Der Mann im Nebel - Roman | Page 7

Gustav Falke
ab und auf den alten Mumm.
"Sag mal," fragte er, "was ist das eigentlich mit dem Mumm f��r eine Mordgeschichte?"
"Nicht wahr, wie schrecklich?" sagte sie.
"Der hat seine Braut ermordet, was?"
"Ja, die eine."
"Die eine?" fragte er.
Er musste lachen.
"Hat er denn mehr gehabt?"
Sie wurde ganz rot, halb aus Verlegenheit, weil sie aus seinem Lachen entnahm, dass sie wohl eine Dummheit gesagt hatte, halb aus Scham, der Sache wegen.
"Ist das hier passiert, in diesem Holz?" fragte er.
"Etwas weiter l?ngs."
Sie zeigte mit der Hand nach links:
"Im Schreiberholz; wissen Sie?"
Er wusste.
"Ob sie ihm nun wohl was tun?" meinte sie.
"Wenn er es getan hat."
"M?chten Sie das wohl sehen?"
"M?chtest du das?"
Sie besann sich einen Augenblick, w?hrend ihre Augen sich vergr?sserten.
"Gitt e gitt," rief sie affektiert und wandte sich wie vor etwas Entsetzlichem ab. Aber ihre Augen straften sie L��gen. Er merkte es wohl. Aber das "Gitt e gitt" kam so komisch heraus, dass er lachen musste.
Sie lachte ganz lustig mit, aus Lust am Lachen. Das war ihm gerade recht. Was sprach er auch mit ihr von Mord und Hinrichtung. War das eine Unterhaltung f��r sie?
Er w?lzte sich mit einer Schwenkung n?her und lag jetzt auf dem Bauche, die Ellenbogen aufgest��tzt und, die H?nde gefaltet.
Sie hatte einen Himbeerfleck auf der Sch��rze, und er machte sie darauf aufmerksam.
Sie verzog den Mund etwas.
"Das macht nichts."
"Und genascht hast du auch," fuhr er fort. "Da sieht man's."
Er zeigte mit dem Finger nach einem Fruchtfleck auf ihrer linken Backe. Sie bog sich zur��ck und schlug nach seiner Hand.
"Wo?" fragte sie und machte einen vergeblichen Schielversuch nach dem Fleck. Er tupfte nochmal mit dem Finger nach ihrem Gesicht, und da sie es nicht dulden wollte, fing er ihre H?nde ein, hielt sie mit einer Hand umklammert, richtete sich halb auf und ber��hrte etwas unsanft mit dem Zeigefinger die Stelle auf ihrer runden, weichen Wange.
Sie kreischte auf und rang mit ihm.
"Du Racker."
Er hatte wirklich M��he sie zu halten. Er lag auf den Knieen vor ihr. Auf einmal riss er sie fest an sich und k��sste sie.
Sie schrie auf und schnellte zur��ck, als er sie los liess. Sie war mehr erschrocken als gekr?nkt, und sah mit einem etwas d��mmlichen Lachen auf ihre Sch��rze.
Ihre Schulm?dchenhaftigkeit machte ihn vor sich selbst l?cherlich. Wie kam er dazu, dieses Kind zu k��ssen. Er f��hlte das Bed��rfnis, sich vor sich selbst zu entschuldigen.
"Siehst du, das ist die Strafe," sagte er aufstehend.
"Wof��r?" fragte sie patzig.
"F��r das Naschen."
"Ach Sie!"
Sie machte eine eigensinnige Schulterbewegung und rieb mit dem Sch��rzenzipfel, den sie unbedenklich mit der Zunge befeuchtete, den Fruchtflecken auf ihrer Backe.
"Na, adieu Kind," sagte er und reichte ihr die Hand. "Nun pfl��ck auch fleissig."
"Wollen Sie schon gehen?"
Er sah in ihren Blicken, dass sie gerne gesehen h?tte, wenn er noch bei ihr bliebe. Aber er nickte ihr freundlich zu und ging.
Verdutzt sah sie ihm nach. Entt?uschung malte sich auf dem h��bschen Kindergesicht, Unmut und ��bellaunigkeit. Und die Spitze des rechten Daumens zwischen die festen weissen Z?hne geklemmt, stand sie noch eine ganze Weile fast regungslos und sah mit grossen Augen in die Richtung, wo er verschwand.

7.
Mutter Petersen stand vor der Haust��r und trieb Randers mit H?ndeklatschen zur Eile an. Er hatte sich versp?tet, sie warteten schon auf ihn, die Suppe stand auf dem Tisch.
W?hrend des Tischgebetes, das jeder leise vor sich hinsprach, sah er in seinen Teller. Er hatte schon lange kein Tischgebet mehr gesprochen. Es war ihm schon im Elternhause, wo es die Reihe herumging, zu einer leeren Form geworden.
"Liebster Jesu! sei unser Gast Und segne, was du bescheret hast Amen!"
Gesegnete Mahlzeit! Auch so eine Redensart.
Sp?ter war es ihm geradezu gegen den Geschmack. Es war ihm w��rdelos, unanst?ndig, der unpassendste Augenblick, Gottes Wort oder nur seinen Namen in den Mund zu nehmen, wenn in diesem Mund schon das Wasser zusammenlief nach dem Braten, und der dampfende Kohl die Nase kitzelte.
Aber anfangs hatte es ihn doch angeheimelt, das erste Mal und einige Tage lang, als sie hier alle die K?pfe senkten und andachtsvoll auf die gefalteten H?nde in den Schoss sahen, bevor sie mit dem L?ffel in die Suppe fuhren. Das war so patriarchalisch, schlicht und einf?ltig. Er tauchte in diese einf?ltige Fr?mmigkeit mit unter, es kam ein Gef��hl des Geborgenseins und des Vertrauens ��ber ihn, wie im Elternhaus, und er empfand einen grossen Respekt vor diesen einfachen Leuten. Aber zuletzt war es ihm doch wieder komisch vorgekommen, dieses beinahe marionettenhafte stumme Beten.
Er hatte verstohlen beobachtet. Der Schullehrer machte es einfach, still, fast dem��tig. Es lag eine gewisse W��rde in seinem Tun. Aber Mutter Petersen machte es mit einer gewissen Ostentation, ruckweise, mit strammen, kurzen Bewegungen, gleichsam taktm?ssig, im Paradeschritt vor ihrem Herrn und Heiland. War sie fertig, griff sie sofort munter zum L?ffel, w?hrend ihr Eheherr auch darin eine gemessene W��rde bewahrte, langsam, z?gernd nach dem L?ffel langte, als sch?me er sich, Profanes und Heiliges so unvermittelt an einander zu koppeln.
Christine machte es nach Kinderart,
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