Das Mädchen von Treppi | Page 8

Paul Heyse
in ihm stürmte. Ein paarmal hob er schon den Fu?, um wieder hinauszueilen und ihr zu sagen, da? er ihr nur weh getan habe, um sie zu heilen. Dann stampfte er gegen den Boden, unmutig über seine weichherzige Regung. "Es ist das einzige, was bleibt", sprach er für sich, "wenn Schuld und Fluch nicht noch wachsen sollen. Sieben Jahre, armes Kind! "--Ein starker Kamm, mit kleinen Metallstückchen verziert, lag auf dem Tischchen, den nahm er mechanisch in die Hand. Das volle Haar kam ihm dabei wieder in den Sinn, der stolze Nacken, auf dem es lag, die edle Stirn, um die es sich ringelte, und die br?unliche Wange. Er warf endlich den Versucher in die Lade, worin er saubere R?cke, Kopftücher und allerlei kleine Schmuckstücke ordentlich zusammen verwahrt sah. Langsam lie? er den Deckel wieder fallen, und ging nun an die Mauerlücke und sah hinaus.
Die Kammer lag an der hintern Seite des Hauses und keine der andern Hütten von Treppi wehrte ihm die Aussicht über das zerklüftete Hochland. Gegenüber, hinter der Schlucht aufsteigend, der nackte Felsrücken, vom Monde angeschienen, der jetzt über dem Hause stehen mu?te. Seitw?rts sah er einige Schuppen, an denen der Weg vorüber in die Tiefe führte. Eine verlorene kleine Fichte mit kahlen Zweigen wurzelte zwischen dem Gestein, sonst bedeckte den Boden nur Heidekraut und hie und da ein kümmerlicher Busch.--"Hier ist freilich kein Ort", sagte er im stillen, "zu vergessen, was man geliebt hat.--Ich wollte, es w?re anders! Ja ja, sie w?re am Ende die rechte Frau für mich gewesen, die mich mehr geliebt h?tte, als Putz und Spazierengehen und das Geflüster der Stutzer. Was für Augen mein alter Marco machen würde, wenn ich pl?tzlich mit einer sch?nen Frau von der Reise zurückk?me! Man brauchte nicht einmal die Wohnung zu ?ndern, die vielen ?den Winkel waren ohnehin unheimlich. Und mir altem Gr?mler würde es zuweilen gut sein, ein lachendes Kind--aber Torheit, Torheit, Filippo! Was soll das arme Ding als Witwe in Bologna! Nein, nein! nichts davon! Keine neue Sünde auf die alte h?ufen! Ich will eine Stunde früher die Leute wecken und mich fortstehlen, ehe ein Mensch in Treppi wacht."
Eben wollte er das Fenster verlassen, und die vom langen Ritt ermüdeten Glieder aufs Lager strecken, als er eine weibliche Gestalt aus dem Schatten des Hauses in den Mondschein vortreten sah. Sie blickte nicht um, aber es blieb ihm kein Zweifel, da? es Fenice war. Sie entfernte sich vom Hause auf dem Wege, der in die Schlucht hinunterführte, mit ruhigen gro?en Schritten. Ein Schauder überlief ihm die Haut, denn im selben Augenblick fuhr ihm der Gedanke in den Kopf: sie will sich ein Leid antun. Ohne Besinnung sprang er nach der Tür und zerrte gewaltsam an dem Riegel. Aber das alte rostige Eisen hatte sich so eigensinnig in die Klammer vertieft, da? er vergebens alle Kraft aufbot. Ein kalter Schwei? trat ihm vor die Stirn, er schrie, rüttelte und stie? mit F?usten und Fü?en gegen die Tür und bezwang sie nicht. Endlich lie? er ab und stürzte wieder an die Fensterlücke. Schon gab der eine Stein seinem Wüten nach, da pl?tzlich sah er die Gestalt des M?dchens wieder auftauchen auf dem Wege und sich der Hütte zuwenden. Sie trug etwas in der Hand, das er bei dem unsichern Licht nicht erkennen konnte, nur ihr Gesicht sah er deutlich, das war ernsthaft und gedankenvoll, aber ohne Leidenschaft. Keinen Blick warf sie auf sein Fenster und verschwand wieder im Schatten.
Noch stand er und atmete tief nach der Angst und Anstrengung, da vernahm er gro?en L?rm, der von dem alten Hunde herzurühren schien, doch kein Bellen oder Winseln. Das R?tsel beklemmte ihn immer unheimlicher; er bog den Kopf weit zu der ?ffnung hinaus, konnte aber nichts sehen als die regungslose Nacht im Gebirge. Auf einmal erscholl ein kurzes scharfes Heulen, darauf ein tieferschütterndes St?hnen des Hundes und dann, solange und ?ngstlich er hinhorchte, kein Laut mehr die ganze Nacht, als da? noch einmal die Tür des Gemachs nebenan klappte und Fenices Schritte über den Steinboden sich vernehmen lie?en. Umsonst stand er lange an der verriegelten Tür, horchte erst, bat und fragte dann und beschwor das M?dchen nur um ein kurzes Wort--es blieb still nebenan. Er warf sich nun auf das Bett, wie im Fieber und lag wachend und sinnend, bis endlich eine Stunde nach Mitternacht der Mond unterging, und die Ermüdung über seine tausend wogenden Gedanken Herr wurde.
Eine D?mmerung war um Filippo, als ihn der Schlaf verlie?; doch als er seine Sinne v?llig ermuntert und sich vom Bett aufgerichtet hatte, ward er wohl inne, da? es nicht ein Zwielicht wie vor Sonnenaufgang war. Von einer Seite her traf ihn ein schwacher Sonnenstrahl und bald sah er, da? die Mauerlücke, die er vor dem Einschlafen offengelassen, dennoch fest mit Gestrüpp verstopft worden war. Er stie? es hinaus, und die volle Morgensonne
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