Der Englaender | Page 4

Jacob Michael Reinhold Lenz
Lord Hot,--und mit meinen Augen--das erstemal, als ich sie auf der Maskerade sah--wie sie so da stand in ihrer ganzen Jugend, und alles um sie lachte, und gaukelte, und gl?nzte, die roten B?nder an ihrem Kopfschmucke von ihren Wangen die R?te stahlen, die Diamanten aus ihren Augen das Feuer bettelten, und alles um sie her verlosch, und man, wie bei einer g?ttlichen Erscheinung für die ganze Natur, die Sinne verlor, und nur sie und ihre Reize aus der weit verschwundenen Sch?pfung übrig behielt. Und was für ein Herz diese Sch?nheit bedeckt. Jedermann in Turin kennt sie, jedermann spricht von ihr mit Bewunderung und Liebe. Es ist ein Engel, Lord Hot! ich wei? Züge von ihr, die kalte Weltweise haben schaudernd gemacht.--Mein Vater, ich kann noch nicht mit nach England. Ich werde heilen, ich mu? heilen, aber ich mu? mich erst noch erholen, eh ich so stark bin, es selber zu wollen.
LORD. (fa?t ihn an der Hand.) Komm! so bald du vernünftig wirst, wirst du glücklich sein, und mich und uns alle glücklich machen, am meisten aber die, die du anbetest.
ROBERT. (legt beide Arme über einander, den Himmel lang ansehend.) Ich glücklich? (zuckt die Achseln, und geht mit Lord Hot ab.)

Dritter Akt
Erste Szene
(Robert in einem Domino ganz ermüdet nach Hause kommend, und sich in Lehnstuhl werfend. Es ist Mitternacht, mehr gegen die Morgenstunde.)
ROBERT. Sie wollen mich durch Mummereien und Vergnügen durch Raserei wieder zu meinem Verstand bringen. Sie haben recht gehabt, sie haben mich wenigstens so weit gebracht, da? ich durch eine verstellte Gleichgültigkeit ihr Argusauge betrügen, und ihren bittern Sp?ttereien über die sch?nste Torheit meines Lebens ausweichen kann. Ha, unter allen Foltern des Lebens, auf die der Scharfsinn der Menschen gesonnen haben kann, kenn ich keine gr??ere, als zu lieben und ausgelacht zuwerden. Und die Marmorherzen machen ihrem Gewissen diese Peinigung ihrer Nebenmenschen so leicht, weil sie ihnen so wenig Mühe kostet, weil sie ihrem Stolz und eingebildeten Weisheit so sehr schmeichelt, weil sie die schlechteste Erdens?hne mit so geringen Kosten über den würdigsten G?ttersohn hinaus setzt. Ha! sie sollen diese Freude nicht mehr haben.--Mich auslachen!--mich dünkt, ein Teil von dem Hohn f?llt auch auf den Gegenstand zurück, den ich anbete--(springt auf) und das ist ?rger, als wenn Himmel und Erde zusammen fielen, und die G?tter ein Spiel der S?ue würden--Ruhig, Robert! da kommen sie. (wirft sich wieder in den Lehnstuhl und scheint zu schlummern.)
(Lord Hot und Lord Hamilton kommen. Sie habens gesehen, und l?cheln einander zu.)
LORD HOT. Es l??t sich doch zur Besserung mit ihm an.
LORD HAMILTON. Wenn nur ein Mittel w?re, ihm den Geschmack an Wollust und Beh?glichkeit beizubringen; er hat sie noch nie gekostet; und wenn das so fortstürmt in seiner Seele, kann er sie auch nie kosten lernen.
LORD HOT. Wenn ich ihn nur in England h?tte!
LORD HAMILTON. Hier! Hier! Die italienische Augen haben eine gro?e Beredsamkeit, besonders für ein britisches Herz.
ROBERT. (zwischen den Z?hnen.) Der Verr?ter!
LORD HOT. Es tut mir leid, da? ich ihm keine mitgegeben, als er von Hause ging.
LORD HAMILTON. Ich kenne hier eine, die einen Antonius von Padua verführt haben würde. Augen, so jugendlich schmachtend, als Venus zum erstenmal aufschlug, da sie aus dem Meerschaum sich loswand, und die G?tter brünstig vom Himmel zog. Es ist ein so vollkommenes Meisterstück der Natur, da? alle Pinsel unserer Maler an ihr verzweifelt sind. Ihre Arme, ihr Busen, ihr Wuchs, ihre Stellungen--Ach wenn sie sich einladend zurück lehnt, und tausend z?rtliche Regungen den Schnee ihres Busen aufzuarbeiten anfangen-ROBERT. (wirft ihm seine Uhr an den Kopf.) Nichtswürdiger!
LORD HOT. (l?uft ganz erhitzt auf ihn zu, als ob er ihn schlagen wollte.) Nichtswürdiger du selber! Du verdienst, da? man dich in das tiefste Loch unter der Erde steckte.
LORD HAMILTON. (der sich erholt hat, fa?t Lord Hot an.) Geduld, Lord Hot! ich bitte dich. Geduld, Mann! Es wird sich alles von selber geben. Ich billige diese Hitze an Roberten, er hat sie von dir. Du h?ttest es nicht besser gemacht, wenn du in seinen Jahren w?rst--Es wird sich legen, ich versichere dich. Ich hoffe noch die Zeit zu erleben, da Robert über sich lachen wird.
ROBERT. (kniend.) G?tter! (bei?t sich in die H?nde.)
LORD HAMILTON. Wir wollen ihn seinem Nachdenken überlassen, er ist kein Kind mehr. (führt Lord Hot ab.)
ROBERT. Das mein' ich, da? er kein Kind ist. Wie hoch diese Leute über mich sind, wie sie über mich wegschreiten! wie man über eine ver?chtliche Made wegschreitet--Und ihr Vorzug! da? sie kalt sind; da? sie lachen k?nnen, wo ich nicht lachen kann--Nun, es wird sich alles von selbst geben, Robert wird ein gescheuter, vernünftiger Mann werden! Es wird schon kommen, nur Geduld!--Unterdessen (?ffnet ein Fenster und springt heraus.)

Vierter Akt
Erste Szene
(Robert Hot, als ein Savoyard gekleidet, unter dem Fenster der Prinzessin von Carignan in der sch?nsten sternhellen Nacht.)
ROBERT. Hast du kein Mitleiden mit mir, Unbarmherzige? Fühlst du nicht, wer hier herumgeht, so trostlos,
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