Der Moloch | Page 8

Jakob Wasserman
im Wald verirrt. Er wollte fragen, aber Elasser war schon fortgedr?ngt und Arnold befand sich neben der Saalt��re, dicht neben Specht und Beate. Specht fa?te ihn sofort unter und fragte vertraulich, wie es gehe. Verlegen zuckte Arnold die Achseln, denn er fand keinen Tonfall gegen��ber dieser unerwarteten Liebensw��rdigkeit. Neugierig sah er auf die F��?e der Tanzenden, denn die plumpen, gespreizten, l?cherlichen und wilden Bewegungen reizten immer seine Schaulust. Oben auf einer Estrade hockten wie Kobolde die Musikanten, durch den Dunst halb verwischt. Beate wandte sich erhitzt mit derselben unerkl?rlichen Vertraulichkeit, aber mit einem geheimnisvoll t��ckischen Glanz in den Augen zu Arnold und fragte, ob er denn nie beim Jahrmarkt gewesen sei, weil er so erstaunt starre. Auch die Schnelligkeit und falsche Heiterkeit, mit der sie redete, hatten etwas Unerkl?rliches. ?O ja,? antwortete Arnold gelassen, ?aber ich habe es vergessen.? In der Tat, f��r ihn war ein Jahr eine un��bersehbare Spanne Zeit.
Beate tanzte mit einem Bauernburschen von riesenhaftem Wuchs davon. Der hei?e Saal mit seinen tr��ben Lichtern glich einer kleinen H?lle. Bald schien es Arnold, als drehten sich die W?nde statt der Menschen. Er stand am Schanktisch, konnte weder vor- noch r��ckw?rts, blickte zwischen K?pfen hinweg, ��ber zuckende Schultern in den Dampf. Die Wirtin stellte Bier vor ihn hin; er hatte Durst, zahlte und trank. Er sah Beate vorbeifliegen, und ihre R?cke wehten. Der Bauer schien sie zu tragen, und seine gro?en Stiefel polterten vernehmbar vor allen. Dann standen auf einmal wieder sie und der Lehrer dicht vor ihm. Beide sahen ihn nicht. Specht hatte das M?dchen am Oberarm gefa?t und knirschte etwas durch die Z?hne. Seine Unterlippe bewegte sich leidenschaftlich. Beate antwortete ihm mit einem langen Blick, der zugleich nachl?ssig, verliebt, unentschieden und von ?u?erster Wildheit war. Ihre Haare klebten an der Stirn, ihre Halsader pochte, ihre Ohren waren purpurrot, das Gesicht bla?. Zwei betrunkene Bauern, die tschechisch lallten, verdeckten gleich darauf die beiden f��r Arnolds Blicke. Er dr?ngte sich zur T��re durch. Er war schon im Freien, als er eine Stimme hinter sich vernahm. Es war Specht, der seinen Arm abermals in den Arnolds schob und h?flich bat, mitgehen zu d��rfen. Arnold wu?te nichts zu entgegnen. Die Welt ist f��r jedermanns F��?e, dachte er. Er h?rte den Lehrer keuchen von der Anstrengung des Nachlaufens.
?Bleiben wir doch noch zusammen,? bat Specht wiederum. ?Ich m?chte nicht gern allein sein. Es ist erst sieben Uhr und wir k?nnten ganz gut noch einen Spaziergang machen.?
Arnold nickte, halb neugierig, halb gleichg��ltig. Bald hatten sie den L?rm hinter sich. Trotz der Dunkelheit war der Weg deutlich, denn der Viertelsmond stand im Westen. Der Frieden der Felder schien vertausendfacht durch das nun verklungene Marktget?se.

Siebentes Kapitel
?Elende Bauern,? sagte Specht, nachdem sie eine Weile lang schweigend gegangen waren. ?An einem einzigen Sonntag werfen sie fort, was sie einen ganzen Sommer lang zusammengescharrt haben.? Er redete in Wut und Ha? und warf irgend eine Anklage, die mit seinen Gef��hlen gar nichts zu schaffen hatte, irgendwohin.
Arnold schwieg.
?Und was ist das ��berhaupt f��r ein Leben!? fuhr Specht mit einer verzweifelten Bewegung seines ganzen K?rpers fort. ?Wer bin ich hier? Was soll ich hier? Lauter Bauern, lauter Dummk?pfe! Kein Mensch, mit dem man ein richtiges Gespr?ch f��hren kann. Pfui Teufel.?
Er ?rgert sich, weil sein M?dchen mit einem andern getanzt hat, dachte Arnold, was macht er solches Wesen davon.
?Ich wundre mich nur, da? Sie's hier aushalten,? sagte Specht, ?Sie sind doch auch schlie?lich nicht auf den Kopf gefallen. Das ist doch keine Existenz f��r Sie. Sie m��ssen hinaus in die Welt. Man braucht M?nner heutzutage.?
?Mir ist ganz wohl hier,? gab Arnold ruhig zur Antwort.
Das Dorf war l?ngst verschwunden, sie schritten schweigend am Waldrand entlang. Die Wiesen gl?nzten silbern, Mondnebel erf��llten die Luft. Dicht vor ihnen tauchten die Mauern des Felizianerinnen-Klosters auf; ��ber dem hohen Tor gl?nzte ein Kreuz.
?Wir sind sehr weit,? sagte Specht bedenklich. Mit verborgener Bewunderung heftete er den Blick auf Arnold, der ihm gegen��berstand, die F��?e in schreitender Stellung, das Gesicht mit einem Ausdruck des Lauschens emporgewandt, das braune Haar aus der Stirn gestrichen. Die etwas lange, gerade, aber breitr��ckige Nase verlieh dem Gesicht einen durchaus reifen Charakter.
Der Lehrer ri? einen Zweig ab und zerbog ihn. Seine Haltung war sinnend und schwerm��tig. Ihm war, als sei sein Gem��t gereinigt worden, und er h?rte mit ganz anderm Ohr das Rauschen, welches der Wind in den Baumkronen verursachte. Seine Qualen r��ckten auf ein anderes Ufer, vor ihm flo? ein Strom der Einsamkeit.
Sie gingen ein St��ck weiter bis zum Fu?e der Klostermauer. Dort setzte sich Specht auf eine Steinbank und erz?hlte von seiner T?tigkeit als Lehrer, von seinen W��nschen und Tr?umen, von seinem sozialen Ideal, das ihn anderswo hinweise als in m?hrische Ein?den. Er erz?hlte von seiner Bibliothek, von seinen mit Studien verbrachten N?chten und deutete dumpf und schamvoll sein k��mmerliches Auskommen an. Sein Ton war einfach, wenn auch durch die Nacht etwas gedr��ckt.
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