zwang--"ich erinnere mich nicht, Herr Vergier, Ihnen das Recht gegeben zu haben, Vermuthungen über meine Beziehungen zu andern Personen auszusprechen und an diese Vermuthungen Belehrungen und Beleidigungen zu knüpfen. Ich habe von Ihnen Frist verlangt, um über Ihre Wünsche nachzudenken und Ihnen versprochen, Ihnen demn?chst zu antworten.
"Wenn Sie sich herausnehmen in dem Ton mit mir zu sprechen, den ich so eben geh?rt, so wird die Folge davon sein, da? ich, ohne weiter einer Frist zu bedürfen, Ihren Antrag sogleich mit einem bestimmten und unwiderruflichen 'Nein' beantworte."
Herr Vergier beugte sich unter dieser entschiedenen Erkl?rung des jungen M?dchens zusammen, er schlug die Augen nieder und zwang sich zu einem freundlichen L?cheln.
"Verzeihung, Fr?ulein Luise!" sagte er mit leiser Stimme, indem er dem jungen M?dchen n?her trat und ihr die Hand reichte, welche sie nur leicht mit den Spitzen ihrer Finger berührte--"Verzeihung, ich habe mich hinrei?en lassen von meinem Gefühl, aber gerade diese Bewegung sollte Ihnen zeigen wie tief dasselbe ist."
Luise antwortete nicht, schlug die Arme übereinander und blickte unbeweglich in die Kaminglut.
Nach einigen Augenblicken tiefen Schweigens trat der Vater des jungen M?dchens, der Holzh?ndler Challier in den Salon.--
Herr Challier war ein Mann von sechszig Jahren, nicht hoch gewachsen, aber trotz seines Alters noch von schlanker und elastischer Gestalt; das kurze dichte Haar war durchweg grau und an den Schl?fen wie über der Stirn zurückgestrichen, so da? das scharfgeschnittene, ausdrucksvolle Gesicht mit den lebhaft blickenden dunkeln Augen und den noch fast schwarzen Augenbrauen an jene alten K?pfe aus der Zeit des Puders erinnerte.
Der alte Herr begrü?te Herrn Vergier und seine Tochter, ohne die peinliche Gereiztheit zu bemerken, in welcher Beide sich befanden.
"Wir haben heute die Arbeit sp?t geschlossen," sagte er, "es sind so bedeutende Bestellungen von Seiten der Kriegsverwaltung gemacht, da? wir alle H?nde voll zu thun haben um denselben zu genügen; nach diesen Vorbereitungen sollte man fast glauben, da? gro?e Ereignisse bevorstehen, w?hrend doch die Zeitungen Nichts dergleichen vermuthen lassen und alle officiellen Kundgebungen nur die zuversichtlichsten Friedensversicherungen enthalten."
"Ich glaube an diese Versicherungen wenig," sagte Herr Vergier, welcher sehr zufrieden damit zu sein schien, da? die Unterhaltung ein Gebiet berührte, das so weit von dem Gegenstande entfernt war, der so eben das Gespr?ch zwischen ihm und Fr?ulein Luise gebildet hatte--"wir haben es schon ?fter erlebt, da? unmittelbar vor den gro?en Conflicten in allen Tonarten der Weltfriede verkündet wurde und mich machen so feierliche und so bei jeder Gelegenheit wiederholte Friedensversicherungen ein wenig mi?trauisch.
"Ich wei?, da? auch auf dem Gebiet meines Gesch?fts neuerdings wieder gro?e Bestellungen gemacht worden sind und die ganze industrielle Welt hat das Gefühl, da? in der schwülen Luft dieser Zeit ein gro?es erschütterndes Gewitter sich vorbereitet, und so sehr ich," fuhr er lebhafter fort, "als Industrieller den Frieden wünsche, so mu? ich doch sagen, da? ich als Franzose mit tiefem Schmerz die passive Unth?tigkeit empfinde, zu welcher die Regierung des Kaisers Frankreich verurtheilt und durch welche die Stellung unseres Landes in Europa immer schwerer erschüttert und immer tiefer untergraben wird."
Der alte Challier schüttelte langsam den Kopf.
"Mir fehlt es wahrlich nicht an franz?sischem Nationalgefühl," sagte er, "und gerade die Bürger von Saint-Dizier, zu denen meine Familie seit Jahrhunderten geh?rt, sind mit dem militairischen Ruhm Frankreichs eng verwachsen, aber ich sehe wahrlich nicht, da? und wie die Achtung gebietende Stellung unseres Landes bedroht w?re und ich glaube da? der Kaiser sehr wohl daran thut den kriegerischen Aufwallungen nicht nachzugeben, welche sich seit l?ngerer Zeit so oft bemerkbar machen.
"Er hat Frankreich auf eine H?he des Wohlstandes gebracht wie dieselbe kaum jemals früher vorhanden war; sein neues Wegesystem hat jeder Arbeit den sicheren und leichten Absatz verschafft und es w?re ohne die allergewichtigsten Ursachen geradezu ein Verbrechen unser so herrlich aufblühendes Land in die Gefahren eines gro?en Krieges zu stürzen. Die Nachwehen dieser mexikanischen Expedition, welche uns so viel Geld und Blut gekostet hat, sind kaum überwunden und ein neuer Krieg würde kaum zu verantworten sein."
"Aber glauben Sie denn," rief Herr Vergier lebhaft, "da? der Kaiser sich auf die Dauer wird halten k?nnen, wenn er nicht durch einen glücklichen und siegreichen Krieg seiner Regierung ein neues nationales Fundament giebt? Man sagt ja, da? seine besten Freunde ihm zu solchem Kriege rathen.--Ich liebe das kaiserliche Regiment nicht--ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, da? ich in der Republik die einzige Regierungsform sehe, welche Frankreich dauernd zu Glück und fester Gr??e führen kann und ich würde ohne Bedauern den Zusammenbruch dieser willkürlichen Regierung ansehen, der wir jetzt unterworfen sind--"
"Sie thun Unrecht," fiel Herr Challier ernst und entschieden ein--"die Jugend liebt die Ver?nderung und glauben Sie mir, es ist wesentlich die Neigung zur Ver?nderung, welche die Gegner des Kaiserreichs erfüllt; ich bin kein unbedingter Bewunderer der Napoleonischen Herrschaft--die Traditionen unserer Stadt und unserer Gegend weisen uns vielmehr auf die alten legitimen K?nige von Frankreich zurück, mit denen unsere Vorfahren in der gro?en Geschichte der Vorzeit so eng
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