Der Erste Theil von König Heinrich dem Vierten | Page 5

William Shakespeare
ein Leben, das keine Folie hat, wodurch es erhoben wird.
(Er geht ab.)
Vierte Scene.
(Verwandelt sich in einen Saal des königlichen Palasts.)

(König Heinrich, Northumberland, Worcester, Hot-Spur, Sir Walter
Blunt, und andre treten auf.)
König Heinrich.
Mein Blut ist zu kalt und zu milde gewesen, daß es
bey einem so unanständigen Betragen nicht aufwallte; ihr habt meine
schwache Seite gefunden, und tretet deßwegen meine Geduld mit
Füssen; aber versichert euch, ich will künftighin mehr seyn, was meine
Würde, als was meine Gemüthsart fordert, die zu sanft und milde
gewesen ist, und deßwegen die Ehrfurcht verlohren hat, die eine stolze
Seele nur dem Stolzen bezahlt.
Worcester.
Unser Haus, Gnädigster Herr verdienet wahrlich nicht daß
die Geissel der Grösse gegen selbiges gebraucht werde, und dazu noch
eben dieser Grösse, die unsre eigne Hände so stattlich zu machen

geholfen haben.
Northumberland.
Mein Gnädigster Herr--
König Heinrich.
Worcester, entferne dich; ich sehe Ungehorsam und
Drohung in deinen Augen. O Sir, eure Mine ist zu kühn und zu
entschlossen, und die Majestät kan unmöglich trozbietenden Stolz auf
der Stirne eines Unterthanen dulden. Ihr habt Erlaubniß uns zu
verlassen. Wenn wir euern Rath oder eure Dienste nöthig haben,
werden wir euch ruffen lassen.
(Worcester geht ab.)
Ihr wolltet ja reden--
(Zu Northumberland.)
Northumberland.
Ja, mein Gnädigster Herr; diese Gefangne die in Eu.
Majestät Namen abgefordert wurden, und die Heinrich Percy zu
Holmedon gemacht hat, sind, wie er sagt, nicht so schlechterdings
verweigert worden, wie man Euer Majestät berichtet hat. Entweder
Mißgunst oder
Mißverständniß ist dieses Vergehens schuldig, nicht
mein Sohn.
Hot-Spur.
Mein Gnädigster Herr, ich versagte keine Gefangne; aber
dessen erinnre ich mich, wie die Action zu Ende war, und ich, ganz
aufgetroknet von Hize und Arbeit, athemlos und abgemattet auf mein
Schwerdt mich lehnte, da kam ein gewisser junger Herr, nett, zierlich
aufgepuzt, frisch wie ein Bräutigam, und sein kürzlich abgeschohrnes
Kinn sah aus wie ein Stoppeln-Feld im Herbst. Er war parfumirt wie
ein Specerey-Krämer, und hielt zwischen seinem Finger und seinem
Daumen eine Schnupf-Büchse, die er alle Augenblike vor die Nase
hielt; immer hatte er was zu lächeln und zu schwazen; und wie die
Soldaten todte Körper vorbey trugen, hieß er sie ungezogne Flegel, eine
so unsaubre und unartige Bürde zwischen den Wind und seine Adeliche
Person zu bringen. Er fragte mich mit einem Strom von Sonntags- und
Frauenzimmer-Redensarten nach hundert Sachen, und forderte mir

endlich auch, zu Handen Eurer Majestät meine Gefangnen ab. Ich, den
meine Wunden überall schmerzten, und verdrießlich darüber, daß mich
ein solcher Papagay zur Unzeit übertäuben sollte, antworte ihm im
Unmuth und in der Ungeduld, ich weiß nicht was; er sollte sie haben,
oder er sollte sie nicht haben; denn es machte mich toll, etwas das
einem Mann ähnlich sah, vor mir zu sehen, das von so vielen Farben
schimmerte, und so süß roch, und von Flinten und Trummeln und
Wunden so Kammerfräulein-mäßig redte, und mir sagte, für eine
innerliche Quetschung sey kein unfehlbarers Mittel als Spermacet, und
es sey recht zu bedauren, sey es, daß dieser verfluchte Salpeter aus den
Eingeweiden der unschuldigen Erde hervorgegraben worden sey, der so
viele brave wolgewachsene Leute so elendiglich umgebracht habe: Und
wenn nur diese nichtswürdigen Flinten nicht wären, so würde er selbst
ein Soldat geworden seyn-- Auf alles dieses sein kühles,
unzusammenhängendes Geplauder gab ich also, Gnädigster Herr, nur
obenhin Antwort wie ich sagte; und ich bitte euch, laßt seinen Bericht
nicht die Gültigkeit einer Anklage gegen einen Mann haben, der eurer
Majestät so ergeben ist als ich.
Blunt.
Die Umstände in Ueberlegung gezogen, Gnädigster Herr, so
könnte alles was Harry Percy damals zu so einer Person, an so einem
Ort, und in so einer Zeit gesagt haben möchte, billiger Maassen für todt
und abgethan gehalten, und nimmer zu seinem Nachtheil wieder
erwähnt werden. Denn was er damals sagte, dem entsagt er ja izo
wieder, wie ihr seht.
König Heinrich.
Wie, und doch weigert er sich seine Gefangnen
auszuliefern, ausser mit der Bedingung, daß wir seinen Schwager, den
närrischen Mortimer, unverzüglich auf unsre eigne Unkosten auslösen
sollen; ihn, der geflissentlich das Leben aller derjenigen aufgeopfert hat,
die er gegen diesen Zauberer, diesen verdammten Glendower anführte,
dessen Tochter, wie wir hören, Mortimer kürzlich geheurathet hat.
Sollen unsre Kisten etwann ausgeleert werden, um einen Verräther

heimzukauffen? Nein, auf den nakten Wallischen Bergen laßt ihn
verhungern; nimmer werd' ich den Mann für meinen Freund halten,
dessen Zunge von mir nur den Aufwand eines Pfennigs verlangt, den
aufrührischen Mortimer auszulösen.

Hot-Spur.
Den aufrührischen Mortimer? Das veränderliche Glük des
Kriegs, nicht sein Wille, hat ihn in die Hände der Feinde fallen lassen,
Gnädigster Herr; und zum Beweiß daß dieses die Wahrheit sey, braucht
es keine andre Zeugen, als alle diese Wunden, die er empfieng, da er an
dem beschilften Strande des anmuthigen Severns, in einzelnem Kampf,
Stirne gegen Stirne, den grösten Theil einer Stunde lang den
furchtbaren Glendower aufhielt. Dreymal ruhten sie, um wieder zu
Athem zu kommen, dreymal tranken sie,
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