führen. Er möchte in der
Schneiderstube beschäftigt werden. Wurde bewilligt. Er scheint das
Handwerk im Gefängnis etwas gelernt zu haben.
=März 1890.= Der Angeklagte giebt keine Ursache zu Tadeln, er ist
höflich und fleißig. Am 11. März erwachte er schlechter Laune, sprach
mit sich selbst, behauptete Stimmen zu hören und jene Frau zu sehen,
die er als sein Unglück bezeichnet. Er fluchte gegen diese Frau,
knirschte mit den Zähnen und bedrohte sie. Er hatte es auch mit einem
Hauptmann zu thun, den er nicht nennt, und der ihm zu drei Jahren
Gefängnis verholfen hätte. Nach fünf Stunden der Erregung mit
anscheinenden Hallucinationen beruhigte er sich. Später erklärte er
auf Befragen, daß er starkes Kopfweh habe, und behauptet, sich an
nichts zu erinnern. Nachher bat er um Entschuldigung, wenn er
vielleicht jemand beleidigt haben sollte. Am 12. ging er wieder in die
Werkstatt.
=April 1890.= Immer ruhig, höflich, antwortet verständig auf alle
Fragen; hatte keinen Anfall mehr. Heimlich schrieb er einen Brief, den
er durch einen anderen Kranken, der das Zutrauen der Vorgesetzten
besitzt, einer Person seiner Heimatstadt, die seine Familie kennt,
zustellen lassen wollte. Auch ein Brief an seine Frau war dabei, in dem
er ihr empfahl, guten Mut zu haben, denn er sei zufrieden mit seinen
Vorgesetzten. Er bat um etwas Geld, um sich Zigarren zu kaufen. Dann
fügte er hinzu: »Sei unbesorgt und denke, daß ich bald komme. Du
weißt, was ich Dir mitteilen will. Ich küsse Papa und Mama die Hand,
und lasse die Verwandten grüßen. Ich küsse und segne meine Kinder,
grüße Vetter S... Ich umarme Dich.«
Am 14. gegen Abend war er sehr schlechter Laune; er sprach mit sich
selbst wie gewöhnlich, so daß man ihn nachts allein unterbringen
mußte; er fluchte gegen die bekannte Frau, schlief sehr wenig. Am 15.
war er niedergeschlagen, promenierte auf dem Hof, weinte, sagte, daß
sein Nervensystem in Aufregung sei und daß er Ruhe brauche. Er
schien innerliches Fieber zu haben. Das Schreien und Lärmen der
Gefährten verletzte seine Nerven; gegen Mittag wurde er wieder ruhig
und verlangte nach Arbeit.
Am 13. April wurde er aufgefordert, die Einzelheiten des versuchten
Brudermordes niederzuschreiben; anfangs wollte er nicht, dann,
nachdem man ihm gesagt hatte, daß es ihm von Nutzen sein könnte, ließ
er sich dazu bereit finden.[2] -- Mitten im Schreiben warf er die Feder
weg, und fing an zu schreien und zu fluchen, und Bruder, Schwägerin
und Verwandte zu bedrohen und zu verwünschen. Man mußte ihn
unschädlich machen. Auf mehrmaliges Rufen antwortete er nicht;
endlich kam er herein und sagte, daß er es mit den Spilingoten zu thun
hätte, mit denen er sich schlagen wollte.
[2] Der Bericht entspricht fast vollständig der Darstellung im vierten
Teil der Selbstbiographie, und wird hier daher nicht wiederholt.
Später wurde er ruhiger, zu Mittag wies er das Essen zurück. Er sagte,
daß er von den Schlägen, die er bekommen hatte, vollständig
gebrochen sei und große Schmerzen leide.
Dem Arzt gegenüber beklagte er sich über die Behandlung. Sie, sagte
er, lassen mich prügeln, daß es eine Art hat, während ich mich um
meine Angelegenheiten kümmere; aber Sie werden es bereuen. Später
wurde er ruhig wie gewöhnlich und behauptete auf Befragen, sich an
nichts zu erinnern, bat auch um Entschuldigung, wenn er jemand
beleidigt haben sollte.
=7. Mai.= Er wurde von neuem genau untersucht, aber keinerlei
Veränderungen wahrgenommen.
Man sagte ihm, daß er den Kopf eines Poeten habe; er antwortete
rasch: Was nützt die Poesie? Dante starb in der Verbannung, Tasso im
Hospital. Er erinnerte sich an alle Einzelheiten seines Lebens, nur
sagte er, daß ihm die Umstände nicht gegenwärtig seien, welche zu
dem Mord, den er in seinem 17. Lebensjahr begangen hatte, führten.
=17. Mai.= Immer ruhig. Gestern beleidigte ihn ein Leidensgefährte,
er prügelte ihn durch. Er wurde bestraft, aber war nicht empört
darüber. Seit einigen Tagen sucht er einen Gefährten zur Flucht zu
überreden. Auf Fragen antwortet er zusammenhängend, spricht gut von
seinen Vorgesetzten, von denen er, wie er sagt, gut behandelt wird,
erinnert sich genau an die Einzelheiten seines Lebens; wenn man ihm
eine von ihm gehaßte Person nennt, stößt er Flüche und
Verwünschungen aus. Er arbeitet in der Schneiderstube und führt sich
gut.
=Juni 1890.= Betragen wie gewöhnlich; höflich, dienstfertig,
gehorsam; er ist es zufrieden, im Irrenhaus zu bleiben, wenn seine
Vorgesetzten es wollen. Er verlangt Lektüre, versucht zu dichten, aber
klagt selbst, daß ihm die dichterische Ader und der Schwung fehlt. Er
versucht, die Vorgesetzten sich geneigt zu machen und sie zu rühren,
indem er sagt, daß seine Familie ohne ihn betteln gehen müsse. Er
schrieb einen langen Brief an seine Frau, in dem er sich zufrieden und
ergeben zeigt. Eines Tages verlangte er ein Blatt Papier und schrieb
einen Vers aus Dante: und einen halb rhetorischen, halb wahnsinnigen
Entwurf: »Der Gedanke«.
=Juli 1890.= Er arbeitet fleißig in der Schneiderstube, und sein
Benehmen ist
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