Der Hofmeister | Page 4

Jacob Michael Reinhold Lenz
mein Ebenbild ist und die ganze Welt
giebt ihr das Zeugniß, daß ihres gleichen an Schönheit im ganzen
Preussenlande nichts anzutreffen. Das Mädchen hat ein ganz anders
Gemüth als mein Sohn, der Buschklepper. Mit dem muß ganz anders
umgegangen werden! Es weiß sein Christenthum aus dem Grunde und
in dem Grunde, aber es ist denn nun doch, weil sie bald zum
Nachtmahl gehen soll und ich weiß wie die Pfaffen sind, so soll er auch
alle Morgen etwas aus dem Christenthum mit ihr nehmen. Alle Tage
Morgens eine Stunde und da geht Er auf ihr Zimmer; angezogen, das
versteht sich: denn Gott behüte, daß Er so ein Schweinigel seyn sollte
wie ich einen gehabt habe, der durchaus im Schlafrock an Tisch
kommen wollte.--Kann Er auch zeichnen?
Läuffer. Etwas, gnädiger Herr.--Ich kann Ihnen einige Proben weisen.
Major. (besieht sie) Das ist ja scharmant!--Recht schön; gut das: Er soll
meine Tochter auch zeichnen lehren.--Aber hören Sie, werther Herr
Läuffer, um Gottes Willen ihr nicht scharf begegnet; das Mädchen hat
ein ganz ander Gemüth als der Junge. Weiß Gott! es ist als ob sie nicht
Bruder und Schwester wären. Sie liegt Tag und Nacht über den
Büchern und über den Trauerspielen da, und sobald man ihr nur ein
Wort sagt, besonders ich, von mir kann sie nichts vertragen, gleich
stehn ihr die Backen in Feuer und die Thränen lauffen ihr wie Perlen
drüber herab. Ich wills Ihm nur sagen: das Mädchen ist meines Herzens
einziger Trost. Meine Frau macht mir bittre Tage genug: sie will

alleweil herrschen und weil sie mehr List und Verstand hat, als ich.
Und der Sohn, das ist ihr Liebling; den will sie nach ihrer Methode
erziehen; fein säuberlich mit dem Knaben Absalom, und da wird denn
einmal so ein Galgenstrick draus, der nicht Gott, nicht Menschen was
Nutz ist.--Das will ich nicht haben.--Sobald er was thut, oder was
versieht, oder hat seinen Lex nicht gelernt, sag' Ers mir nur und der
lebendige Teuffel soll drein fahren.--Aber mit der Tochter nehm' Er
sich in Acht; die Frau wird Ihm schon zureden, daß Er ihr scharf
begegnen soll. Sie kann sie nicht leiden, das weiß ich; aber wo ich das
geringste merke. Ich bin Herr vom Hause, muß Er wissen, und wer
meiner Tochter zu nahe kommt--Es ist mein einziges Kleinod, und
wenn der König mir sein Königreich für sie geben wollt': ich schicke
ihn fort. Alle Tage ist sie in meinem Abendgebet und Morgengebet und
in meinem Tischgebet, und alles in allem, und wenn Gott mir die
Gnade thun wollte, daß ich sie noch vor meinem Ende mit einem
General oder Staatsminister vom ersten Range versorgt sähe,--denn
keinen andern soll sie sein Lebtage bekommen,--so wollt' ich gern ein
zehn Jahr eher sterben.--Merk' Er sich das--und wer meiner Tochter zu
nahe kommt oder ihr worinn zu Leid lebt-- die erste beste Kugel durch
den Kopf. Merk' Er Sich das.--(geht ab.)
Fünfte Scene. Fritz von Berg. Augustchen.
Fritz. Sie werden nicht Wort halten Gustchen: Sie werden mir nicht
schreiben, wenn Sie in Heidelbrun sind, und dann werd' ich mich zu
Tode grämen.
Gustchen. Glaubst Du denn, daß Deine Juliette so unbeständig seyn
kann? O nein; ich bin ein Frauenzimmer; die Mannspersonen allein
sind unbeständig.
Fritz. Nein, Gustchen, die Frauenzimmer allein sinds. Ja wenn alle
Julietten wären!--Wissen Sie was? Wenn Sie an mich schreiben,
nennen Sie mich Ihren Romeo; thun Sie mir den Gefallen: ich
versichere Sie, ich werd' in allen Stücken Romeo seyn, und wenn ich
erst einen Degen trage. O ich kann mich auch erstechen, wenn's dazu
kommt.

Gustchen. Gehn Sie doch! Ja Sie werden's machen, wie im Gellert steht:
er besah die Spitz' und Schneide und steckt' ihn langsam wieder ein.
Fritz. Sie sollen schon sehen. (faßt sie an die Hand.) Gustchen--
Gustchen! wenn ich Sie verlieren sollte oder der Onkel wollte Sie
einem andern geben.--Der gottlose Graf Wermuth! Ich kann Ihnen den
Gedanken nicht sagen Gustchen, aber Sie könnten ihn schon in meinen
Augen lesen--Er wird ein Graf Paris für uns seyn.
Gustchen. Fritzchen--so mach' ichs wie Juliette.
Fritz. Was denn?--Wie denn?--Das ist ja nur eine Erdichtung; es giebt
keine solche Art Schlaftrunk.
Gustchen. Ja, aber es giebt Schlaftrünke zum ewigen Schlaf.
Fritz. (fällt ihr um den Hals) Grausame!
Gustchen. Ich hör' meinen Vater auf dem Gange.--Laß uns in den
Garten lauffen.--Nein; er ist fort.--Gleich nach dem Caffee Fritzchen
reisen wir und so wie der Wagen Dir aus den Augen verschwindt, werd'
ich Dir auch schon aus dem Gedächtniß seyn.
Fritz. So mag Gott sich meiner nie mehr erinnern, wenn ich Dich
vergesse. Aber nimm Dich für den Grafen in Acht, er gilt soviel bey
deiner Mutter und Du weißt, sie möchte Dich gern aus den Augen
haben, und eh' ich meine Schulen gemacht habe und drey Jahr auf der
Universität, das ist gar lange.
Gustchen. Wie denn Fritzchen! Ich
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