Der Hofmeister | Page 7

Jacob Michael Reinhold Lenz
schweigen Sie. Das gereicht Ihnen nicht zur Ehr. Man wei? ja doch, da? Ihre seelige Frau Ihr g?ttlicher Ruf war, sonst s??en Sie noch itzt beym Herrn von Tiesen und düngten ihm seinen Acker. Jemine! da? Ihr Herrn uns doch immer einen so ehrwürdigen schwarzen Dunst vor Augen machen wollt. Noch nie hat ein Edelmann einen Hofmeister angenommen, wo er ihm nicht hinter eine Allee von acht neun Sklavenjahren ein sch?n Gem?hlde von Bef?rderung gestellt hat und wenn Ihr acht Jahr gegangen waret, so macht' ers wie Laban und rückte das Bild um noch einmal so weit vorw?rts. Possen! lernt etwas und seyd brave Leut. Der Staat wird Euch nicht lang am Markt stehen lassen. Brave Leut sind allenthalben zu brauchen, aber Schurken, die den Namen vom Gelehrten nur auf den Zettel tragen und im Kopf ist leer Papier ...
Pastor. Das ist sehr allgemein gesprochen, Herr Rath!--Es müssen doch, bey Gott! auch Hauslehrer in der Welt seyn; nicht jedermann kann gleich geheimer Rath werden und wenn er gleich ein Hugo Grotius w?r. Es geh?ren heutiges Tags andere Sachen dazu als Gelehrsamkeit.--
Geh. Rath. Sie werden warm, Herr Pastor!--Lieber, werther Herr Pastor, lassen Sie uns den Faden unsers Streits nicht verlieren. Ich behaupte: es müssen keine Hauslehrer in der Welt seyn! das Geschmeis taucht den Teufel zu nichts.
Pastor. Ich bin nicht hergekommen mir Grobheiten sagen zu lassen: ich bin auch Hauslehrer gewesen. Ich habe die Ehre--
Geh. Rath. Warten Sie; bleiben Sie, lieber Herr Pastor! Behüte mich der Himmel! Ich habe Sie nicht beleidigen wollen und wenn's wider meinen Willen geschehen ist, so bitt' ich Sie tausendmahl um Verzeihung. Es ist einmal meine üble Gewohnheit, da? ich gleich in Feuer gerathe, wenn mir ein Gespr?ch interessant wird: alles übrige verschwinde mir denn aus dem Gesicht und ich sehe nur den Gegenstand, von dem ich spreche.
Pastor. Sie schütten,--Verzeihen Sie mir, ich bin auch ein Cholerikus, und rede gern von der Lunge ab.--Sie schütten das Kind mit dem Bade aus. Hauslehrer taugen zu nichts.--Wie k?nnen Sie mir das beweisen? Wer soll Euch jungen Herrn denn Verstand und gute Sitten beibringen Was w?r aus Ihnen geworden, mein werther Herr geheimer Rath, wenn Sie keinen Hauslehrer gehabt h?tten?
Geh. Rath. Ich bin von meinem Vater zur ?ffentlichen Schul gehalten worden, und seegne seine Asche dafür, und so hoff' ich, wird mein Sohn Fritz auch dereinst thun.
Pastor. Ja,--da ist aber noch viel drüber zu sagen Herr! Ich meiner Seits bin Ihrer Meynung nicht; ja wenn die ?ffentlichen Schulen das w?ren, was sie seyn sollten.-- Aber die nüchternen Subjecta, so oft den Classen vorstehen; die pedantischen Methoden, die sie brauchen, die unter der Jugend eingerissenen verderbten Sitten--
Geh. Rath. Wes ist die Schuld? Wer ist schuld dran, als ihr Schurken von Hauslehrern? Würde der Edelmann nicht von Euch in der Grille gest?rkt, einen kleinen Hof anzulegen, wo er als Monarch oben auf dem Thron sitzt, und ihm Hofmeister und Mamsell und ein ganzer Wisch von Tagdieben huldigen, so würd' er seine Jungen in die ?ffentliche Schule thun müssen; er würde das Geld, von dem er jetzt seinen Sohn zum hochadlichen Dummkopf aufzieht, zum Fond der Schule schlagen: davon k?nnten denn gescheidte Leute salarirt werden und alles würde seinen guten Gang gehn; das Studentchen müste was lernen, um bey einer solchen Anstalt brauchbar zu werden, und das junge Herrchen, anstatt seine Faullenzerey vor den Augen des Papas und der Tanten, die alle keine Argusse sind, künstlich und manierlich zu verstecken, würde seinen Kopf anstrengen müssen, um es den bürgerlichen Jungen zuvorzuthun, wenn es sich doch von ihnen unterscheiden will.--Was die Sitten anbetrift, das findt sich wahrhaftig.--Wenn er gleich nicht, wie seine hochadliche Vettern, die Nase von Kindesbeinen an h?her tragen lernt als andere, und in einem nachl??igen Ton, von oben herab, Unsinn sagen, und Leuten ins Gesicht sehen, wenn sie den Hut vor ihm abziehen, um ihnen dadurch anzudeuten, da? sie auf kein Gegencompliment warten sollen. Die feinen Sitten hol der Teufel! Man kann dem Jungen Tanzmeister auf der Stube halten, und ihn in artige Gesellschaften führen, aber er mu? durchaus nicht aus der Sph?re seiner Schulkamraden herausgehoben, und in der Meinung gest?rkt werden, er sey eine bessere Kreatur als andere.
Pastor. Ich habe nicht Zeit, (zieht die Uhr heraus) mich in den Disput weiter mit Ihnen einzulassen, gn?diger Herr; aber so viel wei? ich, da? der Adel überall nicht ihrer Meinung seyn wird.
Geh. Rath. So sollten die Bürger meiner Meynung seyn.--Die Noth würde den Adel schon auf andere Gedanken bringen, und wir k?nnten uns bessere Zeiten versprechen. Sapperment, was kann aus unserm Adel werden, wenn ein einziger Mensch das Faktotum bey dem Kinde seyn soll, ich setz' auch den unm?glichen Fall, da? er ein Polyhistor w?re, wo will der eine Mann Feuer und Muth und Th?tigkeit hernehmen, wenn er alle seine Kr?fte auf einen Schaafskopf concentriren soll, besonders wenn Vater und Mutter
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