Dann hätte Frankreich einen
Interventionsgrund und eine ganz vortreffliche Stellung der deutschen
Nation gegenüber--läßt man die Ereignisse weiter gehen, läßt man den
Widerstand der süddeutschen Volkspartei brechen oder ermatten, dann
wird man sich demnächst nicht mehr Preußen, sondern dem ganzen
Deutschland gegenüber befinden, und das wird für uns die schlimmste
und gefährlichste Position sein, in der wir uns befinden können. Es ist
in der That ein Glück," sagte er lächelnd, "in diesem Augenblick von
der Politik fern zu sein."
"Aber glauben Sie nicht," sagte Herr Meding, "daß Drouyn de L'huys,
dem ja der Kaiser schon mehrfach das Portefeuille angeboten hat, doch
endlich die Leitung der Angelegenheiten wieder übernehmen und
größere Festigkeit und Klarheit in die französische Politik bringen
werde?"
Der Graf von Chaudordy schüttelte den Kopf.
"Ich glaube nicht," sagte er, "daß Drouyn de L'huys sich jemals mit
dem Kaiser definitiv verständigen wird. Drouyn de L'huys will den
Frieden und der Kaiser kann sich nicht entschließen, weder ernsthaft
den Frieden zu begründen, noch ernsthaft den Krieg zu machen--er läßt
sich treiben und wird in den Krieg hineingedrängt werden, ohne es
selbst zu wollen. Für Ihren König und dessen Sache wird es jedenfalls
das Beste sein, wenn er einer solchen unklaren, verworrenen
Katastrophe fern bleibt, um so mehr, wenn er selbst sich nicht zu klaren
Entschlüssen erheben kann."
Der Kammerdiener öffnete die Thür.
Herr von Düring, Herr von Tschirschnitz und die übrigen
hannöverschen Officiere traten ein. Nach und nach kamen noch andere
Herren, auch Herr Hansen erschien.
Das Gespräch wurde allgemein; man unterhielt sich über die
Tagesereignisse.
"Wissen Sie, meine Herren," sagte Herr Hansen, "daß der Proceß des
Prinzen Pierre Bonaparte beginnen wird? Wie ich höre, sind alle
Juristen der Ansicht, daß der Prinz freigesprochen werden muß."
"Ich wüßte kaum," sagte der Graf von Chaudordy, "wie man ihn
verurtheilen wollte. Wenn Jemand in seinem eigenen Zimmer insultirt
und angegriffen wird--und Herr Fonvielle hat ja einen geladenen
Revolver bei sich gehabt--so steht ihm doch unzweifelhaft das Recht zu,
sich zu vertheidigen. Ich liebe den Prinzen Peter nicht, er ist eine
unruhige, unberechenbare Natur und sein ganzes Leben, wie seine
Person erregt wenig Sympathie, aber in dieser Sache kann man ihm
keinen Vorwurf machen--doch ist das Alles sehr unangenehm für die
Regierung--es ist, als ob Alles zusammenkäme, um die Stellung des
Kaisers zu erschweren. Solche Processe mit oder ohne Schuld der
Regierenden finden sich in der Geschichte immer vor großen
Katastrophen."
"Der arme Victor Noir thut mir leid," sagte Herr Meding, "ich habe ihn
gekannt, er war Redacteur an der 'Situation' und Herr Grenier hat ihn
mir zuweilen geschickt, um mir Mittheilungen zu machen. Ich habe
immer eine Sympathie für ihn gehabt, er war eine gute kindliche Natur
von harmloser Naivetät, man hat ihn zu dieser Demonstration
gemißbraucht, und er ist das Opfer derselben geworden. Wie sieht es
bei Ihnen aus," fragte er, sich an einen jungen eleganten Herrn mit
blassem Gesicht, schwarzem Haar und zierlichem kleinem Schnurrbart
wendend, welcher so eben eingetreten war, "haben Sie bald einen
König gefunden, oder glauben Sie es auf die Dauer mit der Republik
versuchen zu können?"
"Spanien erträgt dauernd kaum eine Republik," erwiderte Herr Angel
de Miranda, der frühere Kammerherr der Königin Isabella, welcher
gegenwärtig in Paris lebte und dort eine, zwar private, aber eifrige
Thätigkeit für die provisorische Regierung Spaniens entwickelte. "Es
hat viel dazu gehört, um die alte Monarchie zu zerstören, wir werden
aber," fuhr er mit geheimnißvoller Miene fort, "wie ich glaube, in nicht
langer Zeit einen König finden und damit wird diese Revolution
endlich zum Abschluß gelangen."
"Ich wünsche Ihnen das von Herzen," sagte Graf Chaudordy. "Für das
ganze westliche Europa sind diese unsichern Zustände in Spanien vom
schädlichsten Einfluß. Sie müssen übrigens," sagte er lächelnd, "eine
kleine Neugier verzeihen, es interessirt mich in hohem Grade, wohin
Sie die Blicke wohl gewendet haben könnten, um einen Herrscher für
Ihr Land zu finden,--Sie haben da den Herzog von Montpensier, Sie
haben den Prinzen von Asturien, Sie haben den Grafen von
Montemolin, und wer weiß, ob nicht vielleicht der Marschall Prim, der
schon einmal von einem kaiserlichen Diadem von Mexiko träumte,
auch jetzt wieder daran denkt, die Gewalt fest zu halten, welche er ja
durch die Armee bereits vorzugsweise sich zu eigen gemacht hat."
Angel de Miranda zuckte die Achseln.
"Ich glaube kaum, daß Prim ähnliche Gedanken hegen könnte, er ist
klug und weiß sehr gut, daß, wenn er vielleicht eine Zeit lang Dictator
sein könnte, er doch niemals und zwar weder von der spanischen
Grandezza, noch vom Volk als König acceptirt werden könnte. Ich
glaube viel eher, daß er eine Zeit daran gedacht hat und vielleicht auch
noch ein wenig daran denkt, den Prinzen von Asturien möglich zu
machen, um dann an der Spitze einer Regentschaft als Majordomus die
Macht in Händen zu behalten. Doch das Alles ist unpractisch, wir
können in Spanien keinen König von

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