Dantons Tod | Page 9

Georg Büchner
bestimmter, durchgef��hrter? Wer will uns darum schelten? In einer Stunde verrichtet der Geist mehr Taten des Gedankens, als der tr?ge Organismus unsres Leibes in Jahren nachzutun vermag. Die S��nde ist im Gedanken. Ob der Gedanke Tat wird, ob ihn der K?rper nachspiele, das ist Zufall.
(St. Just tritt ein.)
Robespierre. He, wer da im Finstern? He, Licht, Licht!
St. Just. Kennst du meine Stimme?
Robespierre. Ah du, St. Just!
(Eine Dienerin bringt Licht.)
St. Just. Warst du allein?
Robespierre. Eben ging Danton weg.
St. Just. Ich traf ihn unterwegs im Palais-Royal. Er machte seine revolution?re Stirn und sprach in Epigrammen; er duzte sich mit den Ohnehosen, die Grisetten liefen hinter seinen Waden drein, und die Leute blieben stehn und zischelten sich in die Ohren, was er gesagt hatte. - Wir werden den Vorteil des Angriffs verlieren. Willst du noch l?nger zaudern? Wir werden ohne dich handeln. Wir sind entschlossen.
Robespierre. Was wollt ihr tun?
St. Just. Wir berufen den Gesetzgebungs-, den Sicherheits- und den Wohlfahrtsausschu? zu feierlicher Sitzung.
Robespierre. Viel Umst?nde.
St. Just. Wir m��ssen die gro?e Leiche mit Anstand begraben, wie Priester, nicht wie M?rder; wir d��rfen sie nicht verst��mmeln, alle ihre Glieder m��ssen mit hinunter.
Robespierre. Sprich deutlicher!
St. Just. Wir m��ssen ihn in seiner vollen Waffenr��stung beisetzen und seine Pferde und Sklaven auf seinem Grabh��gel schlachten: Lacroix -
Robespierre. Ein ausgemachter Spitzbube, gewesener Advokatenschreiber, gegenw?rtig Generalleutnant von Frankreich. Weiter!
St. Just. H��rault-S��chelles.
Robespierre. Ein sch?ner Kopf!
St. Just. Er war der sch?ngemalte Anfangsbuchstaben der Konstitutionsakte; wir haben dergleichen Zierat nicht mehr n?tig, er wird ausgewischt. - Philippeau. - Camille.
Robespierre. Auch der?
St. Just (��berreicht ihm ein Papier) Das dacht' ich. Da lies!
Robespierre. Aha, ?Der alte Franziskaner?! Sonst nichts? Er ist ein Kind, er hat ��ber euch gelacht.
St. Just. Lies hier, hier! (Er zeigt ihm eine Stelle.)
Robespierre (liest). ?Dieser Blutmessias Robespierre auf seinem Kalvarienberge zwischen den beiden Sch?chern Couthon und Collot, auf dem er opfert und nicht geopfert wird. Die Guillotinen-Betschwestern stehen wie Maria und Magdalena unten. St. Just liegt ihm wie Johannes am Herzen und macht den Konvent mit den apokalyptischen Offenbarungen des Meisters bekannt; er tr?gt seinen Kopf wie eine Monstranz.?
St. Just. Ich will ihn den seinigen wie St. Denis tragen machen.
Robespierre (liest weiter). ?Sollte man glauben, da? der saubere Frack des Messias das Leichenhemd Frankreichs ist, und da? seine d��nnen, auf der Trib��ne herumzuckenden Finger Guillotinenmesser sind? - Und du, Bar��re, der du gesagt hast, auf dem Revolutionsplatz werde M��nze geschlagen! Doch - ich will den alten Sack nicht aufw��hlen. Er ist eine Witwe, die schon ein halb Dutzend M?nner hatte und sie alle begraben half. Wer kann was daf��r? Das ist so seine Gabe, er sieht den Leuten ein halbes Jahr vor dem Tode das hippokratische Gesicht an. Wer mag sich auch zu Leichen setzen und den Gestank riechen??
Also auch du, Camille? - Weg mit ihnen! Rasch! Nur die Toten kommen nicht wieder.
Hast du die Anklage bereit?
St. Just. Es macht sich leicht. Du hast die Andeutungen bei den Jakobinern gemacht.
Robespierre. Ich wollte sie schrecken.
St. Just. Ich brauche nur durchzuf��hren; die F?lscher geben das Ei und die Fremden den Apfel ab. - Sie sterben an der Mahlzeit, ich gebe dir mein Wort.
Robespierre. Dann rasch, morgen! Keinen langen Todeskampf! Ich bin empfindlich seit einigen Tagen. Nur rasch! (St. Just ab.)
Robespierre (allein). Jawohl, Blutmessias, der opfert und nicht geopfert wird. - Er hat sie mit seinem Blut erl?st, und ich erl?se sie mit ihrem eignen. Er hat sie s��ndigen gemacht, und ich nehme die S��nde auf mich. Er hatte die Wollust des Schmerzes, und ich habe die Qual des Henkers. Wer hat sich mehr verleugnet, ich oder er? - Und doch ist was von Narrheit in dem Gedanken. - Was sehen wir nur immer nach dem Einen? Wahrlich, der Menschensohn wird in uns allen gekreuzigt, wir ringen alle im Gethsemanegarten im blutigen Schwei?, aber es erl?st keiner den andern mit seinen Wunden.
Mein Camille! - Sie gehen alle von mir - es ist alles w��st und leer - ich bin allein.

Zweiter Akt
Erste Szene
Ein Zimmer
Danton. Lacroix. Philippeau. Paris. Camille Desmoulins.
Camille. Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu verlieren!
Danton (er kleidet sich an). Aber die Zeit verliert uns. Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen dr��ber zu ziehen und des Abends ins Bett und morgens wieder herauszukriechen und einen Fu? immer so vor den andern zu setzen; da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und da? Millionen es schon so gemacht haben, und da? Millionen es wieder so machen werden, und da? wir noch obendrein aus zwei H?lften bestehen, die beide das n?mliche tun, so da? alles doppelt geschieht - das ist sehr traurig.
Camille. Du sprichst in einem ganz kindlichen Ton.
Danton. Sterbende werden oft kindisch.
Lacroix. Du st��rzest dich durch dein Z?gern ins Verderben, du rei?est alle deine Freunde mit dir. Benachrichtige die Feiglinge, da? es Zeit ist, sich um dich zu versammeln, fordere sowohl die vom Tale
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