aber von den
andern Geschwistern wollte sie nichts wissen. So ließ ihn die Mutter
manchmal allein am Bett, wenn sie selbst nach der Haushaltung sehen
mußte, die zwei hatten sich ja so lieb. Vater Pfäffling ging unruhig im
Haus herum, an seine Reise dachte er schon fast nicht mehr, so groß
war die Sorge um das Kind.
Eben war der Arzt wieder dagewesen. »Wenn ich nur erst herausfände,
was dem Kinde fehlte,« sagte er, »aber so kann ich ihm gar nicht
helfen.« Die Eltern begleiteten ihn hinaus und Frieder stand am Bett.
Die kleine Schwester sah ihn an und streckte ihm die Händchen hin.
»Elschen,« sagte er schmeichelnd, »willst du unsre schönen
Glaskugeln?« und er schüttelte ein wenig das Büchschen, in dem dieses
ihr gemeinsames Lieblingsspiel verwahrt war.
»Nein, nein, nein!« rief die Kleine mit ungewohnter Heftigkeit und
streckte ihre Hände wie abwehrend gegen das Büchschen, und als
Frieder es schnell beiseite legte, flüsterte sie ihm ganz leise zu: »Die
rote Kugel schmeckt so hart.« Dann legte sie sich auf die Seite und
schloß die Augen. Frieder blieb ganz still bei ihr stehen. Zuerst kam es
ihm komisch vor, daß Elschen so etwas Dummes sagen konnte. Wer
weiß denn, wie Kugeln schmecken! Frieder war kein großer Denker,
aber nach einer Stunde war er doch mit seinen Gedanken so weit
gekommen, daß er sich sagte: »Die rote Kugel ist nicht im Büchschen,
vielleicht hat das Elschen sie gegessen.« Und nun fing er an, im
Zimmer nach der Kugel zu suchen, ob sie nicht doch irgendwo lag. So
trafen ihn die Eltern, gerade als er mit einem Stecken unter der
Kommode herumfuhr und damit einigen Lärm machte.
»Ruhig, ruhig,« wehrte die Mutter, und der Vater, der immer neben der
Sorge auch ein wenig Ärger empfand wegen seiner mißlungenen Reise,
fuhr ihn ungeduldig an: »Geh doch hinaus zu den andern, was treibst
du denn da?« »Ich muß die rote Kugel suchen, denn -- --.« »Geh hinaus
mit deinen Kugeln! Wenn du nicht still bei Elschen bleiben kannst,
dann darfst du auch nicht mehr zu ihr,« und unsanft wurde der Kleine
zur Türe hinausgeschoben.
Da ging er hinunter auf den Holzplatz, setzte sich auf einen Balken und
dachte an sein Schwesterchen. Nach und nach wurde ihm alles klar: die
rote Kugel war am Sonntag noch in der Büchse gewesen, dann war das
Elschen krank geworden und seitdem war die Kugel weg. Und wenn
das Elschen sie nicht gegessen hätte, dann wüßte es doch nicht, daß sie
hart schmeckt. Und das hatte sie ihm deshalb ganz leise gesagt, damit
es die Eltern nicht hörten, denn so eine schöne Glaskugel essen ist
schade, da wird man gezankt. Der Bruder wollte auch seine Schwester
nicht verraten, damit sie nicht gezankt würde, er sagte zu niemand ein
Wort.
Am nächsten Morgen hatte er sich doch wieder an Elschens Bett
gemacht. Die Eltern beachteten ihn nicht und sprachen miteinander. Sie
erwarteten den Arzt. »Wenn er nun gar nicht herausbringt, was dem
Kind fehlt,« sagte Vater Pfäffling, »dann müssen wir doch einen andern
Arzt dazu holen.« »O ja, bitte,« sagte die Mutter, »laß ihn holen, ehe es
zu spät ist, heute nacht habe ich schon gemeint, sie stirbt mir« -- und
die Mutter weinte. Daß seine Schwester sterben könnte, daran hatte
Frieder noch gar nicht gedacht, und mit einemmal wurde es ihm ganz
klar, daß er nicht verschweigen dürfe, was er wußte, lieber Elschen
verraten als sie sterben lassen. Da klingelte schon der Arzt. »Mutter,«
fing Frieder an, »du weißt doch, daß wir so eine rote Kugel haben --.«
Aber die Mutter fiel ihm ins Wort: »Aber Frieder, meinst du denn,
wenn das Schwesterchen so krank ist, will man etwas von deinen
Kugeln wissen?«
Der Arzt kam und untersuchte die kleine Kranke. Unterdessen näherte
sich Frieder dem Vater. »Vater,« begann er leise, »Vater, wir haben
doch eine rote Kugel gehabt und -- --« »O du mit deinen verwünschten
Kugeln!« rief Herr Pfäffling so laut und ärgerlich, daß das kranke Kind
erschreckt und der Arzt erstaunt herüber blickte und sagte: »Es wird
immerhin besser sein, wenn die Kinder nicht im Krankenzimmer sind,«
und Vater Pfäffling machte die Türe auf und wies mit strenger Miene
dem Frieder den Weg. Der aber, der sonst nie wagte, ungehorsam zu
sein, schlüpfte an der Türe vorbei zum Arzt, der über das Bett der
Kleinen gebeugt stand und sie behorchte. Er schlang beide Arme um
den Hals des Arztes und flüsterte ihm ganz leise zu: »Die rote Kugel
hat das Elschen gegessen, ja, und darum ist sie krank.«
Die Eltern hatten nicht verstanden, was Frieder leise gesagt hatte, und
so sahen sie mit Staunen, daß der Doktor sich von der kleinen Kranken
weg eifrig dem Frieder zuwandte und nun, wahrhaftig -- sie hörten es
ganz deutlich -- fing auch der Doktor an, von den Kugeln zu sprechen,
die

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