Der Freigeist | Page 6

Gotthold Ephraim Lessing
mich ist umzechig. Denn weil es unm?glich sein soll, zweien Herren zu dienen, So hat Ihr wohlweiser Papa--neigen Sie sich, Mamsells, neigen Sie sich! --so hat, sage ich, Ihr wohlweiser Papa wohlbed?chtig mich damit verschonen wollen, das Unm?gliche m?glich zu machen. Er hat jede von Ihnen einen Tag um den andern zu meiner haupts?chlichen Gebieterin gemacht; so da? ich den einen Tag der sanften Juliane ehrbares M?dchen, und den andern der muntern Henriette wilde Lisette sein mu?. Aber jetzt, seitdem die fremden Herren im Hause sind--
Henriette. Unsre Anbeter meinst du--
Lisette. Ja, ja! Ihre Anbeter, welche bald Ihre hochbefehlenden Ehem?nner sein werden--Seitdem, sage ich, diese im Hause sind, geht alles dr��ber und drunter; ich werde aus einer Hand in die andere geschmissen; und ach! unsere sch?ne Ordnung liegt mit dem N?hzeuge, das Sie seit eben der Zeit nicht angesehen haben, unterm Nachttische. Hervor wieder damit! Ich mu? wissen, woran ich mit Ihnen bin, wenn ich ein unparteiisches Urteil f?llen soll.
Henriette. Das wollen wir bald ausrechnen.--Du besinnst dich doch wohl auf den letzten Feiertag, da dich meine Schwester mit in die Nachmittagspredigt schleppte, so gerne du auch mit mir auf unser Vorwerk gefahren w?rest? Du warst damals sehr strenge, Juliane!--
Juliane. Ich habe doch wohl nicht einer ehrlichen Seele einen vergeblichen Weg nach ihr hinaus gemacht?
Henriette. Lisette--
Lisette. Stille, Mamsell Henriette! nicht aus der Schule geschwatzt, oder--
Henriette. M?dchen drohe nicht! Du wei?t wohl, ich habe ein gut Gewissen.
Lisette. Ich auch.--Doch lassen Sie uns nicht das Hundertste ins Tausendste schwatzen.--Recht! an den Feiertag will ich gedenken! Er war der letzte in unsrer Ordnung; denn noch den Abend kam Theophan an.
Henriette. Und also, mit Erlaubnis meiner Schwester, bist du heute meine.
Juliane. Ohne Widerrede.
Lisette. Juchhei! Mamsellchen. Ich bin also heute Ihre: Juchhei!
Juliane. Ist das dein L?sungswort unter ihrer Fahne?
Lisette. Ohne weitre Umst?nde: erz?hlen Sie mir nunmehr Ihre Streitigkeit.--Unterdessen lege ich mein Gesicht in richterliche Falten.
Juliane. Streitigkeit? Eine wichtige Streitigkeit? Ihr seid beide Sch?kerinnen.--Ich will nichts mehr davon h?ren.
Henriette. So? Du willst keinen Richter erkennen? Ein klarer Beweis, da? du unrecht hast.--H?re nur, Lisette! wir haben ��ber unsre Anbeter gezankt. Ich will die Dinger immer noch so nennen, mag doch zuletzt daraus werden, was da will.
Lisette. Das dachte ich. ��ber was k?nnten sich zwei gute Schwestern auch sonst zanken? Es ist freilich verdrie?lich, wenn man sein k��nftiges Haupt verachten h?rt.
Henriette. Schwude! M?dchen; du willst ganz auf die falsche Seite. Keine hat des andern Anbeter verachtet; sondern unser Zank kam daher, weil eine des andern Anbeter--schon wieder Anbeter!--allzusehr erhob.
Lisette. Eine neue Art Zanks! wahrhaftig, eine neue Art!
Henriette. Kannst du es anders sagen, Juliane?
Juliane. Oh! verschone mich doch damit.
Henriette. Hoffe auf kein Verschonen, wenn du nicht widerrufst.--Sage, Lisette, hast du unsre M?nnerchen schon einmal gegeneinander gehalten? Was d��nkt dich? Juliane macht ihren armen Theophan herunter, als wenn er ein kleines Ungeheuer w?re.
Juliane. Unartige Schwester! Wann habe ich dieses getan? Mu?t du aus einer fl��chtigen Anmerkung, die du mir gar nicht h?ttest aufmutzen sollen, solche Folgen ziehen?
Henriette. Ich seh, man mu? dich b?se machen, wenn du mit der Sprache heraus sollst.--Eine fl��chtige Anmerkung nennst du es? Warum strittest du denn ��ber ihre Gr��ndlichkeit?
Juliane. Du hast doch n?rrische Ausdr��cke! Fingst du nicht den ganzen Handel selbst an? Ich glaubte, wie sehr ich dir schmeicheln w��rde, wenn ich deinen Adrast den wohlgemachtesten Mann nennte, den ich jemals gesehen h?tte. Du h?ttest mir f��r meine Gesinnungen danken, nicht aber widersprechen sollen.
Henriette. Sieh, wie wunderlich du bist! Was war mein Widerspruch anders, als ein Dank? Und wie konnte ich mich nachdr��cklicher bedanken, als wenn ich den unverdienten Lobspruch auf deinen Theophan zur��ckschob?--
Lisette. Sie hat recht!
Juliane. Nein, sie hat nicht recht. Denn eben dieses verdro? mich. Mu? sie auf einen so kindischen Fu? mit mir umgehen? Sahe sie mich nicht dadurch f��r ein kleines spielendes M?dchen an, das zu ihr gesagt h?tte: Deine Puppe ist die sch?nste; und dem sie also, um es nicht b?se zu machen, antworten m��?te: Nein, deine ist die sch?nste?
Lisette. Nun hat sie recht!
Henriette. Oh! geh, du bist eine artige Richterin. Hast du schon vergessen, da? du mir heute angeh?rst?
Lisette. Desto sch?rfer eben werde ich gegen Sie sein, damit ich nicht parteiisch lasse.
Juliane. Glaube mir nur, da? ich bessere Eigenschaften an einer Mannsperson zu sch?tzen wei?, als seine Gestalt. Und es ist genug, da? ich diese bessern Eigenschaften an dem Theophan finde. Sein Geist- -
Henriette. Von dem ist ja nicht die Rede. Jetzt k?mmt es auf den K?rper an, und dieser ist an dem Theophan sch?ner, du magst sagen, was du willst. Adrast ist besser gewachsen: gut; er hat einen sch?nern Fu?: ich habe nichts dawider. Aber la? uns auf das Gesicht kommen.--
Juliane. So st��ckweise habe ich mich nicht eingelassen.
Henriette. Das ist eben dein Fehler.--Was f��r ein Stolz, was f��r eine Verachtung aller andern blickt nicht dem Adrast aus jeder Miene! Du wirst es Adel nennen; aber machst du es dadurch sch?n?
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