Der Parasit, oder die Kunst, sein Glueck zu machen. | Page 8

Friedrich von Schiller
davon gegeben!
Narbonne. Er hat Sie ausreden lassen!
La Roche. So werde ich Unrecht behalten.
Selicour. Man hat einem Andern seine Stelle gegeben, das ist wahr, und Keiner verdiente diese Zurücksetzung weniger als er. Aber ich h?tte gehofft. Mein Freund La Roche, anstatt mich wie einen Feind anzuklagen, würde als Freund zu mir aufs Zimmer kommen und eine Erkl?rung von mir fordern. Darauf, ich gestehe es, hatte ich gewartet und mich schon im Voraus der angenehmen Ueberraschung gefreut, die ich ihm bereitete. Welche sü?e Freude für mich, ihn über alle Erwartung glücklich zu machen! Eben zu jenem Chef, wovon ich Eurer Excellenz heut sagte, hatte ich meinen alten Freund La Roche vorzuschlagen.
La Roche. Mich zum Chef! Gro?en Dank, Herr Selicour!--Ein Schreiber bin ich und kein Gesch?ftsmann! Meine Feder und nicht mein Kopf mu? mich empfehlen, und ich bin Keiner von Denen. Die eine Last auf sich nehmen, der sie nicht gewachsen sind, um sie einem Andern heimlich anfzuladen und sich selbst das Verdienst anzueignen.
Selicour. Die Stelle schickt sich für dich, Kamerad! Glaub' mir, der dich besser kennt, als du selbst. (Zu Narbonne.)--Er ist ein trefflicher Arbeiter, genau, unermüdlich, voll gesunden Verstands; er verdient den Vorzug vor allen seinen Mitbewerbern.--Ich lasse M?nner von Genie nicht aufkommen, gibt er mir Schuld, und Herr Firmin ist's, den er anführt.--Das Beispiel ist nicht gut gew?hlt, so trefflich auch der Mann ist.--Erstlich ist seine jetzige Stelle nicht schlecht --aber ihm gebührt allerdings eine bessere, und sie ist auch schon gefunden--denn eben Herrn Firmin wollte ich Euer Excellenz zu meinem Nachfolger empfehlen, wenn ich in jenen Posten versetzt werden sollte, den mir mein gütiger G?nner bestimmt.--Ich sei meinem jetzigen Amte nicht gewachsen, behauptet man.--Ich wei? wohl, da? ich nur mittelm??ige Gaben besitze.--Aber man sollte bedenken, da? diese Anklage mehr meinen G?nner trifft, als mich selbst!--Bin ich meinem Amte in der That nicht gewachsen, so ist der Chef zu tadeln, der es mir anvertraut und mit meinem schwachen Talent so oft seine Zufriedenheit bezeugt.--Ich soll endlich der Mitschuldige des vorigen Ministers gewesen sein!--Die Stimme der Wahrheit habe ich ihn h?ren lassen; die Sprache des redlichen Mannes habe ich kühnlich zu einer Zeit geredet, wo sich meine Ankl?ger vielleicht im Staube vor ihm krümmten.--Zwanzigmal wollte ich diesem unf?higen Minister den Dienst aufkündigen; nichts hielt mich zurück, als die Hoffnung, meinem Vaterlande nützlich zu sein. Welche sü?e Belohnung für mein Herz, wenn ich hier etwas B?ses verhindern, dort etwas Gutes wirken konnte!--Seiner Macht habe ich getrotzt; die gute Sache habe ich gegen ihn verfochten, da er noch im Ansehen war! Er fiel, und ich zollte seinem Unglück das herzlichste Mitleid. Ist das ein Verbrechen, ich bin stolz darauf und rühme mich desselben.--Es ist hart, sehr hart für mich, lieber La Roche, da? ich dich unter meinen Feinden sehe--da? ich gen?thigt bin, mich gegen einen Mann zu verteidigen. Den ich sch?tze und liebe!--Aber komm! La? uns Frieden machen, schenke mir deine Freundschaft wieder, und alles sei vergessen!
La Roche. Der Spitzbube!--Rührt er mich doch fast selbst!
Narbonne. Nun, was haben Sie darauf zu antworten?
La Roche. Ich?--Nichts! Der verwünschte Schelm bringt mich ganz aus dem Concepte.
Narbonne. Herr La Roche! Es ist brav und l?blich, einen B?sewicht, wo er auch stehe, furchtlos anzugreifen und ohne Schonung zu verfolgen--aber auf einem ungerechten Ha? eigensinnig bestehen, zeigt ein verderbtes Herz.
Selicour. Er ha?t mich nicht! Ganz und gar nicht! Mein Freund La Roche hat das beste Herz von der Welt! Ich kenne ihn--aber er ist hitzig vor der Stirn--er lebt von seiner Stelle--das entschuldigt ihn! Er glaubte sein Brod zu verlieren! Ich habe auch gefehlt--ich gesteh' es--Komm! komm! La? dich umarmen, alles sei vergessen!
La Roche. Ich ihn umarmen? In Ewigkeit nicht!--Zwar, wie er's anstellt, wei? ich nicht, um mich selbst--um Euer Excellenz zu betrügen--aber kurz! Ich bleibe bei meiner Anklage.--Kein Friede zwischen uns, bis ich ihn entlarvt, ihn in seiner ganzen Bl??e dargestellt habe!
Narbonne. Ich bin von seiner Unschuld überzeugt--wenn nicht Thatsachen, vollwichtige Beweise mich eines Andern überführen.
La Roche. Thatsachen! Beweise! Tausend für einen!
Narbonne. Heraus damit!
La Roche. Beweise genug--die Menge--aber das ist's eben--ich kann nichts damit beweisen!--Solchen abgefeimten Schelmen l??t sich nichts beweisen.--Vormals war er so arm, wie ich; jetzt sitzt er im Ueberflu?! Sagt' ich Ihnen, da? er seinen vorigen Einflu? zu Geld gemacht, da? sich sein ganzer Reichthum davon herschreibt--so kann ich das zwar nicht, wie man sagt, mit Brief und Siegel belegen--aber Gott wei? es, die Wahrheit ist's, ich will darauf leben und sterben.
Selicour. Diese Anklage ist von zu niedriger Art, um mich zu treffen --übrigens unterwerf' ich mich der strengsten Untersuchung!--Was ich besitze, ist die Frucht eines fünfzehnj?hrigen Flei?es; ich habe es mit saurem Schwei? und Nachtwachen erworben, und ich glaub' es nicht unedel zu verwenden. Es ern?hrt meine armen Verwandten; es fristet das Leben meiner dürftigen Mutter!
La Roche. Erlogen! Erlogen! Ich kann es freilich nicht beweisen! Aber gelogen! Unversch?mt gelogen!
Narbonne. M??igen Sie sich!
Selicour. Mein Gott!
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