Der Todesgruß der Legionen, 2. Band | Page 9

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
Verhältniß
die unter den Waffen stehenden Streitkräfte zu reduciren und dadurch
thatsächlich das Vertrauen auf dauernde Erhaltung des Friedens zu
erkennen zu geben. Würde ich bei Ihnen die Geneigtheit finden, auf
diesen Ideengang einzugehen, so würde die Regierung Ihrer Majestät
gern bereit sein, ihre Vermittelung in einer ebenso wichtigen, als
delicaten Sache zwischen zwei ihr gleich befreundeten Mächten
eintreten zu lassen."
"Und wissen Sie," fragte Graf Bismarck, ohne daß ein Zug seines
Gesichtes sich veränderte, "ob derselbe Gedanke, den Sie mir hier so
eben auszusprechen die Güte haben, auch dem Kaiser Napoleon
gegenüber von Ihrer Regierung geltend gemacht worden ist?"
"Ich glaube, Ihnen mittheilen zu können," erwiderte Lord Loftus, "daß
dies geschehen ist, und daß der Kaiser sich vollkommen bereit erklärt
hat, seine kriegsbereiten Streitkräfte nach derselben Verhältnißzahl zu
reduciren, welche von Ihnen angenommen werden möchte."

Ein feines, fast unmerkliches Lächeln flog über das Gesicht des Grafen
Bismarck.
"Es würde dann immer die Frage sein," sagte er in leichtem Ton, "wer
denn mit der Abrüstung anzufangen hätte--und wer dieselbe controliren
könnte, Fragen, an denen oft schon ähnliche Verhandlungen gescheitert
sind,--doch," fuhr er dann mit ernstem und nachdrucksvollem Ton fort,
"ich will diese Frage nicht aufwerfen, denn sie würde keine practische
Bedeutung haben, da ich Ihnen von vorn herein auf das Bestimmteste
erklären muß, daß ich garnicht in der Lage bin, auf eine Negociation in
der von Ihnen angedeuteten Weise eingehen zu können, und ich würde
es bedauern, wenn ich in die Lage käme, der Regierung Ihrer Majestät
auf eine directe Aeußerung in jenem Sinne eine bestimmt ablehnende
Antwort geben zu müssen."
"So halten Sie es dennoch für möglich," fragte Lord Loftus, ein wenig
erstaunt über diese so klare und bestimmte Erklärung, "daß aus den
Fragen, welche gegenwärtig in Europa vorhanden sind, nach irgend
welcher Richtung hin ein ernster Conflict entstehen könnte, der die
Erhaltung einer solchen Waffenrüstung für Frankreich und für Preußen
nöthig macht?"
"Was Frankreich betrifft," erwiderte Graf Bismarck, "so habe ich
darüber kein Urtheil. Glaubt der Kaiser Napoleon, den innern
Verhältnissen gegenüber und mit Rücksicht auf seine sonstigen
europäischen Beziehungen seine militairischen Streitkräfte vermindern
zu können, so mag er es thun, von unserer Seite hat er am
allerwenigsten irgend eine Schwierigkeit oder gar eine Feindseligkeit
zu besorgen. Ich würde ihm indessen auf einem solchen Wege nicht
folgen können, denn die größere oder geringere Stärke der preußischen
Militairmacht beruht nicht in dieser oder jener augenblicklichen
diplomatischen Constellation, sie ist eine Grundlage des preußischen
Staatslebens und kann ohne einen tiefen Eingriff in dessen
wesentlichsten Existenzbedingungen nicht modificirt werden. Ich bin
aber von vorn herein überzeugt," fuhr er fort, "daß der König, mein
allergnädigster Herr, jedes Eingehen auf diese Frage, ja jede Erörterung
derselben auf das Bestimmteste ablehnen würde und ablehnen müßte.

Um eine Verminderung und zwar eine wesentliche Verminderung der
disponiblen Streitkräfte zu erreichen, müßte man die ganze
Militairorganisation Preußens und des Norddeutschen Bundes ändern.
Das ist schon verfassungsmäßig schwierig, ja beinahe unausführbar.
Außerdem kommt aber dabei noch ein wesentlicher Gesichtspunkt in
Frage, den ich Sie wohl in Betracht zu ziehen bitten muß, die
preußische Militairorganisation ist nicht nur eine militairische, sondern
zu gleicher Zeit auch eine politische und sociale Organisation. Sie ist
eine Art von hoher Schule für alle Klassen der Bevölkerung, eine
Schule, in welcher die Jugend des Landes die selbstverleugnende
Pflichterfüllung lernt, in welcher sie durchdrungen wird von der
Hingebung für den König und für das Land, in welcher der
Patriotismus gekräftigt und zu vollem klarem Bewußtsein gebracht
wird. Man könnte also die Wehrverfassung nicht modificiren, ohne zu
gleicher Zeit der militairischen Kraft und der nationalen Einigkeit
großen Schaden zu thun, ohne die Ueberzeugung des Volkes zu
verletzen, welche in der allgemeinen Dienstpflicht und der damit
zusammenhängenden Stärke der Armee die beste Bürgschaft für die
Sicherheit und Größe Preußens erblickt. Sie müssen begreifen, mein
theurer Lord," fuhr er fort, "daß alle diese Gesichtspunkte es mir
unmöglich machen, die Idee der gegenseitigen Entwaffnung weiter zu
discutiren;--so lange ich Minister bin, würde ich eine solche Idee dem
Könige nicht vorschlagen können, und jede weitere Erörterung des
Gegenstandes würde zu gar keinem Resultat führen. Ich glaube, es ist
der beste Dienst, den ich Ihnen leisten kann, und der größte Beweis
aufrichtigsten Entgegenkommens gegen die Regierung Ihrer Majestät,
wenn ich sogleich und ohne Umschweife meine Stellung zu der von
Ihnen angeregten Frage offen ausspreche. Ich bitte Sie, das, was ich
Ihnen gesagt, als meine unbedingt feststehende Ansicht zu betrachten
und auch Ihrer Regierung keinen Zweifel über dieselbe zu lassen."
Lord Loftus verneigte sich und sprach:
"Ich erkenne vollkommen das Gewicht der Gründe an, welche Sie mir
angeben und werde dieselben dem auswärtigen Amt zur Kenntniß
bringen. Ich bedaure," fuhr er fort, "daß Ihre Mittheilungen mich von
der Unmöglichkeit überzeugt haben, den auf Europa lastenden Zustand

ängstlicher Besorgniß durch ein einfaches Mittel zu beseitigen."
"Ich begreife nicht, mein lieber Lord," sagte Graf Bismarck, "warum
Sie
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