Der Todesgruß der Legionen, 2. Band | Page 2

Johann Ferdinand Martin Oskar Meding
und kleinliche Intriguen ausgel?st. Ich bin hier schon lange in einer mehr als peinlichen Situation, um so mehr als Graf Platen--wie Sie ja wissen, den Grafen Breda hierher geschickt hat, welcher als geheimer Agent des K?nigs figurirt, obwohl Seine Majest?t mir pers?nlich versichert hat, ihn gar nicht zu kennen, und dessen eigenthümliche Th?tigkeit die Sache des K?nigs mehr und mehr discreditirt. Ich würde für meine Person nicht unzufrieden sein, wenn diese ganze Unruhe ein Ende nehme und wenn nur für das ganze Welfenhaus eine sichere und würdige Zukunft geschaffen werden k?nnte. Doch mü?te man sich in Hietzing klar werden, was man will--Eins oder das Andere, entweder den Frieden oder einen so festen und energischen Krieg, da? man gefürchtet bleibt und im gegebenen Augenblick die Macht des Handelns beh?lt. Es scheint aber, da? überall in der Welt heute der Entschlu? und die Thatkraft verschwindet. Denn ich mu? Ihnen aufrichtig gestehen, da? ich auch hier bei Ihnen nicht mehr verstehen kann, wo man denn eigentlich hinaus will und was man beabsichtigt."
Der Graf Chaudordy seufzte.
"In der That," sagte er, "h?uft man hier Fehler auf Fehler. Ich fürchte, da? sich das eines Tages bitter r?chen wird; ich bin mit Herz und Seele Franzose und bin dem Kaiser und dem Kaiserreich aufrichtig ergeben, aber für die Dynastie sehe ich in der Art und Weise, wie man hier die Gesch?fte behandelt, wenig erfreuliche Aussichten für die Zukunft. Unsere Fehler beginnen von 1866; nachdem sich der Kaiser damals zu keinem Entschlu? aufraffen konnte, mu?te er dahin gedr?ngt werden, gr??ere Freiheiten zu geben. Er hat sich auch dazu nur langsam und fast zu sp?t entschlie?en k?nnen, und da er diesen Entschlu? so lange hinausgeschoben hat, so wird er nun gezwungen werden endlich den Krieg zu machen, welcher der gr??te Fehler sein wird."
"Sie h?tten also gewollt," fragte Herr Meding, "da? der Kaiser im Jahre 1866 entschieden für Oesterreich h?tte Partei nehmen sollen?"
Der Graf Chaudordy blickte ihn gro? an.
"Nein," sagte er, "nicht für Oesterreich; ich habe Herrn von Bismarck immer für sehr stark gehalten, ich habe Preu?ens Ueberlegenheit über Oesterreich nie bezweifelt und Oesterreichs Niederlage vorher gesehen. Nach meiner Ueberlegung h?tte der Kaiser damals--und zwar vor dem Kriege--eine feste und entschiedene Alliance mit Preu?en machen müssen, um aus derselben alle die Vortheile für Frankreich zu ziehen, welche das siegreiche Preu?en ihm nach dem Kriege nicht mehr gew?hrte. Auch heute noch w?re es das einzig Richtige, um jeden Preis eine aufrichtige Verst?ndigung mit Preu?en zu suchen--das ist die einzige Macht, mit welcher wir eine nützliche und starke Alliance schlie?en k?nnen, und wenn wir diese Alliance nicht schlie?en, so werden wir ihr und zwar in kurzer Zeit in einem furchtbaren und gewaltigen Krieg isolirt entgegentreten müssen."
"Man rechnet aber doch," warf Herr Meding ein, "sehr erheblich auf Oesterreich und Italien--Sie kennen gewi? die Negotiationen, welche in diesem Augenblick im Gange sind, um einen Coalitionsvertrag mit den beiden M?chten zu schlie?en. Wie man mir erz?hlt, soll die Sache sehr weit gediehen sein und man verspricht sich hier sehr viel davon."
"Das wird Alles zu Nichts führen," sagte der Graf von Chaudordy. "Auch in dieser Richtung hin hat man einen Fehler gemacht. Man hat geglaubt, in Herrn von Beust, an dessen Erhebung zum Minister in Oesterreich der Kaiser gro?en Antheil hat, einen entschiedenen Alliirten zu finden,--man hat sich get?uscht und h?tte dies sogleich erkennen sollen, als die neue ?sterreichische Regierung statt ihre ganze Kraft militairischen Rüstungen zu widmen, sich mit Verfassungsfragen zu besch?ftigen begann. Wie ist es denn m?glich, sich jetzt auf dieses Oesterreich zu stützen, welches keine Armee und kein Geld hat und uns im entscheidenden Augenblick um so mehr im Stich lassen wird, als die entscheidende Leitung der dortigen Politik t?glich mehr in die H?nde Ungarns übergeht.
"Der Kaiser erkennt das Alles sehr gut," fuhr er fort, "aber er ist nicht mehr der er war und zwischen den verschiedensten, heterogensten Entschlüssen hin- und herschwankend wird er endlich dahin gedr?ngt werden, g?nzlich isolirt und ohne alle Alliancen den Krieg zu machen, der kaum mit einem entscheidenden Siege für Frankreich enden wird, und der uns leicht in eine unendliche innere Verwirrung stürzen kann, auch giebt man alle Gründe, um vernünftiger Weise dort den Krieg vorzubereiten, aus der Hand. Man hat den Prager Frieden so lange verletzen lassen, da? es fast l?cherlich sein würde, heute noch kategorisch dessen Erfüllung zu fordern. Jetzt l??t man die Bewegungen in Baden und Süddeutschland wieder ohne Beachtung und Unterstützung,--es w?re so leicht--und man hat uns darüber Mittheilungen gemacht, eine Volksbewegung in Baden gegen den von der dortigen Regierung projectirten Anschlu? an Preu?en zu erregen und dadurch die deutsche Frage von Neuem zum Gegenstand der Aufmerksamkeit Europas zu machen. Dann h?tte Frankreich einen Interventionsgrund und eine ganz vortreffliche Stellung der deutschen Nation gegenüber--l??t man die Ereignisse weiter gehen, l??t man den Widerstand der süddeutschen Volkspartei brechen oder ermatten, dann wird man sich demn?chst
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