Der Hofmeister | Page 3

Jacob Michael Reinhold Lenz
schickt es sich, stehen
zu bleiben. (Läuffer geht mit einem steifen Kompliment ab) Es ist was
unerträgliches, daß man für sein Geld keinen rechtschaffenen
Menschen mehr antreffen kann. Mein Mann hat wohl dreymahl an

einen dasigen Professor geschrieben und dies soll doch noch der
galanteste Mensch auf der ganzen Akademie gewesen seyn. Sie sehens
auch wohl an seinem links bordirten Kleide. Stellen Sie sich vor, von
Leipzig bis Insterburg zweihundert Dukaten Reisegeld und jährliches
Gehalt fünfhundert Dukaten, ist das nicht erschröcklich?
Graf. Ich glaube, sein Vater ist der Prediger hier aus dem Ort ...
Majorin. Ich weiß nicht--es kann seyn--ich habe nicht darnach gefragt,
ja doch, ich glaub' es fast: er heißt ja auch Läuffer; nun denn ist er
freylich noch artig genug. Denn das ist ein rechter Bär, wenigstens hat
er mich ein für allemal aus der Kirche gebrüllt.
Graf. Ists ein Katholik?
Majorin. Nein doch, Sie wissen ja, daß in Insterburg keine katholische
Kirche ist: er ist Lutherisch, oder Protestantisch wollt' ich sagen; er ist
protestantisch.
Graf. Pintinello tanzt ... Es ist wahr, ich habe mir mein Tanzen einige
dreißig tausend Gulden kosten lassen, aber noch einmal so viel gäb' ich
drum, wenn ...
Vierte Scene.
Läuffers Zimmer. Läuffer. Leopold. Der Major. (Erstere sitzen an
einem Tisch, ein Buch in der Hand, indem sie der letztere überfällt.)
Major. So recht; so lieb' ichs; hübsch fleißig--und wenn die Kanaille
nicht behalten will, Herr Läuffer, so schlagen Sie ihm das Buch an den
Kopf, daß ers Aufstehen vergißt, oder wollt' ich sagen, so dürfen Sie
mirs nur klagen. Ich will Dir den Kopf zurecht setzen, Heyduk Du!
Seht da zieht er das Maul schon wieder. Bist empfindlich, wenn Dir
Dein Vater was sagt? Wer soll Dirs denn sagen? Du sollst mir anders
werden, oder ich will Dich peitschen, daß Dir die Eingeweide krachen
sollen, Tuckmäuser! Und Sie, Herr, seyn Sie fleißig mit ihm, das bitt'
ich mir aus, und kein Feriiren und Pausiren und Rekreiren, das leid ich
nicht. Zum Plunder, vom Arbeiten wird kein Mensch das Malum

hydropisiacum kriegen. Das sind nur Ausreden von euch Herren
Gelehrten.--Wie stehts, kann er seinen Cornelio? Lippel! ich bitt Dich
um tausend Gottes willen, den Kopf grad. Den Kopf in die Höhe, Junge!
(richtet ihn) Tausend Sakkerment den Kopf aus den Schultern! oder ich
zerbrech Dir Dein Rückenbein in tausendmillionen Stücken.
Läuffer. Der Herr Major verzeihen: er kann kaum lateinisch lesen.
Major. Was? So hat der Rakker vergessen.--Der vorige Hofmeister hat
mir doch gesagt, er sey perfekt im Lateinischen, perfekt. ... Hat ers
ausgeschwitzt--aber ich will Dir-- Ich will es nicht einmal vor Gottes
Gericht zu verantworten haben, daß ich Dir keinen Daumen aufs Auge
gesetzt habe, und daß ein Galgendieb aus Dir geworden ist, wie der
junge Hufeise oder wie Deines Onkels Friedrich, eh Du mir so ein
Gassenläufferischer Taugenichts--Ich will dich zu Tode hauen--(giebt
ihm eine Ohrfeige) Schon wieder wie ein Fragzeichen? Er läßt sich
nicht sagen.--Fort mir aus den Augen.--Fort! Soll ich Dir Beine machen?
Fort, sag' ich. (stampft mit dem Fuß. Leopold geht ab. Major setzt sich
auf seinen Stuhl. Zu Läuffern.) Bleiben Sie sitzen, Herr Läuffer; ich
wollte mit ihnen ein paar Worte allein sprechen, darum schickt' ich den
jungen Herrn fort. Sie können immer sitzen bleiben; ganz, ganz. Zum
Henker Sie brechen mir ja den Stuhl entzwey, wenn Sie immer so auf
einer Ecke ... Dafür steht ja der Stuhl da, daß man drauf sitzen soll.
Sind Sie so weit gereist und wissen das noch nicht?--Hören Sie nur: ich
seh' Sie für einen hübschen artigen Mann an, der Gott fürchtet und
folgsam ist, sonst würd' ich das nimmer thun, was ich für Sie thue.
Hundert und vierzig Dukaten jährlich hab' ich Ihnen versprochen: das
machen drey--Warte-- Dreymal hundert und vierzig: wieviel machen
das?
Läuffer. Vier hundert und zwanzig.
Major. Ists gewiß? Macht das soviel? Nun damit wir gerade Zahl haben,
vierhundert Thaler preußisch Courant hab' ich zu Ihrem Salarii
bestimmt. Sehen Sie, das ist mehr als das ganze Land giebt.
Läuffer. Aber mit Eurer Gnaden gnädigen Erlaubniß, die Frau Majorin
haben mir von hundert funfzig Dukaten gesagt; das machte gerade

vierhundert funfzig Thaler und auf diese Bedingungen hab' ich mich
eingelassen.
Major. Ey was wissen die Weiber!--Vierhundert Thaler, Monsieur;
mehr kann Er mit gutem Gewissen nicht fodern. Der vorige hat
zweihundert funfzig gehabt und ist zufrieden gewesen wie ein Gott. Er
war doch, mein Seel! ein gelehrter Mann; auch und ein Hofmann
zugleich: die ganze Welt gab' ihm das Zeugniß, und Herr, Er muß noch
ganz anders werden, eh' Er so wird. Ich thu' es nur aus Freundschaft für
Seinen Herrn Vater, was ich an Ihm thue und um Seinetwillen auch,
wenn Er hübsch folgsam ist, und werd' auch schon einmal für Sein
Glück zu sorgen wissen; das kann Er versichert seyn.--Hör Er doch
einmal: ich hab' eine Tochter, das
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 34
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.