Der Todesgruß der Legionen, 3. Band | Page 8

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
"wenn sie sich den Ideen, welche den Staat in unseren Tagen
leiten müssen, unterwerfen, und wenn der alte historische Adel
Frankreichs sich entschließen könnte, den Wegen des Kaisers und
seiner Regierung zu folgen, so würde die ganze Nation dabei
gewinnen."
"Sie nehmen die Sache ernst", sagte die Kaiserin leicht hin--"ich habe
gar keine Ansicht aussprechen und am wenigsten den Erwägungen
vorgreifen wollen."

"Die Andeutungen Eurer Majestät," sagte Ollivier, während der Kaiser
fortwährend unbeweglich schwieg, "verdienen indeß die höchste
Beachtung und vielleicht hat--Euer Majestät verzeihen mir," fügte er,
sich leicht verneigend hinzu, "hier der weibliche Instinct schneller das
Richtige getroffen, als es die ernsthaftesten und tiefsten Erwägungen
hätten finden können. Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr will
es mir scheinen, als ob der Herzog von Gramont in der That eine sehr
geeignete Persönlichkeit für das auswärtige Ministerium wäre."
Der Kaiser stand auf.
"Wir wollen darüber nachdenken," sagte er in einem Tone, der jede
weitere Unterredung darüber abschnitt, "sobald das Plebiscit beendet
sein wird. Für jetzt bitte ich Sie," fuhr er zu Ollivier gewendet fort,
"mich zu begleiten, wenn Ihre Zeit es erlaubt, ich will einen
Augenblick auf der Terrasse des Tuileriengartens spazieren gehen."
"Um Gottes Willen," rief die Kaiserin erschrocken, "ganz Paris ist in
unruhiger Bewegung, noch hat man nicht die Tiefe der Beschwörung
ergründet, noch sind nicht alle Mitschuldige ermittelt und
gefangen--ich bitte Sie, Louis, setzen Sie Sich einer solchen Gefahr
nicht aus! Wie leicht könnte eine jener entsetzlichen Bomben Sie
treffen, bleiben Sie im reservirten Garten."
Der Kaiser lächelte.
"Sie können Sich überzeugen, Eugenie," sagte er, "daß ich für die
Sicherheit des Prinzen gesorgt habe,--ich selbst will meinen Feinden
und allen Franzosen zeigen, daß wenn es ihnen vielleicht gelingen kann,
mich zu tödten, sie doch nicht dahin kommen werden, mich
einzuschüchtern."
Er bewegte schnell die Glocke auf seinem Schreibtisch und nahm
seinen Hut und sein spanisches Rohr. Der Huissier öffnete die
Thürflügel. Der Kaiser gab seiner Gemahlin den Arm und führte sie
durch das Vorzimmer, in welchem der Dienst thuende Adjutant und der
Kammerherr der Kaiserin, wartete, bis zum Eingang zu ihren
Appartements.

Dann stützte er seinen Arm auf den des Herrn Ollivier, stieg mit ihm
die Treppe herab und schritt langsam nach der reservirten Terrasse des
Tuileriengartens, indem er dem Adjutanten befahl, zurückzubleiben.
Langsam schritt er unmittelbar an der Rampe dieser Terrasse nach der
Place de la Concorde hin auf und nieder, indem er sich stets so wandte,
daß er an der dem Platze zugekehrten Seite ging.
Bald hatte man ihn erkannt, eine ziemlich dichte Menge sammelte sich
unterhalb der Terrasse an und laute Rufe begrüßten den Kaiser.
Napoleon dankte mit der Hand, trat dicht an den Rand der Terrasse und
blickte lange auf die immer mehr anwachsende Menge herab.
"Sie sehen," sagte er lächelnd, sich zu Ollivier wendend, "daß das
Schicksal noch nicht mit mir enden will. Es gehört wahrlich wenig
dazu, um mich von dort unten her zu treffen."
"Je näher Euer Majestät Ihrem Volke treten," sagte Ollivier, "um so
sicherer werden Sie vor allen Angriffen sein--auch ich gehörte einst zu
Ihren Gegnern; es hat nichts weiter bedurft, als daß Euer Majestät mir
erlaubten, in Ihre Nähe zu treten, um mich zu Ihrem treuesten und
ergebenden Diener zu machen."
Der Kaiser dankte mit einer leichten Neigung des Hauptes für diese in
etwas rhetorischem Tone ausgesprochene Schmeichelei, legte wieder
seinen Arm in den des Ministers und setzte noch eine halbe Stunde lang
seinen Spaziergang fort, indem er mit der ihm eigentümlichen
bezaubernden Liebenswürdigkeit von allen möglichen Dingen
plauderte, aber trotz aller Anspielungen Olliviers es vermied, das
Thema der Besetzung des auswärtigen Ministeriums wieder zu
berühren.

Zweites Capitel.
Es war ungefähr um die neunte Abendstunde desselben Tages, als der
Geheimsecretair Pietri durch den besonderen Eingang aus seinem

Bureau in das Cabinet des Kaisers trat.
Napoleon saß ernst und gedankenvoll in seinem Lehnstuhl, er trug den
Campagneüberrock der Generalsuniform und rauchte eine jener kleinen
Cigarretten von türkischem Taback, welche er sich selbst bereitete,
träumerisch den kleinen Rauchwolken nachblickend, welche durch das
von einer großen, auf dem Schreibtisch stehenden Lampe nur matt
erleuchtete Zimmer dahinzogen.
Er richtete sich beim Eintritt Pietris leicht empor und sagte, indem er
seinen Vertrauten mit freundlichem Lächeln grüßte.
"Haben Sie nach der Rue de Bondy gesendet?"
"Zu Befehl, Majestät," erwiderte Herr Pietri, "die Dame ist hier und
wartet in meinem Zimmer."
Der Kaiser stand auf.
"Es wäre doch wohl besser gewesen, unerkannt dort hinzugehen. Ich
erleichtere ihr Metier zu sehr, wenn sie weiß, mit wem sie es zu thun
hat."
"Aber, Sire," sagte Pietri, "in diesen Tagen in jene Gegenden sich zu
begeben, das wäre nicht mehr Verachtung der Gefahr, das wäre
Tollkühnheit, und wenn Euer Majestät dort erkannt worden wären,
wenn irgend ein Unglück sich ereignet hätte, so würde man mit Recht
ein solches Unternehmen als verbrecherisch verurtheilen."
"Sie haben vielleicht Recht," sagte der
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