Der Fall Deruga | Page 9

Ricarda Huch
jetzt,? sagte der Vorsitzende, nach einem leichten R?uspern die Stimme hebend, ?zu einem sehr wichtigen Punkt, und ich fordere Sie auf, Herr Verzielli, Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Ged?chtnis energisch zusammenzufassen. Denken Sie vor allen Dingen nicht daran, welche Folgen Ihre Aussagen f��r den Angeklagten haben k?nnten, sondern nur daran, da? Sie einen Eid geschworen haben, die Wahrheit zu sagen!?
Verzielli richtete sich stramm auf, blickte dem Vorsitzenden fest ins Auge und umfa?te krampfhaft sein Taschentuch.
?Erz?hlen Sie uns genau mit allen Einzelheiten, wie es sich begab, da? Sie von dem Ger��cht, =Dr.= Deruga habe seine Frau ermordet, erfuhren, und da? Sie ihn davon in Kenntnis setzten!?
Verzielli schwieg und starrte angelegentlich in einen Winkel, augenscheinlich bem��ht, seine Gedanken zu sammeln.
?Ich will Ihnen zu Hilfe kommen,? sagte =Dr.= Zeunemann nachsichtig. ?Am Abend des 25. November kam Cavaliere Faramengo, der italienische Konsul, in Ihr Restaurant, um ein Glas Wein zu trinken, wie er zuweilen tat. Er fragte Sie nach dem Angeklagten aus, und Sie erfuhren von ihm, da? von M��nchen aus Erkundigungen ��ber ihn eingezogen w?ren, und da? er im Verdacht stehe, seine geschiedene Frau, die Anfang Oktober gestorben war und ihn zum Erben ihres Verm?gens eingesetzt hatte, ermordet zu haben. Au?er sich vor Entr��stung liefen Sie sofort zu dem Angeklagten, erz?hlten ihm alles und sagten, wenn Sie nur w��?ten, wer der Verleumder w?re, Sie w��rden ihn t?ten. Der Angeklagte sagte lachend: 'Dummkopf, ich habe es ja getan.' Das ist, was der Untersuchungsrichter nicht ohne M��he aus Ihnen herausgebracht hat. Best?tigen Sie es jetzt vor dem versammelten Gericht und vor den Geschworenen??
?Es ist wahr, da? =Dr.= Deruga sagte: 'Dummkopf, ich habe es ja getan,' aber er hatte nur insofern recht, als er mich einen Dummkopf nannte, denn er meinte ...?
?Bleiben Sie bei der Sache!? sagte =Dr.= Zeunemann. ?Was antworteten Sie darauf??
?Ich sagte, das w?re nicht m?glich, und davon war ich auch ��berzeugt, da? es unm?glich w?re; aber in dem Zustand von Aufgeregtheit, in dem ich mich befand, bat ich ihn, augenblicklich nach Amerika zu fliehen, und bot ihm mein ganzes Verm?gen an, damit er sich dort weiter helfen k?nnte.?
?Guter Mann,? sagte pl?tzlich Deruga laut.
Verzielli, der es bisher vermieden hatte, nach der Anklagebank hin��berzusehen, wandte jetzt den Kopf herum und warf Deruga einen verzweifelten Blick zu.
Auch =Dr.= Zeunemann sah ihn an. ?Wie erkl?ren Sie es,? sagte er, ?da? Sie im ersten Augenblick der ��berraschung Verzielli gegen��ber die Tat zugaben??
?Ich wollte sehen, was f��r ein Gesicht er machte,? sagte Deruga leichthin, ?das ist alles.?
?Ja, nat��rlich,? fiel Verzielli rasch ein. ?So war er. Das ist ganz er. O Gott, er hatte recht, mich einen Dummkopf zu nennen. Ja, ein Esel, ein verw��nschter T?lpel war ich, es nicht sofort klar zu durchschauen.?
?Bei der Sache bleiben,? unterbrach =Dr.= Zeunemann. ?Die Stimmung des Angeklagten schlug unvermittelt um, er geriet in Wut und wollte sofort zum italienischen Konsul laufen, um zu erfahren, wer ihn verleumdet h?tte. 'Sie haben es also nicht getan,' riefen Sie und beschworen den Angeklagten, keinen ��bereilten Schritt zu tun und mit dem Besuch beim Konsul bis zum folgenden Morgen zu warten. F��rchteten Sie vielleicht, er w��rde sich in seiner Wut am Konsul vergreifen??
?Gott bewahre!? rief Verzielli entr��stet. ?Der Konsul sollte nur nicht erfahren, da? ich Deruga alles ausgeplaudert hatte. Auch f��rchtete ich, da? =Dr.= Deruga in seinem gerechten Zorne sich allzu heftig ?u?ern und dadurch den Konsul gegen sich einnehmen w��rde. Kurz, ich war ein Dummkopf und war ma?los aufgeregt. Ich wu?te nicht, was ich sagte und was ich tat.?
Der Staatsanwalt war im Laufe des Verh?rs aufgestanden und begleitete die Antworten des Italieners mit unwillk��rlichen Geb?rden und hier und da mit einem h?hnischen Lachen oder entr��steten Ausruf.
?In Ihrer Aufgeregtheit,? sagte er jetzt, sich vorbeugend, ?hatten Sie jedenfalls den Eindruck, da? der Angeklagte im Ernst sprach, als er sagte: 'Ich habe es ja getan.' Sonst h?tten Sie hernach nicht ausgerufen: 'Sie haben es also nicht getan!'?
Verzielli warf einen zornigen und ver?chtlichen Blick auf den Sprecher und sagte entschlossen: ?Was ich auch gesagt und gedacht habe, ich war im Unrecht, und der Doktor war im Recht, und wenn er seine Frau get?tet h?tte, was er aber nicht getan hat, so h?tte er auch recht gehabt.?
Eine Bewegung, mit Gel?chter vermischt, ging durch den Saal.
?Eigent��mliche Auffassung,? sagte der Staatsanwalt, beide Arme in die Seite stemmend.
?Ich denke,? nahm der Vorsitzende das Wort, als es wieder still geworden war, ?wir lassen die Auffassungen beiseite und halten uns an Tatsachen. W��nscht einer der Herren Kollegen oder der Herren Geschworenen noch eine Frage an den Zeugen zu stellen? Nein? So k?nnen wir zu Fr?ulein Klinkhart, der Haush?lterin oder Empfangsdame des Angeklagten, ��bergehen.?
* * * * *
Ein Fr?ulein von etwa f��nfunddrei?ig Jahren trat vor, einfach, aber gut gekleidet, schwarzhaarig, mit gerader Nase und ruhigen, braunen Augen. Sie kam mit raschen, sicheren Schritten und sah sich um, als suche sie, wo es etwas f��r sie zu tun g?be;
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