Das Mädchen von Treppi | Page 9

Paul Heyse
blendete ihn. Im h?chsten Zorn auf die Contrabbandieri, seinen Schlaf und vor allem auf das M?dchen, dem er diese Hinterlist zuschreiben mu?te, ging er augenblicklich nach der Tür, deren Riegel jetzt einem besonnenen Druck leicht nachgab, und trat in das Nebengemach.
Er traf Fenice allein, gelassen am Herde sitzend, als habe sie ihn l?ngst erwartet. Aus ihrem Gesicht war jede Spur der gestrigen Stürme verschwunden, ja sogar keine Regung der Trauer und kein Zug einer gewaltsamen Fassung begegnete seinem finstern Auge.
"Du hast es veranstaltet, da? ich die Stunde verschlafen mu?te", herrschte er sie an.
"Ja", sagte sie gleichgültig. "Ihr waret müde. Ihr kommt immer noch früh genug nach Pistoja, wenn Ihr am Nachmittag erst den M?rdern begegnen mü?t."
"Ich hatte dich nicht gehei?en, um meine Müdigkeit besorgt zu sein. Dr?ngst du dich noch immer an mich an? Es soll dir nichts helfen, M?dchen. Wo sind meine Leute?"
"Fort."
"Fort? willst du mich narren? Wo sind sie? T?rin, als ob sie fortgingen, ehe ich sie bezahlt habe!" Und er schritt rasch auf die Tür zu, um hinauszugehn.
Fenice blieb unbeweglich sitzen und sagte in demselben harmlosen Ton: "Ich habe sie bezahlt. Ich sagte ihnen, da? Ihr Schlaf brauchtet und dann, da? ich selbst Euch hinunterbegleiten würde; denn der Weinvorrat ist zu Ende und ich mu? neuen kaufen, eine Stunde vor Pistoja."
Der Zorn verwehrte ihm einen Augenblick zu sprechen. "Nein", brach er endlich heraus, "mit dir nicht, mit dir nimmermehr! Heimtückische Schlange! Es ist l?cherlich, da? du noch immer denkst, mit deinen glatten Windungen mich umstricken zu k?nnen. Nun sind wir v?lliger geschieden als je. Ich verachte dich, da? du mich für bl?de und armselig genug h?ltst, mit diesen kleinen Künsten es mir abgewinnen zu k?nnen. Mit dir geh ich nicht! Gib mir einen deiner Knechte mit und da--mache dich bezahlt für deine Auslagen an die Contrabbandieri."
Er warf ihr eine B?rse hin und ?ffnete die Tür, selbst jemand zu suchen, der ihn hinunterführte. "Macht Euch keine Mühe", sagte sie, "Ihr findet von den Knechten keinen, sie sind alle in die Berge. Auch sonst ist in Treppi niemand, der Euch dienen k?nnte. Arme gebrechliche Mütterchen, Greise und Kinder, die noch gehütet werden. Wenn Ihr mir nicht glaubt--seht nach!"
"Und überhaupt", fuhr sie fort, als er unentschlossen in Grimm und ?rger auf der Schwelle stand und ihr den Rücken zugekehrt hatte, "warum dünkt es Euch so unm?glich und gef?hrlich, wenn ich Euch führe? Ich habe die Nacht Tr?ume gehabt, aus denen ich sehe, da? Ihr nicht für mich seid. Es ist wahr, ich habe Euch noch immer ein wenig gern und es wird mir Freude machen, noch ein paar Stunden mit Euch zu plaudern. Mu? ich Euch darum nachstellen? Ihr seid frei, von mir zu gehn auf immer, wohin Ihr wollt, in den Tod oder ins Leben. Nur, da? ich es so eingerichtet habe, da? ich noch eine Strecke neben Euch hergehe. Ich will Euch zuschw?ren, wenn Euch das beruhigen kann, da? es nur eine Strecke sein wird, beileibe nicht bis Pistoja. Nur so lange, bis Ihr den rechten Weg habt. Denn wenn Ihr auf Eure eigne Hand fortginget, verstieget Ihr Euch bald, da? Ihr weder vor noch zurück k?nntet. Ihr mü?t das ja noch wissen von Eurer ersten Reise durch die Berge."
"Pest!" murmelte er und bi? sich die Lippen. Er sah indes, wie die Sonne stieg, und alles wohl erwogen,--was hatte er im Grunde Ernstliches zu besorgen? Das Ernstlichste wollte er sich nicht gestehen. Er wandte sich zu ihr um und glaubte von dem gleichmütigen Blick ihrer gro?en Augen Zeugnis annehmen zu dürfen, da? keinerlei Falsch hinter ihren Worten sei. Sie schien ihm wirklich seit gestern eine ganz andere geworden zu sein, und fast mischte sich ein Gefühl von Unzufriedenheit in sein Staunen, da er sich sagen mu?te, da? der gestrige Anfall von schmerzlicher Leidenschaft so bald und spurlos vorübergegangen sei. Er sah sie l?nger an, aber sie gab schlechterdings zu keinem Argwohn Anla?.
"Wenn du denn so vernünftig geworden bist", sagte er jetzt trocken, "so mag es sein, so komm!"
Ohne eine sonderliche ?u?erung der Freude stand sie auf und sagte: "Wir wollen erst essen; auf Stunden finden wir nichts." Sie stellte ihm eine Schüssel hin und einen Krug und a? dann selbst, am Herde stehend, aber von dem Wein geno? sie keinen Tropfen. Er dagegen, um es abzumachen, a? einige L?ffel voll, stürzte den Wein hinunter und zündete an den Kohlen des Herdes seine Zigarre an. W?hrenddessen hatte er ihr keinen Blick geg?nnt und als er nun zuf?llig, da er ihr nahe stand, sie ansah, war eine wunderliche R?te auf ihren Wangen und etwas wie Triumph in den Augen. Sie stand rasch auf, ergriff den Krug und zerschellte ihn mit einem Wurf gegen den Steinboden. "Es soll keiner mehr daraus trinken", sagte sie, "seit Eure Lippen daran gehangen!"
Betroffen fuhr er auf, ein Argwohn stand eine Sekunde lang vor seinem Geist:
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 20
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.