in jeder Beziehung untadelhaft. In Worten und Briefen
lobt er die Vorgesetzten, daß sie Mitleid mit einem armen
Unglücklichen haben. Seiner Frau schreibt er, unbesorgt zu sein und zu
hoffen. »Sorge für das Wohl unserer Kinder und achte darauf, daß
ihnen kein Schaden zustößt.« »Ich empfehle Dir,« sagt er ein anderes
Mal, »immer heiter zu sein und Dich mit Mut und Ergebung zu
wappnen,« und er prophezeit ihr eine glückliche Zukunft. Er ist mit
Allem und mit Allen zufrieden und verlangt und wünscht nichts. --
Damit schließt die Beobachtungsperiode des M...
Diagnostische Erwägungen.
Nachdem so die Persönlichkeit des Antonino M... dargestellt ist,
nachdem auch seine physische Beschaffenheit mit Rücksicht auf die
körperliche Entwickelung und die Funktionen des vegetativen Lebens
genau untersucht ist, nachdem alles in Erwägung gezogen ist, was
während der Zeit, wo er in Observation war, in die Erscheinung
getreten ist, wobei keine Gelegenheit und kein Mittel unbenutzt
gelassen sind, um normale Veranlagung und krankhafte Neigungen zu
entdecken, werden wir jetzt alles darlegen, was zu einem
diagnostischen Urteil über den Geisteszustand des M... führen kann.
Wir fanden bei Antonino M...:
1. =Erbliche krankhafte Veranlagung.= Wir wollen auf die
Mitteilungen über diesen Punkt kein Gewicht legen, da sie von der
Ehefrau des M... herstammen, die an der Verteidigung interessiert ist.
Dennoch ist eine Wahrscheinlichkeit vorhanden. Wie wir später sehen
werden, läßt sich der krankhafte Charakter des M... als ein Komplex
von Anomalien der Entwickelung darstellen, der nicht individuellen
Ursprung haben kann, sondern ihm von seiner Familie überkommen
sein muß, insofern er nämlich, abgesehen davon, daß er sie schon in
sehr jugendlichem Alter zeigt, einen angestammten Mangel an dem
Halt zeigt, vermittelst dessen Leute aus gesunden Familien gewöhnlich
zum Gleichgewicht der geistigen Kräfte und der Nervenfunktionen
gelangen.
2. =Gewohnheitsmäßigen Hang zum Verbrechen.= M... hat von seinem
18. Jahr bis heute in einer ununterbrochenen Kette von Verbrechen
gelebt, die ohne Ausnahme alle nicht durch genügende, der
Gesamtwirkung entsprechende Motive erklärt sind.
Deshalb ist kein Zweifel, daß man in M... eine Disposition zum
Verbrechen annehmen muß, die an seine Konstitution gebunden ist. Es
giebt keinen Fall, an dem man besser zeigen kann, daß es Verbrecher
giebt, die es erst durch natürlichen Hang zum Verbrechen geworden
sind. Das zeigt auch die Erwägung, daß er eine gewisse Art von
Verbrechen und keine anderen begeht; in seiner Persönlichkeit ist
immer das Movens zu einem Verbrechen gegeben, er findet in jeder
gegebenen Bedingung der Umgebung oder der Gesellschaft einen
Anlaß, mit Gewaltthätigkeiten, Aufruhr und Blutthaten zu antworten,
und er kann deshalb aus den verschiedensten Gesichtspunkten als der
prägnanteste Typus des antisozialen Menschen bezeichnet werden.
Strafen, Leiden, Vorwürfe, Entfernung vom Vaterland und den
Angehörigen hatten keinen Einfluß auf die Ausbrüche seiner Natur. Er
war und ist eine Gestalt des =instinktiven Verbrechers=, aus der
Klasse der unmoralischen blutdürstigen Verbrecher. Ich hebe die
bemerkenswerte Thatsache hervor, daß M... keinen Hang zum
Diebstahl gehabt zu haben scheint. Unter den geborenen Verbrechern,
den krankhaften Produkten individueller Entwickelung oder
konstitutioneller Krankheit muß man mehrere Typen unterscheiden,
welche gemeinsame und verschiedene Charakterzüge haben, die die
Grenze zwischen den einzelnen bezeichnen, ohne deshalb die
Thatsache auszuschließen, daß in demselben Individuum ein
gemischter Typus auftreten kann. Nach den Ermittelungen
hervorragender Kriminalisten sondern sich die Diebe von den Mördern
und den Verbrechern gegen die guten Sitten, welche letztere auch
Mörder und Diebe sein können, aber die Unterscheidung zwischen den
beiden ersteren ist häufiger. Das entspricht mit großer Deutlichkeit
dem klinischen Typus, den M... als Verbrecher der zweiten Klasse
darstellt. Wir sagen das, weil seine päderastischen Anwandlungen von
besonderen Umständen hervorgerufen und vorübergehend waren, und
nicht zu anderen sexuellen Scheußlichkeiten sich entwickelten, die
sonst den Sexualperversen eigen sind. Auch die Fälschung, die er
einmal beging, kann man nicht als dem Diebestypus zuzuzählen
bezeichnen, denn die Absicht, in der er sie beging, war vielmehr der
Ausdruck eines Mangels an moralischem Gefühl, als eine Tendenz zu
den Verbrechen, zu welchen Verstellung, Vorbereitung, Zähigkeit und
gemeiner Charakter gehören. Der Umstand, daß M... sich auch in
seiner Straf- und Dienstzeit wiederholt über Geldmangel beklagt, ohne
daß er, wenigstens soviel wir wissen, sich zum Stehlen hat hinreißen
lassen, zeigt, wie sehr der besondere und unbezwingliche Hang zum
Verbrechen der natürliche Effekt seiner Konstitution und nicht
außerhalb seines Organismus wirkender Bedingungen war. M... zeigt,
abgesehen von einer besonderen Hartnäckigkeit und einer raschen
Auffassungsgabe, die ihn unter seinen Gefährten hervorragen läßt und
ihm leicht die Mittel zum Verbrechen und zur Verteidigung in die Hand
giebt, eine der gewöhnlichen Intelligenz der Verbrecher überlegene
Intelligenz, welche seinen Geist zu Urteilen allgemeinerer Art führt, so
daß er den Rohstoff zu einem Schriftsteller und Philosophen in sich
trägt.
M... war und ist auch besonderer Affekte des Hasses und der Liebe
fähig, die an Intensität, Art und Färbung sich sehr von denen
unterscheiden, welche bisweilen einen weniger unedlen Zug des
gewöhnlichen Verbrechers bilden, bei dem es schon viel ist, wenn er
inmitten
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