Das Mädchen von Treppi | Page 2

Paul Heyse
aßen, wurde kein Wort laut;
die Flamme knisterte, der Hund stöhnte heiser aus dem Schlaf, das

ernsthafte Mädchen saß auf den Steinplatten des Herdes, ließ das
Schüsselchen mit der Polenta, das ihr die Magd besonders hingestellt
hatte, unberührt und sah in der Halle umher, ohne Gedanken in sich
versunken. Vor der Tür stand der Nebel jetzt schon wie eine weiße
Wand. Aber zugleich ging der halbe Mond eben hinter dem Rand des
Felsens in die Höhe.
Da kam es wie Hufschlag und Menschentritte die Straße
herauf.--"Pietro!" rief die junge Hausherrin mit ruhig erinnerndem Ton.
Ein langer Bursch stand augenblicklich vom Tisch auf und verschwand
im Nebel.
Man hörte jetzt die Schritte und Stimmen näher, endlich hielt das Pferd
am Hause. Noch eine Weile, dann erschienen drei Männer unter der
Tür und traten mit kurzem Gruß ein. Pietro näherte sich dem Mädchen,
das teilnahmlos in die Flamme sah. "Es sind zwei von Porretta", sagte
er ihr, "Ohne Waren; sie führen einen Signore über die Berge, der seine
Pässe nicht in Ordnung hat."
"Nina!" rief das Mädchen. Die alte Magd stand auf und kam an den
Herd.
"Das ist's nicht allein, daß sie essen wollen, Padrona", fuhr der Bursch
fort. "Ob der Herr ein Lager haben kann für die Nacht. Er will nicht
weiter vor Tagesanbruch."
"Mach ihm eine Streu in der Kammer." Pietro nickte und ging wieder
an den Tisch.
Die drei hatten Platz genommen, ohne daß die Knechte sie einer
besondern Aufmerksamkeit würdigten. Es waren zwei Contrabbandieri,
wohlbewaffnet, die Jacken leicht übergeworfen, die Hüte tief über die
Stirn gedrückt. Sie nickten den andern zu wie guten Bekannten, und
nachdem sie ihrem Begleiter einen guten Platz eingeräumt hatten,
schlugen sie das Kreuz und aßen.
Der Signore, der mit ihnen gekommen, aß nicht. Er nahm den Hut von
der hohen Stirn, strich mit der Hand durchs Haar und ließ die Augen
über den Ort und die Gesellschaft schweifen. An den Wänden las er die
mit Kohle gemalten, frommen Sprüche, sah im Winkel das
Madonnenbild mit dem Lämpchen, daneben die Hühner, die auf der
Stange schliefen, dann die Maiskolben, die, auf Schnüre gereiht, an der
Decke hingen, ein Brett mit Krügen und Korbflaschen,
übereinandergeschichtete Felle und Körbe. Das Mädchen am Herd

fesselte endlich seine unruhigen Augen. Das dunkle Profil zeichnete
sich streng und schön gegen das flackernde Rot des Herdfeuers, ein
großes Nest schwarzer Flechten lag tief auf dem Nacken, die Hände
hatte sie ineinanderverschränkt auf das eine Knie gelegt, während der
andere Fuß auf dem Felsboden des Gemachs ruhte. Wie alt sie sein
mochte, konnte er nicht erraten. Doch sah er an ihrem Gebaren, daß sie
die Wirtin des Hauses war.
"Habt Ihr Wein im Hause, Padrona?" fragte er endlich. Er hatte diese
Worte kaum gesagt, als das Mädchen wie vom Blitz gestreift
emporfuhr und aufrecht neben dem Herde stand, mit beiden Armen sich
auf die Platten stützend. In demselben Augenblick fuhr der Hund aus
dem Schlafe auf. Ein wildes Murren brach aus seiner keuchenden Brust
vor. Der Fremde sah plötzlich vier funkelnde Augen auf sich gerichtet.
"Darf man nicht fragen, ob Ihr Wein im Hause habt, Padrona?"
wiederholte er jetzt. Noch aber hatte er das letzte Wort nicht geendet,
als der Hund in unerklärlicher Wut laut heulend auf ihn zusprang, ihm
den Mantel mit den Zähnen von der Schulter riß und von neuem gegen
ihn losgesprungen wäre, wenn nicht ein scharfer Ruf seiner Herrin ihn
gebändigt hätte.
"Zurück, Fuoco, zurück! Friede, Friede!"--Der Hund stand mitten im
Zimmer, heftig mit dem Schweife schlagend, den Fremden unverwandt
im Auge.--"Schließ ihn in den Stall, Pietro!" sagte das Mädchen
halblaut. Sie stand noch immer wie erstarrt am Herde und wiederholte
den Befehl, als Pietro zauderte. Denn seit langen Jahren war der
nächtliche Platz des alten Tiers neben dem Herde gewesen. Die
Knechte flüsterten untereinander, der Hund folgte widerwillig, und sein
Heulen und Winseln drang schauerlich von draußen herein, bis es vor
Erschöpfung nachzulassen schien.
Indessen hatte die Magd auf einen Wink der Wirtin Wein gebracht. Der
Fremde trank, reichte den Becher seinen Begleitern und sann im stillen
über den wunderlichen Aufruhr nach, den er unwissentlich angestiftet.
Ein Knecht nach dem andern legte den Löffel nieder und ging mit
einem "Gute Nacht, Padrona!" hinaus. Zuletzt waren die drei mit der
Wirtin und der alten Magd allein.
"Die Sonne geht um vier Uhr auf", sagte der eine Schmuggler halblaut
zu dem Fremden. "Eccellenza braucht nicht früher aufzubrechen, um
bei guter Zeit in Pistoja zu sein. Es ist auch wegen des Pferdes, das

seine sechs Stunden stehen muß."
"Es ist gut, meine Freunde. Geht und schlaft!"
"Wir werden Euch wecken, Eccellenza."
"Auf alle Fälle", erwiderte der Fremde. "Obwohl die Madonna weiß,
daß ich nicht oft sechs Stunden in einem Strich schlafe. Gute Nacht,
Carlone; gute Nacht, Meister Giuseppe!"
Die Leute rückten ehrerbietig die Hüte und standen auf. Der eine ging
nach
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