Der Mann des Schicksals | Page 4

George Bernard Shaw
sich behaglich auf das Sofa.)
(Giuseppe ihn bewundernd:) O Exzellenz, wie dumm sind wir alle, mit Ihnen verglichen! Wenn ich nur das Geheimnis Ihrer Erfolge erraten k?nnte!
(Napoleon.) Dann w��rdest du dich zum Kaiser von Italien machen, was?
(Giuseppe.) Das w?re f��r mich zu m��hsam, Exzellenz, ich ��berlasse es lieber Ihnen. ��berdies, was sollte aus meiner Wirtschaft werden, wenn ich Kaiser w��rde? Sie sehen mir gerne zu, wie ich mein Gasthaus f��r Sie verwalte und Sie bediene. Nun, ich will Ihnen gerne zusehen, wie Sie Kaiser von Europa werden und Italien f��r mich regieren. (W?hrend er schw?tzt, nimmt er das Tischtuch ab, ohne die Landkarte und das Tintenfa? wegzunehmen. Er nimmt die Ecken des Tuches in die H?nde und die Mitte in den Mund, um es zusammenzufalten.)
(Napoleon.) Kaiser von Europa? Was? Warum blo? von Europa?
(Giuseppe.) Sie haben wahrhaftig recht, Exzellenz, warum nicht Kaiser der Welt? (Er faltet und rollt das Tischtuch zusammen, und bekr?ftigt seine S?tze mit den einzelnen Phasen dieses Vorgangs:) Ein Mensch ist wie der andre--(er faltet es:) ein Land ist wie das andre, (faltet:) eine Schlacht ist wie die andre. (Als er das letzte St��ck gefaltet hat, schl?gt er das Tischtuch auf den Tisch, rollt es geschickt zusammen and schlie?t seinen Redeflu?:) Gewinnt man eine, so gewinnt man alle. (Er geht mit dem Tischtuch an das B��fett und legt es in eine Schublade.)
(Napoleon.) Und f��r alle regieren, f��r alle k?mpfen, jedermanns Knecht sein unter dem Vorwande, jedermanns Herr zu sein, Giuseppe!
(Giuseppe vor dem B��fett:) Exzellenz--?
(Napoleon.) Ich verbiete dir, mit mir ��ber mich zu sprechen.
(Giuseppe geht an das Fu?ende des Sofas:) Pardon, Exzellenz sind darin so ganz verschieden von andren gro?en M?nnern, die lieben gerade dieses Thema am meisten.
(Napoleon.) Gut, sprich mit mir ��ber das, was gro?e M?nner als zweitbestes lieben, was es auch sein mag.
(Giuseppe ohne in Verlegenheit zu geraten:) Zu Befehl, Exzellenz. Haben Exzellenz durch irgendeinen Zufall etwas von der Dame da oben zu sehen bekommen?
(Napoleon setzt sich sofort auf und sieht ihn mit einem Interesse an, das die Frage vollkommen angebracht erscheinen l??t:) Wie alt ist sie?
(Giuseppe.) Sie hat das richtige Alter, Exzellenz.
(Napoleon.) Meinst du siebzehn oder drei?ig?
(Giuseppe.) Drei?ig, Exzellenz.
(Napoleon.) Ist sie sch?n?
(Giuseppe.) Ich kann nicht mit Ihren Augen sehn, Exzellenz! Jeder Mann mu? das selbst beurteilen. Meiner Meinung nach ist sie eine sch?ne Dame. (Schlau:) Soll ich ihr hier den Tisch f��r das Fr��hst��ck decken?
(Napoleon erhebt sich heftig:) Nein! Deck hier nicht mehr, bevor der Offizier, auf den ich warte, zur��ckkommt. (Er sieht auf seine Uhr und f?ngt an, zwischen dem Kamin und dem Weingarten auf und ab zu gehn.)
(Giuseppe mit ��berzeugung:) Exzellenz, glauben Sie mir, er ist von den verfluchten ?sterreichern gefangen worden; er w��rde es nicht wagen, Sie warten zu lassen, wenn er frei w?re.
(Napoleon kehrt sich beim Schatten der Veranda um:) Giuseppe! wenn sich herausstellen sollte, da? du recht hast, so wird mich das in eine Laune versetzen, da? mich nichts anderes bes?nftigen kann, als dich und deinen ganzen Haushalt--die Dame dort oben inbegriffen--aufh?ngen zu lassen!
(Giuseppe.) Wir stehen Ihnen alle gerne zur Verf��gung, Exzellenz! mit Ausnahme der Dame. Ich kann f��r sie nicht b��rgen; aber welche Frau k?nnte Ihnen widerstehen?!
(Napoleon setzt seine Wanderung d��ster fort:) Hm, du wirst niemals am Galgen enden. Es ist kein Vergn��gen dabei, einen Mann zu h?ngen, der nichts dagegen einzuwenden hat.
(Giuseppe liebensw��rdig:) Nicht das geringste, Exzellenz, nicht wahr? (Napoleon blickt wieder auf seine Uhr und wird sichtlich unruhig:) Oh, man sieht, da? Sie ein gro?er Mann sind, Exzellenz! Sie verstehen zu warten. Wenn ein Korporal oder ein junger Leutnant an Ihrer Stelle w?re--nach drei Minuten w��rde er fluchen, toben, drohen und das Haus von oben nach unten kehren.
(Napoleon.) Giuseppe, deine Schmeicheleien sind unertr?glich. Geh und schwatz drau?en. (Er setzt sich wieder an den Tisch, sein Kinn auf die H?nde, seine Ellbogen auf die Landkarte gest��tzt, und starrt mit unruhigem Ausdruck auf sie hin.)
(Giuseppe.) Zu Befehl, Exzellenz, Sie sollen nicht gest?rt werden. (Er nimmt das Tablett und ist im Begriff, sich zur��ckzuziehen.)
(Napoleon.) Sobald er da ist, schick' ihn zu mir herein.
(Giuseppe.) Augenblicklich, Exzellenz.
(Die Stimme einer Dame ruft von irgendeinem entfernten Teil des Gasthauses:) Giuseppe! (Die Stimme ist sehr melodisch, und die zwei letzten Buchstaben werden in aufsteigender Skala gesungen.)
(Napoleon stutzig:) Was ist das?...
(Giuseppe st��tzt das Ende seines Servierbrettes auf den Tisch und beugt sich vertraulich vor:) Die Dame, Exzellenz.
(Napoleon zerstreut:) Ja... was f��r eine Dame... wessen Dame?...
(Giuseppe.) Die fremde Dame, Exzellenz.
(Napoleon.) Was f��r eine fremde Dame?
(Giuseppe achselzuckend:) Wer kann es wissen! Sie ist eine halbe Stunde vor Ihnen hier angekommen, in einem Mietwagen, der dem "Goldenen Adler" in Borghetto geh?rt. Tats?chlich: sie ganz allein, Exzellenz,--ohne Dienerschaft! Eine Handtasche und ein Koffer, das war alles. Der Postillon sagte mir, da? sie im "Goldenen Adler" ein Pferd gelassen habe, ein Chargenpferd mit milit?rischem Sattelschmuck.
(Napoleon.) Eine Frau mit einem Chargenpferd?--Das ist ungew?hnlich.
(Die Stimme der Dame. Die zwei letzten Buchstaben werden jetzt in herabsteigender
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