hatten.
Der Weg war sonnig. Das niedre Seitenholz warf seinen Schatten um
diese vorgerückte Morgenstunde kaum einen Fuss breit. Da gab es
Bienensaug und gelben Löwenzahn, und roten und weissen Klee, und
Männertreu und wilde Stiefmütterchen. Hin und wieder an feuchten
Grabenstellen Vergissmeinnicht, in grossen Mengen bei einander. Und
überall am Waldrand hin Farren und Feldschachtelhalm. Und überall
Bienen und Schmetterlinge.
Um einen Brombeerstrauch, der an seinem schattigen Platz etwas
zurückgeblieben war und fast noch ganz in Blüte stand, gaukelte ein
Schwarm Kohlweisslinge, darunter zwei himmelblaue Zwergfalter.
Randers blieb stehen und sah eine Weile diesen leuchtenden,
flimmernden, lautlosen Schmetterlingsspielen zu. Es unterhielt ihn,
belustigte ihn, wie sich Schmetterlinge und Bienen die süssen Tropfen
streitig machten. Es war ein ähnliches Behagen, wie das, womit er
zusah, wenn sich zwei Jungen balgten. Wer ist der stärkere? Ha! Bravo!
Der sitzt! Recht so, zeig's ihm!
So stand er und sah lächelnd in diese Flügelschlacht.
Es war ein beständiges Kommen und Fliehen und das Gezitter und
Gefächel aller dieser weissen Flügel über den weissen Blüten in der
hellen weissen Sonne blendete ihn zuletzt.
Es war ganz still. Man hörte nichts als das anheimelnde Summen der
Bienen. Hin und wieder das Geräusch knackender Zweige, wenn ein
Tannenzapfen zu Boden fiel, oder ein Taubengurren, und von den
entfernten Weiden her das gedämpfte Brüllen der Rinder.
5.
Am Lohteich traf Randers auf Claus Mumm, den Holzfäller.
Der Lohteich war ein kleiner Waldsee, ganz von hohen Buchen
umgeben, deren weitüberhängende Zweige sich nach den weissen
Wasserrosen zu sehnen schienen, die in ihrem Schatten auf dem stillen
Wasserspiegel schwammen. Im Schilfgürtel standen ein paar hohe
gelbe Schwertlilien, leuchtend in dem saftigen Grün um sie her.
Randers kämpfte mit der Lust eine besonders prächtige Lilie zu
pflücken, als Claus Mumm heranschlürfte und seine Aufmerksamkeit
ablenkte.
Der Alte ging gebückt unter einer Last dürren Zweigholzes und gestützt
auf einem derben Knüppel, den er irgendwo aufgelesen haben mochte.
Er rückte mit der Hand etwas an seiner grauen Wollmütze und sah mit
scheuem Blick aus den kleinen, trüben, rotumränderten Augen zu
Randers auf. Ein stummer unterwürfiger Gruss, in dem viel Druck lag.
Der Alte seufzte unter mehr als unter der Last des seinem mürben
Rücken aufgeladenen Holzes.
"Dag Mumm, wo geit?"
Der Alte blieb stehen.
"Na, woans is dat? hebben Se noch nix hürt?"
"Ne Herr! He sitt ja nu erst."
Er sah kaum auf beim Sprechen, seine Stimme klang engbrüstig,
pfeifend. Eine traurige, gedrückte Stimme, die zu den scheuen,
traurigen, kranken Augen passte.
"Hebben Se denn Hoffnung?" fragte Randers
Ein kurzer Aufblick der müden Augen war die ganze Antwort. Dann
setzten sich die alten Beine in schlürfende Bewegung. Es lag etwas
Hoffnungsloses in diesem stummen Abbrechen.
"Adjüs Mumm," rief Randers ihm nach. "Laten Se man den Mood nicht
sinken."
Petersen, der Lehrer, hatte ihm von dem Alten erzählt, dessen einziger
Sohn wegen Mordes in Untersuchungshaft sass. Es war nur eine halbe
Erzählung geworden, durch Dazwischenkunft anderer gestört. Nachher
waren sie nicht wieder darauf zurückgekommen. Jetzt war Randersens
Neugier durch diese Begegnung wieder rege geworden. Den Alten
selbst hatte er nicht ausfragen mögen.
Es war ein Mädchenmord, an der eigenen Geliebten begangen, die
unverständliche Tat eines überall beliebten, unbescholtenen Burschen.
Ein Rätsel. Um eine ältere Verpflichtung gegen eine andere, die ein
Kind von ihm trug, erfüllen zu können, hatte er den Mord begangen.
Warum tötete er nicht die ungeliebte, unbequeme Mahnerin?
Randers dachte sich in die Seele dieses einfachen Knechtes hinein. Der
Fall interessierte ihn. Es war etwas für seinen psychologischen
Spürsinn. Und nun kombinierte er sich so eine Bauernpsyche nach
seinem Bilde, und es lag ihm alles so klar auf der Hand, und er wollte
eine Novelle daraus machen, er oder Gerd Gerdsen. So eine moderne
Bauernnovelle für die Feinschmecker.
Er lachte bitter auf bei dem Gedanken. Da wollte er mal wieder etwas.
Was wollte er nicht alles. Er würde auch diesmal nicht über den Plan
hinauskommen, er der grosse Woller und Nichtskönner. Aber einerlei,
vielleicht glückte es diesmal. Hier war ein bestimmter Fall, hier lagen
Tatsachen vor, Dokumente. Petersen musste noch mal heran. Der
erzählte so nett umständlich, mit allem Drum und Dran, was einen
andern zur Verzweiflung bringen musste, aber für den Psychologen
gerade das rechte war, weil es ihm Fäden in die Hand gab.
Auf hügeligen Wegen hatte Randers allmählich auch den Hochwald
durchquert. Der schmale Waldstieg mündete durch einen
Wallausschnitt in einen sanftabfallenden Landweg. Reifender Roggen
dehnte sich weit aus, ein gelbes, unbewegtes Feld, dahinter ein Schlag
noch graugrünen Hafers, dann, aus einer Talmulde heraus, Strohdächer,
ein ganzes Dorf. Ganz hinten Wald, lang ausgestreckt.
Randers erkletterte den buschigen Wall, um besser Rundschau halten
zu können.
"Ob man weiter geht?" sagte er laut.
Eine heisse Luft lag über den Feldern, ein flimmernder Dunst. Der
Himmel spannte sich wolkenlos darüber.
Randers stand regungslos und sah in die sonnige Landschaft hinein,
wie hypnotisiert
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