Das Maerchen von dem Myrtenfraeulein | Page 3

Clemens Brentano
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ETEXTS*Ver.04.29.93*END*

Das Märchen von dem Myrtenfräulein
Clemens Brentano

Im sandigen Lande, wo nicht viel Grünes wächst, wohnten einige
Meilen von der prozellanenen Hauptstadt, wo der Prinz Wetschwuth
residierte, ein Töpfer und seine Frau mitten auf ihrem Tonfeld neben
ihrem Töpferofen, beide ohne Kinder, einsam und allein. Das Land war
ringsum so flach wie ein See, kein Baum und Busch war zu sehen, und
es war gar betrübt und langweilig. Täglich beteten die guten Leute zum
Himmel, er möge ihnen doch ein Kind bescheren, damit sie eine
Unterhaltung hätten, aber der Himmel erhörte ihre Wünsche nicht. Der
Töpfer verzierte alle seine Gefäße mit schönen Engelsköpfen, und die
Töpferin träumte alle Nacht von grünen Wiesen und anmutigen
Gebüschen und Bäumen, bei welchen Kinder spielten; denn wonach
das Herz sich sehnt, das hat man immer vor Augen.
Einstens hatte der Töpfer seiner Frau zwei schöne Werke auf ihrem
Geburtstag verfertigt, eine wunderschöne Wiege von dem weißesten
Ton, ganz mit goldenen Engelsköpfen und Rosen verziert, und ein

großes Gartengefäß von rotem Ton, rings mit bunten Schmetterlingen
und Blumen bemalt. Sie machte sich ein Bettchen in die Wiege und
füllte das Gartengefäß mit der besten Erde, die sie selbst stundenweit in
ihrer Schürze dazu herbeitrug, und so stellte sie die beiden Geschenke
neben ihre Schlafstelle, in beständiger Hoffnung, der Himmel werde ihr
ihre Bitte gewähren; und so betete sie auch einst abends von ganzer
Seele:
Herr, ich flehe auf den Knien, Schenke mir ein liebes Kind, Fromm
will ich es auferziehen: Ists ein Mägdlein, daß es spinnt Einen klaren
reinen Faden Und dabei hübsch singt und betet; Ists ein Sohn durch
deine Gnaden, Daß er kluge Dinge redet Und ein Mann wird treu von
Worten, Stark von Willen, kühn von Tat, Der geehrt wird aller Orten,
Wie im Kampfe, so im Rat. Herr! bereitet ist die Wiege, Gib, daß mir
ein Kind drin liege! Ach, und sollte es nicht sein, Gib mir doch nur eine
Wonne, Wärs auch nur ein Bäumelein, das ich in der lieben Sonne
Könnte ziehen, könnte pflegen, Daß ich mich mit meinem Gatten Einst
im selbsterzognen Schatten Unter ihm ins Grab könnt legen.
So betete die gute Frau unter Tränen und ging zu Bett. In der Nacht war
ein schweres Gewitter, es donnerte und blitzte, und einmal fuhr ein
heller Glanz durch die Schlafkammer. Am andern Morgen war das
schönste Wetter, ein kühler Wind wehte durch das offene Fenster, und
die gute Töpferin lag in einem süßen Traum, als sitze sie unter einem
schönen Myrtenbaum bei ihrem lieben Manne. Da
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