Das Mädchen von Treppi | Page 4

Paul Heyse
sprang und mit jeder Hand einen Stein aufhob, da? ich kaum ungesteinigt davonkam. Wenn du jenes M?dchen bist, wie kannst du von deiner alten Liebe zu mir reden?"
"Ich war funfzehn Jahr', Filippo, und sch?mte mich sehr. Ich war immer so trotzig gewesen und allein, und wu?te mich nicht auszudrücken. Und dann hatte ich Furcht vor den Eltern, die lebten damals noch, wie Ihr wissen werdet. Mein Vater hatte die vielen Hirten und Herden, und hier die Schenke. Es ist seitdem nicht viel anders geworden. Nur, da? er nicht mehr hier schaltet und schilt--seine Seele sei im Paradiese! Und vor der Mutter sch?mte ich mich am meisten. Wi?t Ihr noch, gerade an demselben Fleck sa?et Ihr damals, Ihr lobtet noch den Wein, den wir von Pistoja hatten. Mehr h?rte ich nicht, die Mutter sah mich scharf an, da ging ich hinaus und stellte mich hinter das Fenster, um Euch noch betrachten zu k?nnen. Ihr waret jünger, natürlich, aber nicht sch?ner. Ihr habt noch heut dieselben Augen, mit denen Ihr damals gewinnen konntet, wen Ihr wolltet; und dieselbe dunkle Stimme, die den Hund so aufbrachte vor Eifersucht, armes Tier! Bisher hatte ich ihn allein geliebt. Er merkte wohl, da? ich Euch mehr liebte, er merkte es besser als Ihr selbst.
"Richtig", sagte er, "er war in jener Nacht wie unsinnig. Eine wunderliche Nacht! Du hattest mir's doch sehr angetan, Fenice. Ich wei?, da? ich keine Ruhe hatte, als du gar nicht wieder ins Haus zurückkommen wolltest, da? ich aufstand und dich drau?en suchte. Dein wei?es Kopftuch sah ich, und dann nichts mehr von dir, denn du sprangst in die Kammer neben dem Stall."
"Das war meine Schlafkammer, Filippo. Da durftet Ihr doch nicht hinein."
"Aber ich wollt' es. Ich wei? noch, wie lange ich stand und pocht' und bettelte, der schlechte Gesell, der ich war, und meinte, der Kopf müsse mir springen, wenn ich dich nicht noch einmal s?he."
"Der Kopf? Nein, das Herz, sagtet Ihr. Ich wei? sie noch alle wohl, die Worte, alle!"
"Und wolltest doch damals nichts von ihnen wissen."
"Mir war zumut wie zum Sterben. Ich stand im hintersten Winkel und dachte, wenn ich mir nur das Herz fassen k?nnte, an die Tür zu schleichen, den Mund an die Spalte zu legen, durch die Ihr spracht, da? ich den Hauch empfunden h?tte."
"T?richte verliebte Jugend! W?re deine Mutter nicht gekommen, ich st?nde wohl noch da; du h?ttest denn inzwischen aufgemacht. Ich sch?me mich jetzt beinahe, wie ich im hellen ?rger und Grimm davonging und die Nacht hindurch einen langen Traum von dir hatte."
"Ich habe im Finstern gesessen und gewacht", sagte sie. "Gegen Morgen überfiel mich ein Schlaf, und als ich auffuhr und in die Sonne sah--wo wart Ihr? Es sagte mir's keiner und fragen konnt' ich nicht. Ich hatte einen solchen Ha?, ein menschliches Gesicht zu sehen, als h?tten sie Euch umgebracht, damit ich Euch nur nicht mehr s?he. Ich lief fort, wie ich ging und stand, die Berge auf und ab, zuweilen schrie ich nach Euch, zuweilen verwünschte ich Euch, denn um Euch konnte ich nun keinen Menschen mehr lieben. Am Ende kam ich unten in der Ebene an, da erschrak ich und kehrte wieder um. Zwei Tage war ich weg gewesen. Der Vater schlug mich, als ich wiederkam, und die Mutter sprach nicht mit mir. Sie wu?ten wohl, warum ich weggelaufen war. Nur der Hund war mit mir gewesen, der Fuoco; aber wenn ich Euern Namen rief in der Einsamkeit, heulte er."
Es entstand eine Pause, in der die Blicke der beiden Menschen aufeinander ruhten. Dann sagte Filippo: "Wie lange sind deine Eltern nun tot?"
"Drei Jahr'. Sie starben in derselben Woche--ihre Seelen seien im Paradiese! Dann bin ich nach Florenz gegangen."
"Nach Florenz?"
"Ja, Ihr sagtet ja, Ihr w?ret aus Florenz. Die Frau des Caffetiere drau?en bei San Miniato, an die wiesen mich welche von den Contrabbandieri. Einen Monat hab ich da gelebt und sie alle Tage in die Stadt geschickt, nach Euch zu fragen. Abends ging ich selbst hinunter und suchte Euch. Am Ende h?rten wir, da? Ihr l?ngst fortgezogen, keiner wollte recht wissen, wohin."
Filippo stand auf und ging mit starken Schritten durch das Gemach. Fenice wandte sich nach ihm, ihr Blick folgte ihm, doch verriet sie keine Spur einer ?hnlichen Unruhe, wie sie ihn umhertrieb. Er kam endlich auf sie zu, sah sie eine Weile an und sagte dann: "Und wozu gestehst du mir das alles, la Poveretta*?"
{ed. * Du ?rmste}
"Ich habe sieben Jahre Zeit gehabt, mir einen Mut dazu zu fassen. Ach, wenn ich es Euch damals gestanden h?tte, es h?tte mich nicht so unglücklich gemacht, dieses feige Herz. Aber ich wu?te, da? Ihr wiederkommen mu?tet, Filippo; nur da? es so lange dauerte, das hatte ich nicht gedacht, das tat mir weh.--Ein Kind bin ich, so zu sprechen. Was kümmert mich, was nun vorüber ist? Filippo, da seid ihr, und hier bin ich
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