Der Schwimmer | Page 7

John Henry Mackay
gro?en Zigaretten-Importgesch?ft, zu dem er in einer auffallenden Uniform und in einer M��tze mit Aufschrift gehen mu?te; und im darauffolgenden Sommer zog er f��r eine Papeteriewarenhandlung mit einem Karren und einem Hunde, meist allein, zuweilen aber auch mit einem zweiten Jungen, vom Morgen bis zum Abend in der ganzen Umgegend von Berlin herum um Waren abzuliefern. So brachte er es fertig, w?hrend dieses ganzen Jahres nie weniger als zehn Mark die Woche zu verdienen, und meistens noch etwas mehr, bis zu dreizehn und selbst vierzehn, die Trinkgelder eingerechnet.
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Alles, was er an Geld und Zeit er��brigen konnte, geh?rte bis auf die letzte Minute und den letzten Pfennig seiner ersten Liebe: dem Wasser!--
Immer brachte er es fertig, auf seinen Gesch?ftsg?ngen--und mu?te er sich noch so sehr vorher und nachher beeilen--so viel an Zeit zu er��brigen, da? er in das zun?chst gelegene Schwimmbad eilen konnte auf ein kurzes, oder, wenn es irgend anging, auf ein langes Bad. Im Sommer fast t?glich: da befand er sich meist in den Vororten von Berlin, und statt der wenigen Winter-Schwimmb?der der Stadt fand er ��berall ein Sommerbad. Und mochte er in Reinickendorf oder Steglitz, am Pl?tzensee oder in Rixdorf sein--im Sommer wenigstens durfte kein Tag vergehen, an dem er nicht in die Fluten tauchen konnte, die sein Element waren. Er verzichtete auf die Mittagsruhe unter einem Baum auf dem Felde; er ��berredete seinen Kameraden, mit dem Wagen eine halbe Stunde auf ihn zu warten, und versuchte es auf alle Weise-- selbst durch Bestechung mit einem Sechser oder mit einem Glas Bier; er stellte den Wagen bei Bekannten, die er ��berall machte, f��r eine Stunde unter, nur um auf sein Vergn��gen nicht verzichten zu m��ssen. Sonst so schwerf?llig, wurde er schlau in der Anwendung der Mittel, die ihn zu seinem Ziele f��hren konnten: seinem t?glichen Bade.
��brigens fand er im Sommer meist Zeit. Bei diesen weiten, tagelangen Fahrten konnte sein Fortbleiben vom Gesch?ft aus nur selten so genau kontrolliert werden, wie im Winter; wenn er abends, und mochte es auch schon sp?t sein, mit dem leeren Wagen nach Hause kam und nur alle Bestellungen abgeliefert waren, war der Chef zufrieden, um so mehr, als Franz sehr zuverl?ssig und ehrlich war, so da? ihm oft gro?e Summen zur Einkassierung anvertraut wurden.
Auch die paar Groschen f��r das Bad fand er immer. Sie waren seine einzige Ausgabe. Er hatte sonst kein Bed��rfnis und verzichtete lieber auf sein Glas Bier, als auf sein Bad. Er konnte hungern und dursten-- und oft genug tat er beides--: aber sein Vergn��gen lie? er sich nicht nehmen. Auch war es ja ein so billiges Vergn��gen. Da er sich immer noch in vielen F?llen auf ein Kinderbillet durchschmuggelte, so kostete ihm sein Hallenbad nicht mehr als zwanzig, sein Sommerbad meist aber nur zehn Pfennig. Das konnte er sich schon leisten. Nur sprach er nicht mehr so viel von seinem Vergn��gen. Die Mutter h?tte selbst ��ber die kleine Ausgabe geklagt, und seine Freunde verstanden seine Leidenschaft doch nicht so, wie er sie f��hlte. So umgab er sie mit der ganzen Heimlichkeit einer wirklich ersten Liebe und stahl sich zu seinem einzigen und gr??ten Vergn��gen wie zu einem Stelldichein.
Seine kleine Badehose, die zusammengerollt nicht gro?er war als seine Faust, trug er mit sich, wo er ging und stand. Und mehr als sie, den Groschen und eine Stunde Zeit, brauchte er ja nicht!...
Es war eine harte und freudlose Kindheit, die dem Knaben beschieden war. Aber eine gro?e Freude, die schon jetzt etwas von der alles in ihm beherrschenden, verzehrenden Leidenschaft sp?terer Jahre an sich hatte, ��bergoldete ihre graue N��chternheit, lie? ihn M��digkeit und Entbehrungen vergessen, und diese Freude war es, in der er seine ganze Jugend auslebte und auskostete in ihrer ersten Kraft und in ihrem ersten unendlichen Genie?en.
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Ihm war das Schwimmen noch keine Kunst. Er ahnte noch nicht einmal, da? es als eine solche betrachtet werden konnte. Wohl wu?te er von der sportlichen Ausbildung der Schwimmer, aber diese reizte ihn nicht. Sie war ihm fremd.
Wie als kleiner Kerl von f��nf Jahren, so tummelte er sich auch jetzt noch im Wasser, nur da? er mit seiner zunehmenden Kraft gelernt hatte, es jetzt v?llig zu beherrschen.
Als nochmals ein Sommer zu Ende ging, da gab es f��r den jungen Burschen kein Wasser in der ganzen n?heren Umgebung von Berlin, wenn es nur eben so gro? war, da? man in ihm baden konnte, in dem er nicht geschwommen h?tte. Berlin war eine gro?e Stadt mit vielen Stra?en und unz?hligen H?usern, aber ihre Bedeutung bestand doch nur darin, da? um sie herum die Teiche und Seen lagen und da? sie der dunkle Flu? durchzog...
Er schwamm nur zu seinem Vergn��gen und nur zu eigener Lust. Sein einziger Wunsch war, den ganzen Tag im Wasser zu liegen, und er war gl��cklich ��ber die langen Sonntagnachmittage, an denen er es konnte.
Mit seinen kurzen, st?mmigen Beinen seinen festen Armen,
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