Edmund der ächte seyn.--Ich wachse, ich gedeyhe! Wohlan, ihr
Götter, haltet fest auf der Parthey der Bastarde! Ihr habt es wol
Ursache.**
{ed.-* Diese feinen Zeilen sind ein Beyspiel von unsers Autors
bewundernswürdiger Kunst, seinen Charaktern gehörige Gesinnungen
zu geben. Des Bastards seiner ist der Charakter eines völligen
Gottesläugners; und daß er als ein Spötter über die
Judicial-Astrologie vorgestellt wird, ist nach der Absicht des Poeten,
ein Zeichen eines solchen. Denn zu seiner Zeit wurde diese gottlose
Taschenspielerey mit einer religiösen Ehrfurcht angesehen; und daher
erkennen die besten Charakter in diesem Stüke die Macht des
Einflusses der Gestirne. Wie Charaktermässig aber die
folgenden
Zeilen sind, kan aus dem ungeheuren Wunsch des
Italiänischen
Atheisten (Vanini), in seinem Tractat, (de admirandis Naturæ & c.)
welcher zu Paris 1616. in eben dem Jahr, da unser Poet gestorben,
heraus gekommen, ersehen werden. (O utinam) (sind die Worte des
(Vanini) extra legitimum & connubialem thorum essem procreatus! Ita
enim progenitores mei in Venerem
incaluissent ardentius, ac
cumulatim affatimque generosa semina contulissent, è quibus ego
formæ blanditiam & elegantiam,
robustas corporis vires mentemque
innubilam consequutus fuissem. At quia conjugatorum sum soboles, his
orbatus sum bonis.) Wäre dieses Buch früher heraus gekommen, wer
würde nicht geglaubt haben, das Shakespeareauf diese Stelle anspiele?
So aber sagte ihm die prophetische Kraft seines Genius vorher, was ein
solcher Atheist wie (Vanini) über diese Materie sagen würde.
Warbürton.}
{ed.-** Warum dieses? Das sagt er uns nicht; aber der Poet deutet auf
die Ausschweiffungen der heidnischen Götter, die aus allen ihren
Bastarden Helden machten. Warbürton.}
Siebender Auftritt.
(Gloster. Edmund.)
Gloster.
Kent verbannt! und Frankreich im Zorn entlassen! und der
König bey Nacht abgereist! Seine Gewalt abgetreten! Sein Unterhalt
sogar fremder Willkuhr überlassen!--Alles geht unter über sich--
Edmund?--Wie steht's? Was Neues?
Edmund.
Mit Euer Gnaden Erlaubniß, nichts.
Gloster.
Warum eilt ihr so eifrig, diesen Brief einzusteken?
Edmund.
Ich weiß nichts neues, Mylord.
Gloster.
Was für ein Papier laset ihr da?
Edmund.
Nichts, Mylord.
Gloster.
Wozu war es denn vonnöthen, mit einer so entsezlichen
Eilfertigkeit in eure Tasche damit zu fahren? Laßt es sehen!--Kommt,
wenn es nichts ist, so werde ich keine Brille dazu brauchen.
Edmund.
Ich bitte Euer Gnaden um Vergebung, es ist ein Brief von
meinem Bruder, den ich noch nicht ganz überlesen habe; und so viel als
ich davon gelesen, finde ich ihn nicht so beschaffen, daß Ihr ihn sehen
dürftet.
Gloster.
Gebt mir den Brief, Sir.
Edmund.
Ich vergehe mich, wenn ich ihn zurük behalte, und wenn ich
ihn gebe; der Inhalt, so viel ich zum theil davon verstehe, ist zu tadeln.
Gloster.
Laß sehen, laß sehen.
Edmund.
Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schreibe ihn
nur, meine Tugend auf die Probe zu stellen.
Gloster (ließt.)
"Diese durch die Geseze eingeführte Ehrfurcht vor
dem Alter macht die Welt für unsre besten Jahre unbrauchbar, und
enthält uns unser Vermögen vor, bis wir es nimmer geniessen können.
Ich fange an, eine alberne und allzu gutherzige Sclaverey in der
Unterwerffung unter bejahrte Tyranney zu finden, welche nicht
herrschet, weil sie Gewalt hat, sondern weil sie geduldet wird. Wenn
unser Vater so lange schliefe bis ich ihn wekte, so solltet ihr auf immer
die Helfte seiner Einkünfte geniessen, und der Liebling euers Bruders
Edgar seyn."--Hum!--Verrätherey!--schlieffe, bis ich ihn wekte-- solltet
ihr die Helfte seiner Einkünfte geniessen--Mein Sohn Edgar! Hat er
eine Hand diß zu schreiben? Ein Herz und ein Gehirn, diß auszubrüten?
Wenn kam euch diß zu? Wer bracht es euch?
Edmund.
Es wurde mir nicht gebracht, Mylord; das ist die List davon.
Ich fand es durch ein Fenster in mein Cabinet geworffen.
Gloster.
Kennet ihr die Hand, daß sie euers Bruders ist?
Edmund.
Wenn der Inhalt gut wäre, Mylord, so wollte ich schwören,
es wäre die seinige; aber so wie er ist, möchte ich gerne denken, es
wäre nicht so.
Gloster.
Es ist seine Hand.
Edmund.
Seine Hand ist es, Mylord, aber ich hoffe sein Herz ist nicht
in dem Inhalt.
Gloster.
Hat er euch vorher niemals über diesen Punct ausgeforschet?
Edmund.
Niemals, Mylord. Doch hab ich ihn oft behaupten gehört, es
wäre am schiklichsten, wenn Söhne bey reiffen Jahren, und Väter auf
der Neige seyen, daß der Vater unter der Vormundschaft des Sohnes
stehen, und dieser das Vermögen verwalten sollte.
Gloster.
O! Bösewicht! Bösewicht! Eben das ist die Meynung seines
Briefes. Abscheulicher Bösewicht! Unnatürlicher, entsezlicher,
viehischer Bösewicht! Geh', suche ihn, ich will ihn fest machen
lassen.-- Schändlicher Bube! wo ist er?
Edmund.
Ich weiß es nicht eigentlich, Mylord. Wenn es Euer Gnaden
belieben möchte, Euern Unwillen über meinen Bruder noch zurük zu
halten, bis Ihr ein gewisseres Zeugniß von seinen Absichten aus ihm
heraus gebracht hättet, so würdet Ihr desto sicherer gehen; da hingegen,
wenn Ihr gewaltthätig mit ihm verfahret, und sich's fände, daß Ihr über
seine Absicht geirret hättet, so würde das Eurer eignen Ehre eine grosse
Wunde beybringen, und das Herz seines Gehorsams in Stüken
zerschlagen. Ich wollte mein Leben für ihn verpfänden, daß er das nur
schrieb, meine Liebe zu Euer Gnaden zu versuchen, und daß er nichts
böses
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