Der Schwimmer | Page 6

John Henry Mackay
Medaille war ihm wirklich zuerkannt, und zwar auf Betreiben desselben Lehrers an seiner Schule, der zuf?llig an jenem Sonntag in der N?he gewesen war und vergebens nach seinem Sch��ler gesucht hatte, nachdem er durch seine praktischen Anordnungen den Geretteten wieder soweit gebracht, da? er Luft schnappen konnte.
Franz machte diese Feier kein Vergn��gen. Es war ihm unangenehm, so vorgerufen und von allen Augen angestaunt zu werden, als habe er Gott wei? was getan, und er h?tte sich am liebsten in die Erde, oder noch weit lieber: ins Wasser verkrochen. Aber das ging nun einmal nicht.
Der Rektor hielt eine Rede, von der er wenig verstand, da er nicht zuh?rte. Dann mu?te Franz vortreten vor die andern Sch��ler und die Herren in schwarzen R?cken hin, und er f��hlte, da? er rot wurde, als ihm die kleine, braune Bronze-Medaille an die Brust gesteckt wurde. Aber trotz aller Unbehaglichkeit durchdrang ihn doch in diesem Augenblicke ein Gef��hl gro?er Gehobenheit, etwa ?hnlich dem, das er empfand, wenn er ganz allein drau?en in seinem Elemente schwamm und f��hlte, wie er es beherrschte. Und dies Gef��hl mu?te sich in seinen Augen widerspiegeln, mit denen er jetzt aufschaute zu dem sonst so gef��rchteten Rektor. Denn als dieser den Ausdruck stummer Begeisterung in den blauen, ehrlichen Augen des Knaben sah, ihm so ungewohnt bei seinen k��hlen, fr��h lebensklugen Berliner Kindern, legte er noch einmal seine Hand auf den kurzgeschorenen Kopf vor ihm, und sich etwas niederbeugend, f��gte er seinen Worten noch hinzu:--Du wirst gewi? einmal ein sehr t��chtiger Schwimmer werden...
Da aber antwortete Franz mit einer seiner sonstigen Schwerf?lligkeit ganz fremden Pl?tzlichkeit und Schlagfertigkeit--und wieder stand das seltsame Leuchten in seinen Augen--:
--Der bin ich schon!
Der Rektor l?chelte.
--Aber ja. Sonst h?ttest du dir das da nicht verdient. Ich meinte auch nur, da? du dich noch weiter ausbilden kannst; das willst du doch gewi??
Franz war wieder der alte, und er antwortete mit seiner eben zu der Einsegnung eingelernten Verbeugung, die das einzige war, was ihm von der ganzen Geschichte "dieser heiligen Handlung" geblieben war:
--Jawohl, Herr Rektor!
Die Feierlichkeit war zu Ende und keiner froher dar��ber, als Franz, der sofort nach der Volksbadeanstalt st��rzte und sie gerade noch lange genug offen fand, um im Wasser f��r eine halbe Stunde zu vergessen, was auf der Erde um ihn vorging.
Acht Tage vorher war er eingesegnet worden, und so waren die beiden gr??ten ?u?eren Ereignisse seiner bisherigen kindlichen Jugend zusammengefallen.
Die Einsegnung selbst hafte ihn ganz kalt gelassen und er hatte mit dem besten Willen nicht die ��blichen Tr?nen hervorquetschen k?nnen, die bei dieser Gelegenheit erwartet wurden. Aber die Verleihung der Medaille hatte ihn doch etwas innerlich erregt, da die andern so viel Wesens davon machten und ihn anstaunten, wo er ging und stand. Den tiefsten Eindruck machte es ihm, da? sein Name in den Zeitungen stand, und als an einem Abend dieser Woche der Onkel Sattlermeister aus der kleinen Markusstra?e in dem elterlichen Keller erschien und mit dr?hnender Stimme bei verschiedenen Wei?en die Notiz im "Lokal-Anzeiger" ��ber seinen Neffen vorlas, da war dieser fast so gl��cklich, wie einige Tage sp?ter, als derselbe Onkel ihn "zur Einsegnung" mit einer silbernen Taschenuhr beschenkte.
Jetzt war er von der Schule endg��ltig frei, die er im letzten Jahre geradezu geha?t hatte. Er war nun darauf angewiesen, auf eigenen F��?en zu stehen, Geld zu verdienen, um seinen Eltern ein Kostgeld zu zahlen, mit einem Wort: sich durchs Leben zu schlagen, so gut es ging.
F��r einen bestimmten Beruf, konnte er sich noch nicht entscheiden. Die besseren Berufsarten, die der Mechaniker, Ingenieure usw., bei denen ein Lehrgeld in der H?he von mehreren hundert Mark zu bezahlen war, waren ��berhaupt ausgeschlossen, da sein Vater nie in der Lage gewesen w?re, auch nur hundert Mark auf einmal f��r einen seiner S?hne aufzutreiben. Aber auch die Lehrstellen, bei denen ein Lehrgeld nicht gefordert wurde, die nur die drei- oder vierj?hrige Verpflichtung unentgeltlicher Kraft verlangten oder nach einiger Zeit und sogar von Anfang an ein kleines, von Jahr zu Jahr um etwas h?her werdendes Gehalt bewilligten, waren ihm versagt, denn jetzt wo er vierzehn Jahre alt geworden war, erkl?rten die Eltern, ihn nur bei sich behalten zu k?nnen, wenn er w?chentlich seinen Beitrag f��r Wohnung und Essen beisteuerte.
Alle seine Br��der hatten das getan, bevor sie sich selbst?ndig gemacht, das hei?t geheiratet hatten oder in die Fremde gegangen waren, und Franz w?re der letzte unter ihnen gewesen, der nicht eingesehen h?tte, wie berechtigt die Forderung war. Die Familie Felder hatte immer zusammengehalten und gesucht, sich das Leben gegenseitig zu erleichtern; da? es so schwer war, nahmen alle als eine unab?nderliche Notwendigkeit, und Franz machte keine Ausnahme, wenn er nicht dar��ber nachdachte, warum es eigentlich f��r sie alle so schwer war...
Er ging ohne Zaudern daran, sich Arbeit zu suchen. Er schreckte vor keiner zur��ck. Im Winter war er Laufbursche und Austr?ger in verschiedenen Gesch?ften, hatte dann eine Stelle als Bote in einem
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