Der Spiegel Des Cyprianus | Page 9

Theodor W. Storm
und noch immer war es dort.--Da f��hlte sie den Kopf des kleinen Wolf ihren Armen entgleiten, und in demselben Augenblicke sah sie einen leichten Rauch gegen das Spiegelglas ziehen. Wie ein Hauch lief es dar��ber hin. Dann wurde das Glas wieder klar; aber hinter demselben zog es wie ein graues W?lkchen in die Tiefe; und jetzt pl?tzlich sah sie dort im Grunde des Spiegels zwei kleine Nebelgestalten, die sich umschlungen hielten.
Mit einem Schrei sprang die Gr?fin empor; ihr Sohn lag regungslos mit wachsbleichem Antlitz; die offenstehenden blauen Lippen verk��ndeten den Tod.--Sie ri? das seidene Wams von seiner Brust; da sah sie den dunkelroten Fleck auf seinem Herzen, den sie kurz zuvor auf der Brust des kleinen Kuno gesehen hatte. "Hager, Hager!" schrie sie--denn das Geheimnis des Spiegels war ihr unbekannt--"das ist deine Faust! Der war dir auch im Wege; aber noch bist du nicht der Herr im Schlo?; und ich schw?r's, du sollst es nimmer werden!"
Sie ging hinab; sie suchte ihn; aber der Oberst war eben zur Jagd auf ein benachbartes Schlo? geritten und hatte auf den morgenden Tag seine R��ckkunft angesagt.
Der pl?tzliche Tod auch des letzten Grafensohnes verbreitete einen dumpfen Schrecken unter dem Gesinde. Auf Treppen und G?ngen standen sie und raunten miteinander, und wenn die Gr?fin nahte, stahlen sie sich scheu von dannen. Es wurde Nacht. Der Leichnam des kleinen Wolf war hinabgetragen und lag ausgestreckt auf seinem Bettchen in der Kammer. Aber der Gr?fin lie? es bei dem Toten keine Ruh. Im hellen Mondenschein, w?hrend alles schlief, stieg sie hinauf nach der R��stkammer. Dort stand sie vor dem Spiegel, der in blauem Schimmer leuchtete, blickte mit starren Augen hinein und wand die H?nde umeinander. Dann wieder, als jage sie ein pl?tzliches Grausen, st��rzte sie aus dem Gemach und rannte durch die G?nge, bis sie die T��r ihres Schlafgemachs erreicht und hinter sich ins Schlo? geworfen hatte.--So verging die Nacht.
Als am andern Morgen der Hausmeister in das Zimmer der Gr?fin treten wollte, h?rte er hart und heftig drinnen reden. Er erkannte die Stimme des Obristen, der eben zur��ckgekehrt war; und bald antwortete die Gr?fin in gleicher Weise. Es waren Worte t?dlichen Hasses, die der Alte h?rte. Kopfsch��ttelnd trat er von der T��r zur��ck. "Das sind die Gerichte Gottes!" sprach er und stieg ein paar Treppen h?her nach der Platte des runden Turmes hinauf; denn ihm war, als m��sse er Gottes freie Luft sch?pfen.
Er lehnte sich ��ber die Br��stung und blickte in den sonnigen Morgen hinaus. "Wie sch?n die W?lder gr��nen!" sprach er vor sich hin. "Und sie sind alle tot! Die gute Gr?fin und der Graf, mein Junker Kuno und nun auch der kleine Wolf!"--Da h?rte er unten auf dem Hofe ein Pferd aus dem Stalle ziehen; nicht lange darauf, so donnerte der Galoppschlag ��ber die Zugbr��cke; dann weniger h?rbar drau?en auf dem Wege, und dr��berhin aus den Kronen der alten Eichen, die zur Seite standen, flogen die Raben kr?chzend in die Luft.
In demselben Augenblicke kam von unten herauf ein Geschrei der Weiber; und als der Alte hinabgestiegen war, drang es von allen Seiten auf ihn ein, die Gr?fin liege erschlagen in ihrem Blute.--"Wo ist der Oberst?" fragte der Hausmeister. "Fort ist er!" rief der Reitknecht, der vom Hofe heraufkam, "mitsamt seinem hochbeinigen Rappen."
Rasch wurde die Verfolgung von dem Alten angeordnet; aber am andern Morgen kamen alle auf schaumbedeckten Rossen unverrichteter Sache wieder heim. --"So la?t uns denn die Toten begraben", sprach er, "und einen Boten senden an den neuen Herrn dieser sch?nen G��ter!"
"Und so geschah es", schlo? die Erz?hlerin ihren Bericht--"die Herrschaft kam an einen Vorfahren Eures Gemahls, welcher der N?chste war dem Blute nach. Der alte Hausmeister soll noch lange nach seinem Antritt dort unten in dem Torh?uschen gewohnt haben, ein treuer W?chter an der Gruft seiner geliebten Herrschaft."
"Das ist eine entsetzliche Geschichte!" sagte die Gr?fin, als die Amme schwieg. "Aber hast du nicht geh?rt, wie der erste Gemahl jener ungl��cklichen Frau gehei?en hat?"
"Freilich", erwiderte die Alte, "ihr Witwenname steht auf dem Rahmen des Bildes." Und hierauf nannte sie eines der ersten Adelsgeschlechter.
"Seltsam!" sagte die Gr?fin, "so ist sie meine Urahne!"
Die Alte sch��ttelte den Kopf. "Unm?glich", sagte sie, "Ihr, Frau Gr?fin, aus dem Blut jener b?sen Frau?"
"Es ist v?llig gewi?, Amme; jene Tochter, die in Wien zur��ckblieb, wurde die Frau eines meiner Vorfahren."--Das Gespr?ch wurde durch den Eintritt des Arztes unterbrochen. Der Knabe lag nach wie vor in tod?hnlichem Schlummer und erwachte auch nicht, als die Hand des Arztes an seinen kleinen Gliedern nach der Spur des Lebens forschte.
"Nicht wahr, er wird genesen?" sagte die Gr?fin, indem sie angstvoll in das verschlossene Gesicht des Arztes blickte.
"Die Frage ist zu viel f��r einen Menschen", erwiderte dieser; "aber Frau Gr?fin m��ssen schlafen; das ist ganz notwendig." Und als sie Gegenvorstellungen machte, fuhr er fort: "Es wird sich bis morgen mit dem Kranken nichts ereignen, ich hafte daf��r; die
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