Der Parasit, oder die Kunst, sein Glueck zu machen. | Page 7

Friedrich von Schiller
in einer dringenden Angelegenheit ein geheimes Geh?r verlangt.--
Selicour (sehr eilig). Ich will nicht st?ren.
Narbonne. Nein! Bleiben Sie, Selicour! Dieser Jemand wird sich ja wohl einen Augenblick gedulden.
Selicour. Aber--wenn es dringend--
Narbonne. Das Dringendste ist mir jetzt unsere Unterredung.
Selicour. Erlauben Sie, aber--
Michel. Es sei in ein paar Minuten geschehen, sagt der Herr, und habe gar gro?e Eile. (Selicour eilt ab.)
Narbonne. Kommen Sie ja gleich wieder, ich bitte Sie, wenn der Besuch fort ist.
Selicour. Ich werde ganz zu Ihren Befehlen sein.
Narbonne (zu Michel). La? ihn eintreten!

Dritter Auftritt.
Narbonne. La Roche.
La Roche (mit vielen Bücklingen). Ich bin wohl--ich vermuthe--es ist des Herrn Ministers Excellenz, vor dem ich--
Narbonne. Ich bin der Minister. Treten Sie immer n?her!
La Roche. Bitte sehr um Vergebung--ich--ich komme--es ist--ich sollte--ich bin wirklich in einiger Verwirrung--der gro?e Respekt--
Narbonne. Ei, so lassen Sie den Respekt und kommen zur Sache! Was führt Sie her?
La Roche. Meine Pflicht, mein Gewissen, die Liebe für mein Land!-- Ich komme, Ihnen einen bedeutenden Wink zu geben.
Narbonne. Reden Sie!
La Roche. Sie haben Ihr Vertrauen einem Manne geschenkt, der weder F?higkeit noch Gewissen hat.
Narbonne. Und wer ist dieser Mann?
La Roche. Selicour hei?t er.
Narbonne. Was? Sel--
La Roche. Gerade heraus. Dieser Selicour ist eben so unwissend, als er niedertr?chtig ist. Erlauben Sie, da? ich Ihnen eine kleine Schilderung von ihm mache.
Narbonne. Eine kleine Geduld! (klingelt.--Michel kommt.) Ruft Herrn Selicour!
La Roche. Mit nichten, Ihr Excellenz!--Er ist uns bei diesem Gespr?che keineswegs n?thig.
Narbonne. Nicht für Sie, das glaub' ich, aber das ist nun einmal meine Weise. Ich nehme keine Anklage wider Leute an, die sich nicht vertheidigen k?nnen.--Wenn er Ihnen gegenüber steht, m?gen Sie Ihre Schilderung anfangen.
La Roche. Es ist aber doch mi?lich, Jemand ins Angesicht--
Narbonne. Wenn man keine Beweise hat, allerdings--Ist das Ihr Fall--
La Roche. Ich hatte nicht darauf gerechnet, es ihm gerade unter die Angen zu sagen--Er ist ein feiner Schelm, ein besonnener Spitzbube. --Ei nun! Meinetwegen auch ins Angesicht!--Zum Henker, ich fürchte mich nicht vor ihm.--Er mag kommen! Sie sollen sehen, da? ich mich ganz und gar nicht vor ihm fürchte.
Narbonne. Wohl! Wohl! Das wird sich gleich zeigen. Da kommt er!

Vierter Auftritt.
Vorige. Selicour.
Narbonne. Kennen Sie diesen Herrn?
Selicour (sehr verlegen). Es ist Herr La Roche.
Narbonne. Ich habe Sie rufen lassen, sich gegen ihn zu vertheidigen. Er kommt, Sie anzuklagen. Nun, reden Sie!
La Roche (nachdem er gehustet). Ich mu? Ihnen also sagen, da? wir Schulkameraden zusammen waren, da? er mir vielleicht einige Dankbarkeit schuldig ist. Wir singen Beide unsern Weg zugleich an-- es sind jetzt fünfzehn Jahre--und traten Beide in dem n?mlichen Bureau als Schreiber ein. Herr Selicour aber machte einen gl?nzenden Weg, ich--sitze noch da, wo ich ausgelaufen bin. Da? er den armen Teufel, der sein Jugendfreund war, seit vielen Jahren vergessen, das mag sein! Ich habe nichts dagegen. Aber nach einer so langen Vergessenheit an seinen alten Jugendfreund nur darum zu denken, um ihn unverdienter Weise aus seinem Brod zu treiben, wie er gethan hat, das ist hart, das mu? mich aufbringen! Er kann nicht das geringste B?se wider mich sagen; ich aber sage von ihm und behaupte dreist, da? dieser Herr Selicour, der jetzt gegen Euer Excellenz den redlichen Mann spielt, einen rechten Spitzbuben machte, da die Zeit dazu war. Jetzt hilft er Ihnen das Gute ausführen; Ihrem Vorg?nger, wei? ich gewi?, hat er bei seinen schlechten Stückchen redlich beigestanden. Wie ein spitzbübischer Lakai wei? der Heuchler mit der Livree auch jedesmal den Ton seines Herrn anzunehmen. Ein Schmeichler ist er, ein Lügner, ein Gro?prahler, ein übermüthiger Gesell! Niedertr?chtig, wenn er etwas sucht, und hochmüthig, unversch?mt gegen Alle, die das Unglück haben, ihn zu brauchen. Als Knabe hatte er noch etwas Gutmüthiges; aber über diese menschliche Schwachheit ist er jetzt weit hinaus.--Nun hat er sich in eine pr?chtige Stelle eingeschlichen, und ich bin überzeugt, da? er ihr nicht gewachsen ist. Auf sich allein zieht er die Augen seines Chefs, und Leute von F?higkeiten, von Genie, M?nner, wie Herr Firmin, l??t er nicht aufkommen.
Narbonne. Firmin! Wie?--Ist Herr Firmin in unsern Bureaux?
La Roche. Ein trefflicher Kopf, das k?nnen Sie mir glauben.
Narbonne. Ich wei? von ihm.--Ein ganz vorzüglicher Gesch?ftsmann!
La Roche. Und Vater einer Familie! Sein Sohn machte in Colmar die Bekanntschaft Ihrer Tochter.
Narbonne. Karl Firmin! Ja, ja, ganz richtig!
La Roche. Ein talentvoller junger Mann!
Narbonne.--Fahren Sie fort!
La Roche. Nun, das w?r' es! Ich habe genug gesagt, denk' ich!
Narbonne (zu Selicour). Verantworten Sie sich!
Selicour. Des Undanks zeiht man mich.--Mich des Undanks! Ich h?tte gedacht, mein Freund La Roche sollte mich besser kennen!--An meinem Einflu? und nicht an meinem guten Willen fehlte es, wenn er so lange in der Dunkelheit geblieben.--Welche harte Beschuldigungen gegen einen Mann, den er seit zwanzig Jahren treu gefunden hat! Mit seinem Verdacht so rasch zuzufahren, meine Handlungen aufs schlimmste auszulegen und mich mit dieser Hitze, dieser Galle zu verfolgen!-- Zum Beweis, wie sehr ich sein Freund bin--
La Roche. Er mein Freund! H?lt er mich für einen Dummkopf?--Und welche Proben hat er mir
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