Das kleine Dummerle | Page 8

Agnes Sapper
stand am Bett. Die kleine Schwester sah ihn an und streckte ihm die H?ndchen hin. ?Elschen,? sagte er schmeichelnd, ?willst du unsre sch?nen Glaskugeln?? und er schüttelte ein wenig das Büchschen, in dem dieses ihr gemeinsames Lieblingsspiel verwahrt war.
?Nein, nein, nein!? rief die Kleine mit ungewohnter Heftigkeit und streckte ihre H?nde wie abwehrend gegen das Büchschen, und als Frieder es schnell beiseite legte, flüsterte sie ihm ganz leise zu: ?Die rote Kugel schmeckt so hart.? Dann legte sie sich auf die Seite und schlo? die Augen. Frieder blieb ganz still bei ihr stehen. Zuerst kam es ihm komisch vor, da? Elschen so etwas Dummes sagen konnte. Wer wei? denn, wie Kugeln schmecken! Frieder war kein gro?er Denker, aber nach einer Stunde war er doch mit seinen Gedanken so weit gekommen, da? er sich sagte: ?Die rote Kugel ist nicht im Büchschen, vielleicht hat das Elschen sie gegessen.? Und nun fing er an, im Zimmer nach der Kugel zu suchen, ob sie nicht doch irgendwo lag. So trafen ihn die Eltern, gerade als er mit einem Stecken unter der Kommode herumfuhr und damit einigen L?rm machte.
?Ruhig, ruhig,? wehrte die Mutter, und der Vater, der immer neben der Sorge auch ein wenig ?rger empfand wegen seiner mi?lungenen Reise, fuhr ihn ungeduldig an: ?Geh doch hinaus zu den andern, was treibst du denn da?? ?Ich mu? die rote Kugel suchen, denn -- --.? ?Geh hinaus mit deinen Kugeln! Wenn du nicht still bei Elschen bleiben kannst, dann darfst du auch nicht mehr zu ihr,? und unsanft wurde der Kleine zur Türe hinausgeschoben.
Da ging er hinunter auf den Holzplatz, setzte sich auf einen Balken und dachte an sein Schwesterchen. Nach und nach wurde ihm alles klar: die rote Kugel war am Sonntag noch in der Büchse gewesen, dann war das Elschen krank geworden und seitdem war die Kugel weg. Und wenn das Elschen sie nicht gegessen h?tte, dann wü?te es doch nicht, da? sie hart schmeckt. Und das hatte sie ihm deshalb ganz leise gesagt, damit es die Eltern nicht h?rten, denn so eine sch?ne Glaskugel essen ist schade, da wird man gezankt. Der Bruder wollte auch seine Schwester nicht verraten, damit sie nicht gezankt würde, er sagte zu niemand ein Wort.
Am n?chsten Morgen hatte er sich doch wieder an Elschens Bett gemacht. Die Eltern beachteten ihn nicht und sprachen miteinander. Sie erwarteten den Arzt. ?Wenn er nun gar nicht herausbringt, was dem Kind fehlt,? sagte Vater Pf?ffling, ?dann müssen wir doch einen andern Arzt dazu holen.? ?O ja, bitte,? sagte die Mutter, ?la? ihn holen, ehe es zu sp?t ist, heute nacht habe ich schon gemeint, sie stirbt mir? -- und die Mutter weinte. Da? seine Schwester sterben k?nnte, daran hatte Frieder noch gar nicht gedacht, und mit einemmal wurde es ihm ganz klar, da? er nicht verschweigen dürfe, was er wu?te, lieber Elschen verraten als sie sterben lassen. Da klingelte schon der Arzt. ?Mutter,? fing Frieder an, ?du wei?t doch, da? wir so eine rote Kugel haben --.? Aber die Mutter fiel ihm ins Wort: ?Aber Frieder, meinst du denn, wenn das Schwesterchen so krank ist, will man etwas von deinen Kugeln wissen??
Der Arzt kam und untersuchte die kleine Kranke. Unterdessen n?herte sich Frieder dem Vater. ?Vater,? begann er leise, ?Vater, wir haben doch eine rote Kugel gehabt und -- --? ?O du mit deinen verwünschten Kugeln!? rief Herr Pf?ffling so laut und ?rgerlich, da? das kranke Kind erschreckt und der Arzt erstaunt herüber blickte und sagte: ?Es wird immerhin besser sein, wenn die Kinder nicht im Krankenzimmer sind,? und Vater Pf?ffling machte die Türe auf und wies mit strenger Miene dem Frieder den Weg. Der aber, der sonst nie wagte, ungehorsam zu sein, schlüpfte an der Türe vorbei zum Arzt, der über das Bett der Kleinen gebeugt stand und sie behorchte. Er schlang beide Arme um den Hals des Arztes und flüsterte ihm ganz leise zu: ?Die rote Kugel hat das Elschen gegessen, ja, und darum ist sie krank.?
Die Eltern hatten nicht verstanden, was Frieder leise gesagt hatte, und so sahen sie mit Staunen, da? der Doktor sich von der kleinen Kranken weg eifrig dem Frieder zuwandte und nun, wahrhaftig -- sie h?rten es ganz deutlich -- fing auch der Doktor an, von den Kugeln zu sprechen, die Herr Pf?ffling eben verwünscht hatte. Der Arzt nahm den Frieder, der ein wenig ?ngstlich nach dem Vater hinübersah, auf die Kniee und redete sehr freundlich mit ihm, w?hrend die Eltern auf seine Worte lauschten. ?Wie war denn das mit der Kugel, Frieder? Sage mir's nur noch einmal ganz genau; wei?t du, das mu? ich alles erfahren, wenn ich deine Schwester gesund machen soll. Hast du es denn gesehen, da? sie die Kugel geschluckt hat? Nein? Aber erz?hlt hat sie dir's? Was hat sie denn erz?hlt??
?Nur da? die rote Kugel hart schmeckt. Und das
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