Nähe der alten
Kirche, welches dem Holzhofbesitzer Challier gehörte, ein junges
Mädchen von etwa siebzehn Jahren in einem tiefen Lehnstuhl vor dem
flackernden Kaminfeuer; sie trug ein einfaches Hauskleid von dunklem
Wollenstoff, das sich ihrer schlanken Gestalt anmuthig anschmiegte,
ihr dunkles, glänzendes Haar war glatt gescheitelt und auf dem
Hinterkopf in zwei Flechten zusammengebunden, deren reiche Fülle
jeden künstlichen Chignon unnöthig machte; ihr etwas blasses, feines
Gesicht zeigte den eigentümlichen, scharf geistvollen, beinah etwas
höhnischen, dabei aber doch wieder zugleich sentimental
gefühlsreichen Ausdruck, der den französischen Frauen eigenthümlich
ist. Ihre mandelförmig geschnittenen dunkeln und von scharf
geschnittenen Brauen überwölbten Augen blickten sinnend in die Gluth
des Kaminfeuers, während ihr kleiner frischer Mund sich ein wenig
spöttisch verzog, indem sie den lebhaften Worten eines Mannes von
etwa dreißig Jahren zuhörte, der vor ihr stand.
Dieser Mann war mittelgroß und von hagerer Gestalt; sein etwas
gelbliches nicht schönes aber intelligentes Gesicht zuckte in lebhafter
Aufregung, die Blicke seiner großen tief liegenden dunkeln Augen
sprühten in nervöser Unruhe hin und her, sein krausgelocktes, dichtes
Haar reichte tief in die Stirn hinab und sein kleiner schwarzer
Schnurrbart war in zwei geraden Spitzen aufwärts gedreht.
"Es ist unrecht von Ihnen, Fräulein Luise," rief er, seine Worte mit
lebhaften Gesticulationen begleitend, "es ist unrecht von Ihnen, daß Sie
für die Versicherungen meiner Liebe nur ein höhnisches Lächeln haben.
Sie wissen, daß seit lange Ihnen mein ganzes Herz gehört;--meine
Eisenfabrik wirft mir einen reichen Gewinn ab, mein Vater hat Nichts
gegen meine Bewerbung--warum weisen Sie fortwährend meine Bitte
zurück, mir Ihre Hand zu reichen?--Ich kann Ihnen eine sichere und
wahrlich keine einschränkte Existenz bieten und was meine Person
betrifft, so glaube ich sollten Sie mich genug kennen, um
vertrauensvoll Ihr Schicksal mit dem meinigen zu verbinden."
"Ich habe Ihnen schon öfter gesagt, Herr Vergier," erwiderte das junge
Mädchen, "daß ich durchaus keine Eile habe mich zu verheirathen. Ich
bin, Gott sei Dank, erst siebzehn Jahre und habe noch Zeit ein wenig
meine Freiheit zu genießen; ich habe Sie oft gebeten mir diese Zeit zu
lassen--das ist doch in der That keine unbillige Bitte--oder fürchten Sie,
daß ich Ihnen zu alt werde," fügte sie lächelnd hinzu, indem sie ihre
Augen mit einem schalkhaften Blick emporschlug.
"Da antworten Sie mir wieder in diesem höhnischen Ton, den ich nicht
ertragen kann," sagte Herr Vergier, indem er lebhaft mit der Hand
durch die Haare fuhr; "es wäre wahrhaftig besser, wenn Sie mir auf
einmal offen und ehrlich sagten, daß Sie Nichts von mir wissen wollen,
als daß Sie mich auf diese Weise hinhalten und verspotten."
"Warum erfüllen Sie denn meine Bitte nicht," erwiderte Luise, "und
lassen mir ruhig Zeit zur Ueberlegung? Ich habe ja Nichts von Ihnen
verlangt, als daß Sie ein Jahr lang mit mir gar nicht über Ihre
Heirathspläne sprechen und ich habe Ihnen versprochen, nach Ablauf
dieser Frist Ihnen ein bestimmtes 'Ja' oder 'Nein' zu sagen.--Warum
drängen Sie mich fortwährend?"
"Weil ich," rief Herr Vergier lebhaft, "täglich deutlicher sehe, daß es
nicht die Liebe zu Ihrer Freiheit ist, welche Sie die entscheidende
Antwort verschieben läßt, sondern daß sich Ihr Herz mir mehr und
mehr entfremdet. Oh!" sagte er näher zu ihr herantretend, indem er sie
mit unruhigen, halb bittenden, halb zornigen Blicken betrachtete,
"früher war das anders; früher als Sie fast noch ein Kind waren,
sprachen Sie gern mit mir, Sie hatten Vertrauen zu mir, Sie lächelten
freundlich und widersprachen mir nicht, wenn ich Sie meine kleine
Braut, meine künftige Frau nannte, das verstand sich Alles von
selbst--und machte mich so glücklich; aber jetzt," fuhr er fort, die
Zähne zusammenbeißend und mit Mühe einen heftigen Ausdruck
zurückhaltend--"jetzt ist das Alles anders--seit--"
"Seit?" fragte das junge Mädchen den Kopf emporwerfend und mit
einem kalten, fast hochmüthigen Blick Herrn Vergier vom Kopf bis zu
den Füßen musternd, "seit--?"
"Seit jener fremde Deutsche hierhergekommen ist," rief Herr Vergier
mit brennenden Blicken, indem seine Gesichtszüge sich durch einen
häßlichen Ausdruck von Zorn und Haß entstellten, "jener heimathlose
Flüchtling, von dem man nicht weiß woher er kommt--seit dieser
Mensch, der nur ein gemeiner Soldat war, sich in Ihr Herz
eingeschlichen hat--seit jener Zeit haben Sie die Erinnerungen Ihrer
Kindheit vergessen--haben Sie Ihren Vater und Frankreich vergessen,
denn es ist auch ein Verbrechen an Ihrem Vaterlande einen Fremden zu
lieben, noch dazu einen Fremden, welcher jener deutschen Nation
angehört, die stets die Feindin Frankreichs war und deren Schaaren den
heiligen Boden unsers Vaterlandes mehr als einmal verwüsteten.--Ich
hasse die Deutschen," fuhr er mit grimmigem, dumpf gepreßtem Tone
fort, "ich habe sie gehaßt so lange ich die Geschichte meines Landes
kenne und ich hasse sie jetzt--mehr als je, seit mir Einer aus dieser
Race die Hoffnung meiner Zukunft und das Glück meines Lebens
geraubt hat."
Bei diesen Worten, welche Herr Vergier fortgerissen von seiner inneren
Erregung, in immer steigendem Affect gesprochen, hatte zuerst eine
fliegende helle Röthe

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