Der Goldene Topf | Page 6

E.T.A. Hoffmann
Musik gemacht; der Student Anselmus mu?te sich ans Klavier setzen und Veronika lie? ihre helle klare Stimme h?ren. -- Werte Mademoiselle, sagte der Registrator Heerbrand, Sie haben eine Stimme wie eine Kristallglocke! -- ?Das nun wohl nicht!? fuhr es dem Studenten heraus, er wu?te selbst nicht wie, und alle sahen ihn verwundert und betroffen an. -- ?Kristallglocken t?nen in Holunderb?umen wunderbar! wunderbar!? fuhr der Student Anselmus halbleise murmelnd fort. Da legte Veronika ihre Hand auf seine Schulter und sagte: Was sprechen Sie denn da, Herr Anselmus? Gleich wurde der Student wieder ganz munter und fing an zu spielen. Der Konrektor Paulmann sah ihn finster an, aber der Registrator Heerbrand legte ein Notenblatt auf das Pult und sang zum Entz��cken eine Bravourarie vom Kapellmeister Graun. Der Student Anselmus akkompagnierte noch manches, und ein fugiertes Duett, das er mit Veronika vortrug und das der Konrektor Paulmann selbst komponiert, setzte alles in die fr?hlichste Stimmung. Es war ziemlich sp?t worden und der Registrator Heerbrand griff nach Hut und Stock, da trat der Konrektor Paulmann geheimnisvoll zu ihm hin und sprach: Ei, wollten Sie nicht, geehrter Registrator, dem guten Herrn Anselmus selbst -- nun! wovon wir vorhin sprachen -- Mit tausend Freuden, erwiderte der Registrator Heerbrand, und begann, nachdem sie sich im Kreise gesetzt, ohne weiteres in folgender Art: ?Es ist hier im Orte ein alter wunderlicher merkw��rdiger Mann, man sagt, er treibe allerlei geheime Wissenschaften; da es nun eigentlich dergleichen gar nicht gibt, so halte ich ihn eher f��r einen forschenden Antiquar, auch wohl nebenher f��r einen experimentierenden Chemiker. Ich meine niemand andern als unsern geheimen Archivarius Lindhorst. Er lebt, wie Sie wissen, einsam in seinem entlegenen alten Hause, und wenn ihn der Dienst nicht besch?ftigt, findet man ihn in seiner Bibliothek oder in seinem chemischen Laboratorio, wo er aber niemanden hineinl??t. Er besitzt au?er vielen seltenen B��chern eine Anzahl zum Teil arabischer, koptischer, und gar in sonderbaren Zeichen, die keiner bekannten Sprache angeh?ren, geschriebene Manuskripte. Diese will er auf geschickte Weise kopieren lassen, und es bedarf dazu eines Mannes, der sich darauf versteht mit der Feder zu zeichnen, um mit der gr??ten Genauigkeit und Treue alle Zeichen auf Pergament und zwar mit Tusche ��bertragen zu k?nnen. Er l??t in einem besondern Zimmer seines Hauses unter seiner Aufsicht arbeiten, bezahlt au?er dem freien Tisch w?hrend der Arbeit jeden Tag einen Speziestaler, und verspricht noch ein ansehnliches Geschenk, wenn die Abschriften gl��cklich beendet. Die Zeit der Arbeit ist t?glich von zw?lf bis sechs Uhr. Von drei bis vier Uhr wird geruht und gegessen. Da er schon mit ein paar jungen Leuten vergeblich den Versuch gemacht hat, jene Manuskripte kopieren zu lassen, so hat er sich endlich an mich gewendet, ihm einen geschickten Zeichner zuzuweisen; da habe ich an Sie gedacht, lieber Herr Anselmus, denn ich wei?, da? Sie sowohl sehr sauber schreiben, als auch mit der Feder sehr zierlich und rein zeichnen. Wollen Sie daher in dieser schlechten Zeit und bis zu Ihrer etwanigen [etwaigen] Anstellung den Speziestaler t?glich verdienen und das Geschenk obendrein, so bem��hen Sie sich morgen Punkt zw?lf Uhr zu dem Herrn Archivarius, dessen Wohnung Ihnen bekannt sein wird. Aber h��ten Sie sich ja vor jedem Tintenflecken; f?llt er auf die Abschrift, so m��ssen Sie ohne Gnade von vorn anfangen, f?llt er auf das Original, so ist der Herr Archivarius imstande Sie zum Fenster hinauszuwerfen, denn es ist ein zorniger Mann.? -- Der Student Anselmus war voll inniger Freude ��ber den Antrag des Registrators Heerbrand: denn nicht allein, da? er sauber schrieb und mit der Feder zeichnete, so war es auch seine wahre Passion, mit m��hsamem kalligraphischem Aufwande abzuschreiben; er dankte daher seinen G?nnern in den verbindlichsten Ausdr��cken und versprach die morgende Mittagsstunde nicht zu vers?umen. In der Nacht sah der Student Anselmus nichts als blanke Speziestaler und h?rte ihren lieblichen Klang. -- Wer mag das dem Armen verargen, der um so manche Hoffnung durch ein launisches Mi?geschick betrogen, jeden Heller zu Rate halten und manchem Genu?, den jugendliche Lebenslust forderte, entsagen mu?te. Schon am fr��hen Morgen suchte er seine Bleistifte, seine Rabenfedern, seine chinesische Tusche zusammen; denn besser, dachte er, kann der Herr Archivarius keine Materialien erfinden. Vor allen Dingen musterte und ordnete er seine kalligraphischen Meisterst��cke und seine Zeichnungen, um sie dem Archivarius, zum Beweis seiner F?higkeit das Verlangte zu erf��llen, aufzuweisen. Alles ging gl��cklich von statten, ein besonderer Gl��cksstern schien ��ber ihn zu walten, die Halsbinde sa? gleich beim ersten Umkn��pfen wie sie sollte, keine Naht platzte, keine Masche zerri? in den schwarzseidenen Str��mpfen, der Hut fiel nicht noch einmal in den Staub, als er schon sauber abgeb��rstet. -- Kurz! -- Punkt halb zw?lf Uhr stand der Student Anselmus in seinem hechtgrauen Frack und seinen schwarzatlasnen Unterkleidern, eine Rolle Sch?nschriften und Federzeichnungen in der Tasche, schon auf der Schlo?gasse in Conradis Laden und trank -- eins -- zwei
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