zu nehmen, wenn nicht
Alles ehrlich dabei zugeht.«
Da erzählte der Jäger, was er von den Aeltern des Kindes wußte; wie
sein Herr ein vornehmer, reicher Kaufmann aus Delft in Holland sei;
wie er van der Bruck heiße; wie der Vater desselben ein harter Mann
sei, der sich der Heirath seines Sohnes widersetzt habe; wie aber
dennoch diese Verbindung zu Stande gekommen sei; wie aber die
Aeltern ihr im Ausland gebornes Kind nicht mit nach Holland
zurücknehmen dürften, weil dadurch ihre Verbindung dem alten Vater
verrathen würde; wie sie aber bald wiederkommen und das Kind mit
tausend Dank aus den guten Händen, denen sie es vertraut, nehmen
würden.
Wie der Jäger so sprach, ging der Schulmeister Justus kopfschüttelnd
auf und ab. Endlich blieb er vor dem Bruder stehen und sagte: »Dein
Wort in Ehren, Heinrich, aber es will mich sonderbar bedünken, wie so
reiche, vornehme Leute, denen die Welt offen steht, ihr Kind in das
Haus eines armen Schulmeisters thun wollen, den sie gar nicht kennen.
Und dann muß wohl zwischen den Leuten nicht Alles in Richtigkeit
sein, sonst nähmen sie ihr Kind mit zurück nach Holland und ließen es
nicht hier in so weiter Ferne von Haus.« --
»Was den ersten Einwand betrifft, so steht hier der Mann, dem du das
Zutrauen meiner Herrschaft verdankst. Hab' ich nicht bereits 14 Jahre,
erst dem alten und dann dem jungen Herrn treu und redlich gedient,
und wird mein Herr mir nicht glauben, wenn ich ihm sage: Mein
Bruder, der Schulmeister vom Veitsberg, ist ein armer, aber ehrlicher
Mann und wird dem Kinde Eurer Gnaden ein treuer Wächter Leibes
und der Seelen sein!«
»Da hast du wohlgesprochen, Heinrich«, sprach der Justus, »wie ein
Bruder vom Bruder reden soll; aber wie steht's mit dem zweiten Punkt?
Der Teufel ist in mancher Gestalt schon in mein Häuschen gekommen,
und hat mich zu allerlei Werk gebrauchen wollen, ich möchte auch
dießmal erst wissen, ob's vom Herrn ist, oder von ihm, daß dieß Kind in
mein Haus soll.« »An diesem Wort kenne ich dich, Bruder«, sprach der
Jäger ernst, »und weil ich dich kenne, so habe ich meinen Herrn
vermocht, von seinem Trauschein und dem Taufschein des Kindes eine
Abschrift nehmen zu lassen; die habe ich beide hier, und sieh nur, sie
sind von deinem Freund, dem Stadtschultheiß Weinrich zu Braubach,
geschrieben und gesiegelt; was willst du mehr?« Der Schulmeister warf
einen flüchtigen Blick auf die Papiere, und sein Angesicht ward heiter,
als er sprach: »Ja das ist meines guten Weinrichs Hand; so sei es
denn!«
Die letzten Worte schien Dorothe nicht gehört zu haben; sie war ganz
in den Anblick des fremden Kindes vertieft, und drückte es wiederholt
an ihre Brust. Jetzt stand sie auf und das Kind in ihren Armen trat sie
zu ihrem Manne und sprach freundlich: »Justus, laß mir das Kind; es ist
freundlich und schön wie ein Engel, und fast scheint es mir, als sähe es
meinem Magdalenchen ähnlich. Gewiß will der liebe Gott mein Herz
mit dem Kindlein trösten, darum schickt er es mir. Höre nur: Ich war
gestern Abend unter Thränen eingeschlafen um mein Töchterchen, das
mir der liebe Gott genommen; da träumte mir, es kam aus dem Himmel
ein Engel herab, und um den Engel her war Licht und Luft, während zu
meinen Füßen Winter und Kälte war. Der Engel hatte eine Bibel in
seiner Hand und fragte mich: »Dorothe, hast du Glauben?« »Ja Herr«,
sagt' ich, »aber hilf meinem Glauben.« Und er deutete auf den Spruch:
»Die mit Thränen säen, die sollen mit Freuden erndten«, und fragte
mich: »Glaubest du das?« Und wie ich »ja« sagte mit lauter Stimme, da
rief der Engel: »Dein Glaube hat dir geholfen, gehe hin in Frieden!«
»Siehe, mein Glaube hat mir schon geholfen; das Kind schickt mir
Gott!« --
»Aber Dorothe«, sprach der Schulmeister, »wenn nun die fremde
Herrschaft bald wiederkommt und verlangt ihr Kind, und du hast dein
Herz daran gehängt, mußt du dann nicht noch einmal fühlen, was es
heißt: »Rachel beweinte ihre Kinder, und wollte sich nicht trösten
lassen, denn es war aus mit ihnen?« »Du hast Recht, Justus«, sprach
Dorothe, indem sie das Kind küßte, »daß du mir heute schon sagst, wie
es bald ein Ende nehmen soll auch mit dieser Freude; aber ich hab' ja
das Verlieren schon vielfach gelernt, so werd' ich auch das überstehen.
Sagt der fremden Herrschaft, Schwager, ihr Kind sei bei mir gut
aufgehoben. Und nun macht's euch bequem, und sprecht ein freundlich
Wörtlein mit eurem Pathen Heinrich. Seht nur, wie er an eurem Munde
hängt, als wolle er euch zwingen, sein zu gedenken.« »Nun, das
Nöthigste mußte erst abgemacht werden, Dorothe«, sprach gütig der
Jäger, indem er den Jungen zu sich aufhob. »Wie doch der Bube so
groß geworden ist, und was mag er Alles schon gelernt haben!
Schwägerin, der muß auch ein
Continue reading on your phone by scaning this QR Code
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the
Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.