Herr Pfäffling eben verwünscht hatte. Der Arzt nahm den Frieder,
der ein wenig ängstlich nach dem Vater hinübersah, auf die Kniee und
redete sehr freundlich mit ihm, während die Eltern auf seine Worte
lauschten. »Wie war denn das mit der Kugel, Frieder? Sage mir's nur
noch einmal ganz genau; weißt du, das muß ich alles erfahren, wenn
ich deine Schwester gesund machen soll. Hast du es denn gesehen, daß
sie die Kugel geschluckt hat? Nein? Aber erzählt hat sie dir's? Was hat
sie denn erzählt?«
»Nur daß die rote Kugel hart schmeckt. Und das weiß man doch nicht,
wie die rote Kugel schmeckt, wenn man sie nicht gegessen hat. Und die
Kugel ist auch nicht mehr da, sieh nur her.« Und Frieder öffnete das
Kästchen. »Fünf müssen es sein, und es sind doch nur vier.« Elschen
fing ängstlich an zu weinen. »Jetzt weint sie,« sagte Frieder und schien
selbst den Tränen nahe, »ich habe sie doch auch nicht verraten wollen.«
»So etwas muß man verraten,« sagte der Arzt, und nun wandte er sich
an die Eltern, die in große Aufregung versetzt waren durch Frieders
Mitteilung. »Wenn es so ist, wie der Kleine sagt, dann kann dem Kind
geholfen werden. Ich bin überzeugt, daß die Sache sich so verhält, denn
nur durch so etwas läßt sich diese Krankheit erklären. Am besten ist es,
ich bringe gleich heute nachmittag einen geschickten Chirurgen mit,
vielleicht ist eine Operation vorzunehmen.« Frau Pfäffling erschrak
darüber. »Unser Frieder ist so ein Dummerle,« sagte sie, »auf seine
Reden hin kann man doch keine Operation vornehmen!«
»Der scheint mir gar kein Dummerle zu sein,« sagte im Fortgehen der
Arzt, »wer weiß, ob Sie ihm nicht das Leben Ihres Kindes verdanken.«
Die Mutter aber traute der Sache noch nicht und sie fing an, nach der
Kugel zu suchen und rief alle Kinder zu Hilfe. In der ganzen Wohnung
wurde aus allen Ecken vorgekehrt, der Vater setzte einen Finderlohn
aus und in jedem Zimmer traf man eines der Kinder der Länge nach auf
dem Boden liegend und unter die Möbel schlupfend, um zu suchen.
Nur Frieder suchte nicht mit, er sah dem Treiben verwundert zu und
sagte nur: »Ich habe schon lange gesucht, da ist unsere rote Kugel nie.«
Am Nachmittag wurde die Kleine so krank und schwach, daß es aussah,
als ob sie den Abend nicht mehr erleben könnte, und so eilte Herr
Pfäffling fort und holte die beiden Ärzte zur Hilfe. Sie kamen, brachten
eine Krankenschwester mit, gingen ins Krankenzimmer und schlossen
die Türe ab -- niemand, nicht einmal die Eltern durften mit ihnen hinein.
Das war nun eine bange Stunde. Die ganze Familie war im
Wohnzimmer beisammen, lauschte auf die Geräusche, die hie und da
aus dem Krankenzimmer über den Vorplatz herübertönten, und wartete.
Der Mutter Auge ruhte auf Frieder. Sollte wirklich gerade dieses Kind,
das kleine, unbeachtete Dummerle, den wahren Grund der Krankheit
gefunden haben? Er saß ganz ruhig mit seinem Büchschen in der Hand
da, während Herr Pfäffling aufgeregt im Zimmer hin und her lief und
das lange Warten kaum ertragen konnte.
Endlich, endlich hörte man, daß die Türe des Schlafzimmers
aufgeschlossen wurde, Herr Pfäffling eilte hinaus in den Vorplatz, die
Mutter ihm nach. Da kamen schon die beiden Ärzte auf sie zu und der
Hausarzt rief ihnen entgegen: »Nun, da hätten wir ja die verlorene
Kugel wieder,« und er hielt hoch in der Hand, daß es alle sehen
konnten, die rote Kugel! Der Mutter stürzten die Tränen aus den Augen.
»Darf ich hinein?« fragte sie und war schon durch die Türe und bei
dem kleinen Liebling, ehe sie Antwort bekommen hatte. Das Kind lag
bleich in seinem Bettchen und erkannte die Mutter nicht, aber die
Krankenschwester sagte zu der besorgten Mutter: »Seien Sie nur ganz
getrost, es ist so gut gegangen, die Ärzte sind ganz zufrieden.«
Leise, leise schlichen sich allmählich alle Kinder herein, während
draußen die Ärzte mit dem Vater sprachen. Die großen Brüder, die
Zwillingsschwestern, jedes wollte das Elschen sehen. Da konnte der
kleine Frieder nicht beikommen und das Schwesterchen nicht sehen. Er
wollte hinausschlüpfen, aber die Herren standen unter der Türe. Der
Arzt bemerkte ihn. »Das ist der Kleine,« sagte er zu dem Chirurgen,
»ein kluges, aufmerksames Kind, dem verdankt die kleine Schwester
gewissermaßen das Leben.« »Ja,« sagte Herr Pfäffling, »das kommt
daher, daß er sein Schwesterchen so lieb hat, er ist sonst nicht der
Klügste, da muß die Liebe den schlummernden Verstand geweckt
haben.« Die Geschwister alle hörten das, sie wandten sich Frieder zu
und sahen ihn staunend an. Dieser selbst beachtete das nicht, er hatte
ein anderes Anliegen, und da er sah, daß die Ärzte ihn freundlich
anblickten, wagte er es vorzubringen. Er streckte das Büchslein hin, in
dem die vier Kugeln waren und sagte: »Da herein gehört die rote
Kugel!«
Das Elschen erholte sich so schnell, daß es schon nach

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