Der Traum ein Leben | Page 8

Franz Grillparzer
wir leben? Ob dort jenes tot genug?
(Leise.)
Nun, zum Henker, seid doch klug!

(Wiederholter Hörnerschall.)
König. Ha, sie rufen, meine Lieben, Suchend, wo ihr Hort geblieben.
Hier, Getreue! hier der Ort!
(Er geht in die Mitte der Bühne zurück, wo er, antwortend, in ein an
seiner Hüfte hängendes Jagdhorn stößt.)
Rustan. Zanga, komm, und laß uns fort!
Zanga. Nach dem allen, Herr, und fliehn? Jetzt, da unsre Bohnen
blühn?
Rustan. Nimmer sollst du mich berücken, Mich mit fremder Tat zu
schmücken. Und doch könnt' ich's auch nicht sehn, Erst gepriesen, erst
gehuldigt, Zager Feigheit dann beschuldigt, Einem andern nachzustehn.
(Nach wiederholtem Hörnerruf kommt nun das Gefolge des Fürsten.
Gülnare, seine Tochter, an der Spitze.)
Gülnare. Vater! Vater!
König. Oh, mein Kind!
(Sie stürzen sich in die Arme.)
Zanga (zu Rustan). Schaut nur, schaut! Seht halb Euch blind! Gold und
Spangen, Perlen, Kleider, Seht der Hoheit Vollgewalt.
Rustan. Zanga, jene Lichtgestalt, Sich um seinen Nacken schmiegend,
Weich in Vaterarmen liegend. Wie sie atmet, wie sie glüht, Jede Fiber
wogt und blüht. Nun weist her auf mich sein Blick, Danket mir der
Rettung Glück. Zanga, nun nicht mehr zurück! Wär's am Rand mit
meinen Tagen; (Ich) hab jenes Tier erschlagen.
König. Ja, mein Kind, ein Raub des Todes, Wenn nicht dieser Jüngling
war; Sieh, so nahe die Gefahr.
(Auf das erlegte Tier weisend.)
Gülnare (mit der Hand die Augen bedeckend). Ah!
König. Entfernt dies Schreckbild!
Gülnare. Nein! Stark, entschlossen will ich sein.
(Nach vorn kommend.)
Glaub nur nicht, mein edler Fremdling, Daß, ein schwach erbärmlich
Weib, Hinter dir so fern ich bleib! Oft hat man mich wohl gesehen,
Männlich die Gefahr bestehen, Eine Gleiche stand ich ihr. Doch das
Widrige, den Grauen So verwirklicht anzuschauen, Nimmt
entfremdend mich von mir. Und doch, schafft's nicht fort, es bleibe;
Selbst bezwingen will ich mich. Nun zu dir, mein edler Retter, Der mit
seines Armes Walten Alles, alles mir erhalten, Was der Schwachen

übrigblieb. Rings von Feindesmacht umgeben, Von verschmähter
Liebe Trutz, War mir dieses Greises Leben Einz'ge Stütze, all mein
Schutz. Und der Drache bleckt' die Zähne, Und es war um ihn geschehn;
Da--o lohn es diese Träne!-- Hebt sich eines Armes Sehne, Und das
Untier muß vergehn. Vater, schau, so sehen Helden! Vater, schau, so
blickt ein Mann! Was uns alte Lieder melden, Schau es hier
verwirklicht an!
Rustan (leise). Kohlen, Zanga, glühnde Kohlen!
Zanga (ebenso). Laßt die Furcht den Henker holen!
Gülnare. Doch du sprichst nicht? Doch du schweigest?
Rustan (auf die Knie stürzend). Herrin, oh, ich bin vernichtet!
König (entschuldigend zu Gülnare). Wohl das Neue unsers Anblicks--
Gülnare. Laß ihn, Vater! Es erquickt mich, Einen Mann beschämt zu
sehn! Oh, ich sah sie brüstend gehn, Mit gedunsnen Worten prahlend,
Mit Versprechen Taten zahlend, Doch kam der Erfüllung Zeit, Wie war
Held und Tat so weit! Dieser kommt uns, als von oben, In der Stunde
der Gefahr, Tut, was seiner würdig war, Und verstummt, wenn wir ihn
loben. Vater, sag es selbst! fürwahr, Stellt er nicht die Zeit dir dar,
Nicht die Zeit, die einst gewesen, Und von der wir staunend lesen, Wo
noch Helden höhern Stammes, Wo ein Rustan weltbekannt In der
Parsen Fabelland--
Zanga. Rustan ist auch er genannt.
Gülnare. Rustan! Hörst du, Vater? Rustan! Oh, die Zeiten sind noch
immer, Wo, wenn Menschenkräfte enden, Götter ihre Hilfe senden. Er
kommt uns von ihrer Hand.
(Zu ihrem Vater.)
Und so wird gefaßt dich finden, Was soeben Boten künden: Jener
blut'ge Khan von Tiflis, Mein Bewerber und mein Feind, Hat in
mächt'gen Heeres Mitten Unsre Grenzen überschritten, Hundert Völker
stolz vereint, Weil er hilflos uns vermeint.
(Auf Rustan zeigend.)
Hier die Hilfe! Hier der Hort! Stell ihn an der Treuen Spitze, Laß ihn
tragen deine Blitze, Mut sein Atem, Tat sein Wort; Und die Deinen,
neu ermutet, Sehn mit Neid, wenn einer blutet, Und sein Beispiel reißt
sie fort.
(Zu Rustan.)
Sei mein Schützer, sei mein Retter, Banne diese dunkeln Wetter,

(Nach und nach langsamer sprechend.)
Und der glänzend neue Tag Bringt dir dar, was er vermag.
König (halblaut). Sprichst du doch, als hättest du Sie vernommen, die
Gelübde, Die ich tat in der Gefahr. Dem Erretter, käme Rettung,
Schwur ich, nichts, ich nichts zu weigern, Und wenn es das Höchste
war. Du errötest, du verstehst mich.
Gülnare. Vater, komm und laß uns gehn.
König. Nun so karg, und erst so warm! Warst du hier an meiner Stelle,
Dünkte jeder Lohn dir arm.
Gülnare (nach rückwärts gewendet, wie ablenkend). Und wo ist, wo ist
die Stelle, Die so vieles mir gedroht?
König. Dort kam ich, und floh den Tod, Jene Schlange mein Gefolg',
Keine Wehr als meinen Dolch.
Zanga. Seht, hier liegt er noch am Boden, Reich besetzt mit edlen
Steinen.
(Er hebt den Dolch auf und gibt ihn seinem Herrn, der ihn dem Könige
überreicht.)
König (mit ablehnender Gebärde). Zähl, was mein
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