Der Freigeist | Page 7

Gotthold Ephraim Lessing
Umsonst sind seine Gesichtsz��ge noch so regelm??ig: sein Eigensinn, seine Lust zum Spotten hat eine gewisse Falte hineingebracht, die ihm in meinen Augen recht h??lich l??t. Aber ich will sie ihm gewi? herausbringen: la? nur die Flitterwochen erst vorbei sein.--Dein Theophan hingegen hat das liebensw��rdigste Gesicht von der Welt. Es herrscht eine Freundlichkeit darin, die sich niemals verleugnet.--
Juliane. Sage mir doch nur nichts, was ich ebensogut bemerkt habe, als du. Allein eben diese seine Freundlichkeit ist nicht sowohl das Eigentum seines Gesichts, als die Folge seiner innern Ruhe. Die Sch?nheit der Seele bringt auch in einen ungestalteten K?rper Reize; so wie ihre H??lichkeit dem vortrefflichsten Baue und den sch?nsten Gliedern desselben, ich wei? nicht was eindr��ckt, das einen unzuerkl?renden Verdru? erwecket. Wenn Adrast eben der fromme Mann w?re, der Theophan ist; wenn seine Seele von ebenso g?ttlichen Strahlen der Wahrheit, die er sich mit Gewalt zu verkennen bestrebet, erleuchtet w?re: so w��rde er ein Engel unter den Menschen sein; da er jetzt kaum ein Mensch unter den Menschen ist. Z��rne nicht, Henriette, da? ich so ver?chtlich von ihm rede. Wenn er in gute H?nde f?llt, kann er noch alles das werden, was er jetzt nicht ist, weil er es nie hat sein wollen. Seine Begriffe von der Ehre, von der nat��rlichen Billigkeit sind vortrefflich.--
Henriette (sp?ttisch). Oh! du machst ihn auch gar zu sehr herunter.-- Aber im Ernste, kann ich nicht sagen, da? du mich nunmehr f��r das kleine spielende M?dchen ansiehst? Ich mag ja nicht von dir seinetwegen zufriedengestellt sein. Er ist, wie er ist, und lange gut f��r mich. Du sprachst von guten H?nden, in die er fallen m��?te, wenn noch was aus ihm werden sollte. Da er in meine nunmehr gefallen ist, wird er wohl nicht anders werden. Mich nach ihm zu richten, wird mein einziger Kunstgriff sein, uns das Leben ertr?glich zu machen. Nur die verdrie?lichen Gesichter mu? er ablegen; und da werde ich ihm die Gesichter deines Theophans zum Muster vorschlagen.
Juliane. Schon wieder Theophan, und seine freundlichen Gesichter?
Lisette. Stille! Mamsell--

Zweiter Auftritt
Theophan. Juliane. Henriette. Lisette.
Henriette (springt dem Theophan entgegen). Kommen Sie doch, Theophan, kommen Sie!--K?nnen Sie wohl glauben, da? ich Ihre Partei gegen meine Schwester habe halten m��ssen? Bewundern Sie meine Uneigenn��tzigkeit. Ich habe Sie bis in den Himmel erhoben, da ich doch wei?, da? ich Sie nicht bekomme, sondern da? Sie f��r meine Schwester bestimmt sind, die Ihren Wert nicht kennet. Denken Sie nur, sie behauptet, da? Sie keine so sch?ne Person vorstellten, als Adrast. Ich wei? nicht, wie sie das behaupten kann. Ich sehe doch den Adrast mit den Augen einer Verliebten an, das ist, ich mache mir ihn noch zehnmal sch?ner, als er ist, und gleichwohl geben Sie ihm, meines Bed��nkens, nichts nach. Sie spricht zwar, auf der Seite des Geistes h?tten Sie mehr Vorz��ge; aber was wissen wir Frauenzimmer denn vom Geiste?
Juliane. Die Schw?tzerin! Sie kennen sie, Theophan: glauben Sie ihr nicht.
Theophan. Ich ihr nicht glauben, sch?nste Juliane? Warum wollen Sie mich nicht in der gl��cklichen ��berzeugung lassen, da? Sie so vorteilhaft von mir gesprochen haben?--Ich danke Ihnen, angenehmste Henriette, f��r Ihre Verteidigung; ich danke Ihnen umsovielmehr, je st?rker ich selbst ��berf��hret bin, da? Sie eine schlechte Sache haben verteidigen m��ssen. Allein--
Henriette. Oh! Theophan, von Ihnen verlange ich es nicht, da? Sie mir recht geben sollen. Es ist eine andere gewisse Person--
Juliane. Lassen Sie dieser andern Person Gerechtigkeit widerfahren, Theophan. Sie werden, hoffe ich, meine Gesinnungen kennen--
Theophan. Gehen Sie nicht mit mir, als mit einem Fremden um, liebste Juliane. Brauchen Sie keine Einlenkungen; ich w��rde bei jeder n?hern Bestimmung verlieren.--Bei den B��chern, in einer engen staubigten Studierstube, vergi?t man des K?rpers sehr leicht; und Sie wissen, der K?rper mu? ebensowohl bearbeitet werden, als die Seele, wenn beide diejenigen Vollkommenheiten erhalten sollen, deren sie f?hig sind. Adrast ist in der gro?en Welt erzogen worden; er hat alles, was bei derselben beliebt macht--
Henriette. Und wenn es auch Fehler sein sollten.--
Theophan. Wenigstens habe ich diese Anmerkung nicht machen wollen.-- Aber nur Geduld! ein gro?er Verstand kann diesen Fehlern nicht immer ergeben sein. Adrast wird das Kleine derselben endlich einsehen, welches sich nur allzusehr durch das Leere verr?t, das sie in unsern Herzen zur��cklassen. Ich bin seiner Umkehr so gewi?, da? ich ihn schon im voraus darum liebe.--Wie gl��cklich werden Sie mit ihm leben, gl��ckliche Henriette!
Henriette. So edel spricht Adrast niemals von Ihnen, Theophan.--
Juliane. Abermals eine recht garstige Anmerkung, meine liebe Schwester.--Was suchst du damit, da? du dem Theophan dieses sagst? Es ist allezeit besser, wenn man es nicht wei?, wer von uns ��bel spricht. Die Kenntnis unserer Verleumder wirkt auch in dem gro?m��tigsten Herzen eine Art von Entfernung gegen sie, die ihre Auss?hnung mit der beleidigten Person nur noch schwerer macht.
Theophan. Sie entz��cken mich, Juliane. Aber f��rchten Sie nichts! Eben darin soll ��ber kurz oder lang mein Triumph bestehen, da? ich den mich jetzt verachtenden Adrast
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