Der Mann im Nebel - Roman | Page 9

Gustav Falke
feuchte Luft, liess sich den Regen auf die feuchten Wangen klatschen und den Wind um die Ohren sausen.
Welch ein, ?chzen und Knarren und Sausen und Donnern in den alten Buchen und Eichen, Ja, das war Musik, die er liebte. Er vergass vor lauter Lustgefühl beinah, weshalb er eigentlich hier bei dem Unwetter die Landstrasse entlang lief, beinahe wirklich lief, als g?lte es ein Unglück zu verhüten. Er stürmte nur immer gerade aus und dachte nichts anderes als: wie k?stlich, wie ganz k?stlich!
Bis er auf Christine traf. Na, ja, das war's ja! Die Kleine war also doch unterwegs. Aber sie hatte sich unter ein Nussgebüsch geflüchtet. Sie hatte den roten Rock von hinten über den Kopf genommen, und vorne aufgehoben und ihre Kr?merpakete hineingewickelt, um sie vor dem Regen zu schützen. So machte sie eine wunderliche Figur in dem groben, grauen Wollunterr?ckchen, Ihr erhitztes Gesicht lugte nur eben aus der künstlichen Kapuze hervor, so sehr hatte sie sich eingemummelt.
Ihre grossen schwarzen Augen blitzten auf, als sie Randers gewahrte.
"Nein, aber, wo wollen Sie denn hin in diesem Wetter? Sie werden ja ganz nass!"
"Ich will dich holen, sie ?ngstigen sich schon um dich."
"Was 'n Unsinn!"
Er stand neben ihr, triefend.
Was nun? Er h?tte doch lieber einen Schirm mitnehmen sollen. Jetzt wurden zwei nass. Aber sie hatte doch Begleitung, Schutz. Wovor? Sie sah nicht aus, als ob sie sich fürchtete.
Sie sagte nichts weiter, sie schien noch immer in der Erinnerung an die kleine Geschichte vom Vormittag verlegen zu sein.
"Wir k?nnen hier doch nicht stehen bleiben," meinte er.
"Aber es regnet ja noch so."
Da fiel ihm ein, dass er sie mit unter seinen Regenrock nehmen k?nnte; sie reichte ihm gerade bis zur Achselh?hle. Das kam ihm so lustig vor. Er sagte es ihr. Sie wollte nicht, sie zierte sich, obwohl sie Lust dazu hatte. Das sah er ihr an.
"Dummes Zeug! komm! Du wirst ja bis auf die Haut nass. So. Nimm meinen Arm."
Sie wehrte auch nicht l?nger ab, sondern lachte herzlich über diesen Spass.
"Aber Sie machen so lange Schritte," sagte sie, bemüht, mit ihm Takt zu halten.
Er passte sich ihren Trippelschritten an, und so stapften sie etwas unsicher unter einem Mantel auf der nassen Landstrasse hin. Sie sprach vom Wetter, wie schrecklich es regnete, wie sch?n die Blitze seien, und wenn ein besonders lauter, krachender Donner folgte, meinte sie: das hat gewiss eingeschlagen.
Ihm war es wunderlich zu Mut mit dem jungen Ding allein auf der stürmischen Landstrasse. Er hatte der Bequemlichkeit wegen seinen rechten Arm um ihren Nacken gelegt. Er fühlte jede Bewegung des jungen, lebenswarmen K?rpers. Eine keusche Z?rtlichkeit überkam ihn. Er war jetzt ihr Beschützer.
"Geht's so? Gehst du auch trocken?"
"Wundersch?n!"
Er führte sie vorsichtig um jede Pfütze herum, so dass sie über seine ?ngstliche Vorsorge lachte.
"Ich hab doch schon nasse Füsse."
"Das geht aber nicht."
"Das macht mir nichts."
Ihr hübsches Gesichtchen lachte aus seinem schwarzen Gummimantel heraus.
"Kiek! Seh ich nicht gelungen aus?"
Ob sie gar nicht mehr an den Kuss dachte?
So brachte er sie leidlich trocken nach Haus.
Nachher konnte er nicht einschlafen, trotzdem die Fenster offen standen und die kühle, nach dem Gewitter erquicklich erfrischte Luft ins Zimmer Hessen.
Ihm war sonderbar schwül zu Mute.
Als er endlich einschlief, ?ngsteten ihn wirre Tr?ume.
Er sieht immer Christinens schwarze Augen mit einem seltsamen Ausdruck auf sich gerichtet. Immer starren sie ihn an, zum Verrücktwerden! Er schl?gt danach, er stürzt sich auf sie. Er packt sie am Hals, sie l?chelt, er würgt sie wie wahnsinnig und empfindet dabei eine namenlose Angst.
Und dann ist es nicht Christine, die er gewürgt hat, sondern die graue Dame vom Steg, sein Gespenst! Sie liegt ganz blass vor ihm, mit geschlossenen Augen, wie eine Wachspuppe. Er dreht sie um wie einen leblosen Gegenstand; sie hat lederne Beine und lederne Arme. Es ist die Puppe seiner Schwester.
Und dazu blitzt es unaufh?rlich.
Und dann tritt jemand zu ihm und sagt ihm, er müsse jetzt nach oben kommen, es w?re h?chste Zeit, das Schiff würde gleich sinken. Und er stürzt nach oben, st?sst die Knie an den harten messingbeschlagenen Stufen der schmalen Kajütentreppe. Und oben steht der Kapit?n auf der Kommandobrücke und schreit ihm etwas zu, schreit wie wild und zeigt immer mit hastigen St?ssen nach seinen H?nden. Randers sieht seine H?nde an, die sind ganz rot, ganz rot von Blut. Er erschrickt. Nun stecken sie dich ein.
Und das alte bl?de Gesicht Vater Mumms taucht vor ihm auf und sieht ihn mit den halberloschenen Augen so traurig und vorwurfsvoll an.
Und eine entsetzliche Angst packt ihn, eine wahnsinnige Angst. Er will fliehen und kann nicht. Jemand h?lt seine Beine umklammert.
In Schweiss gebadet wachte Randers auf, Der Mond stand noch fast auf derselben Stelle über dem Buchenportal. Randers konnte nicht lange geschlafen haben, keine Viertelstunde.
Diese wüsten Tr?ume. Wie sich das alles durcheinanderwirrte!
Und nun gar dieser Mord! Welche wahnsinnige, boshafte Freude hatte er dabei empfunden, als er diesen weissen Hals würgte, dass diese dummen, glotzenden schwarzen
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