann (richtet sich empor, legt den zusammengefalteten Mantel
über den Arm, und macht sich gefaßt, quer nach dem Hintergrunde zu,
fortzugehen).
Zanga. Schaut, er geht.
Rustan. Nicht so! Und halt! Steht mir Rede! Wohin geht Ihr?
Der Mann vom Felsen (mit klangloser Stimme). Hin nach Hofe, vor
den Thron.
Rustan. Was dort suchend?
Der Mann vom Felsen. Meinen Lohn.
Rustan. Lohn? Wofür?
Der Mann vom Felsen (auf das erlegte Tier zeigend). Für meine Tat.
Rustan. Deine?--Meine!--Unsre Tat!
Der Mann vom Felsen. Arme Schützen! Ha, ha, ha! Lernt erst treffen!
Arme Schützen!
(Zum Fortgehen gewendet.)
Rustan. Halt, noch einmal! Er, der König, Dankbar dir für dein

Bemühn,
(Den Dolch des Königs aus dem Gürtel ziehend.)
Sendet dir dies edle
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