höchste Turm des Königspalastes, von wo aus Bimbisara
ihn zuerst erspäht hatte, als er, ein junger unbekannter Asket, seine
Straße zog und durch seinen hohen Anstand die Aufmerksamkeit des
Magadhakönigs auf sich lenkte;--und der Kuppelaufsatz des
Indratempels, in welchem damals, bevor sein Wort die Menschen von
blutigem Aberglauben erlöst hatte, Tausende und Abertausende von
unschuldigen Tieren jährlich dem Gott zu Ehren hingeschlachtet
wurden. Nun tauchten auch die Turmzinnen erlöschend in das
steigende Schattenmeer unter, und nur jener Kegel von goldenen,
übereinandergespannten Sonnenschirmen,[1] der den Tempeldom
krönte, glühte noch, gleichsam frei in der Luft schwebend, als ein
Wahrzeichen der "Königsstadt"[2];--immer röter sprühte und funkelte
er auf dem dunkelblauen Hintergrund von hochragenden Baumwipfeln.
Und hier erblickte der Erhabene das immer noch ziemlich entfernte
Ziel seiner Wanderung. Denn jene Baumwipfel waren die des
Mangohaines jenseits der Stadt, der ihm von seinem Anhänger Jivaka,
dem Leibarzt des Königs, geschenkt worden war, und in welchem ein
schönes Klostergebäude den Mönchen gesunde und bequeme
Unterkunft gewährte.
[1] Der goldene Sonnenschirm ist das Emblem der Königswürde.
[2] Rajagaha (Sanskrit: Rajagriha) = Königsstadt, jetzt Rajgir, 10
Meilen südöstlich von Patna.
Nach diesem Besitztum des Ordens hatte nun der Erhabene die ihn
begleitenden Mönche--zweihundert an der Zahl--unter der Leitung
seines Vetters und treuen Begleiters Ananda vorausgehen lassen, weil
es ihn lockte, die Wonne einer einsamen Tageswanderung zu kosten.
Und es war ihm bekannt, daß um die Zeit des Sonnenunterganges von
Westen her ein Zug junger Mönche, geführt vom weisen Sariputta, dem
großen Schüler, in dem Mangohain eintreffen würde. In seinem
lebhaften, auf das Anschauliche gerichteten Geiste spielte sich nun das
Schauspiel ab, wie die ankommenden Mönche mit den schon
anwesenden sich freundlich begrüßten, wie ihnen von jenen Sitz und
Lagerstatt angewiesen, Mantel und Almosenschale abgenommen
wurden, und wie dabei großer Lärm und lautes Geschrei entstand, als
ob Fischer um die Beute rauften. Und ihm, der stille Betrachtung liebte
und dem Lärm abhold war, wie der einsam wandernde Löwe: ihm war
gerade jetzt, nach der köstlichen Ruhe der einsamen Wanderung und
dem friedlichen Segen dieser Abendlandschaft, der Gedanke doppelt
peinlich, in ein solches Treiben hineinzugeraten.
Und so entschloß er sich im Weiterschreiten, nicht durch die Stadt nach
seinem Mangohain zu gehen, sondern in dem ersten besten Hause des
Vorortes, in dem er Unterkunft finden konnte, sein Nachtlager
aufzuschlagen.
Unterdessen waren die goldigen Flammen des westlichen Himmels in
brennende Orangetöne verweht und diese wiederum in die feurigste
Scharlachglut zerschmolzen. Ringsum leuchteten die Felder immer
grüner und grüner, als ob die Erde ein Smaragd wäre, der von innen
durchstrahlt würde. Aber schon umspann ein traumhaft violetter Dunst
die Ferne, während eine fast übersinnliche Purpurflut--man wußte nicht,
ob Licht, ob Schatten--wie von überallher niedersinkend,
emporsteigend und hereinströmend, den ganzen Raum durchwallte,
Festes auflösend und Loses sammelnd, Nahes fortschwemmend und
Fernes heranflutend, Alles aber in Schwanken und flimmerndes Zittern
versetzend....
Durch die Schritte des einsamen Wanderers emporgeschreckt, hakte ein
fliegender Hund seine ledernen Flügel von dem Zweig eines schwarzen
Salabaumes los und strich mit piepsendem Schrei durch die
Dämmerung, um den Obstgärten des dorfähnlichen Vorortes einen
Besuch abzustatten.
So war es Abend geworden, als der Erhabene diesen Vorort Rajagahas
erreichte.
II. DIE BEGEGNUNG
Beim ersten Hause, dessen Wand bläulich zwischen den Gartenbäumen
hervorschimmerte, gedachte der Erhabene vorzusprechen. Wie er sich
nun aber der Tür nähern wollte, wurde er ein Netz gewahr, das auf
einen Ast gehängt war. Und der Erhabene schritt fürbass, das Haus des
Vogelstellers verschmähend.
An diesem äußeren Rande des Ortes waren die Häuser spärlich
verstreut, auch hatte dort unlängst eine Feuersbrunst gewütet, und so
dauerte es denn eine Weile, bis er wieder an eine menschliche
Wohnung kam. Es war dies das Gehöft eines wohlhabenden
Brahmanen. Der Erhabene war schon zum Tor hereingetreten, da hörte
er, wie drinnen die beiden Frauen des Brahmanen keiften, mit lauten
schreienden Stimmen sich zankten und sich gegenseitig mit groben
Schimpfworten bewarfen. Und der Erhabene wendete sich um, trat
wieder zum Torwege hinaus und schritt fürbaß.
Der Lustgarten jenes reichen Brahmanen erstreckte sich weithin den
Weg entlang. Der Erhabene begann schon Müdigkeit zu spüren, und
sein rechter Fuß, von einem scharfen Stein verletzt, schmerzte ihn im
Weiterschreiten. So näherte er sich endlich dem nächsten Wohnhause,
das schon von weitem sichtbar war; denn heller Lichtschimmer strömte
quer über den Weg durch das Gitter der Fensterläden und die
offenstehende Tür. Wäre aber auch ein Blinder gekommen, so hätte er
doch das Haus bemerkt, denn übermütiges Lachen, Becherklang,
Stampfen tanzender Füße und lieblich heitere Töne der siebensaitigen
Vina drangen ins Freie heraus; an den Türpfosten gelehnt aber stand ein
schönes Mädchen in reichem Seidengewand und mit Jasmingewinden
behangen. Lachend ihre vom Betelkauen roten Zähne zeigend, lud sie
den Wanderer ein: "Tritt herein, Fremder! Hier wohnt die Freude."
Und der Erhabene schritt fürbaß, seines Wortes gedenkend: "Als
Weinen gilt im Orden der Heiligen das Singen; als Tollsein gilt im
Orden der Heiligen der
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