sollten. Wir durften uns allerdings nicht »erholen«,
wann wir gerade Lust hatten. Denn was dann kam, war dick
unterstrichen: »... in der Zeit von 8 bis 13 Uhr und 15 bis 19
Uhr.« Wenn wir also aus der Schule kamen, war nichts mit
Erholung.
Meine Schwester und ich hätten eigentlich gar nicht auf den
Spielplatz gedurft, weil man dort laut Schild »nur mit Zustim-
mung und unter Aufsicht des Erziehungsberechtigten« spielen
durfte. Und das auch nur ganz leise: »Das Ruhebedürfnis der
Hausgemeinschaft ist durch besondere Rücksichtnahme zu
wahren.« Einen Gummiball durfte man sich da gerade noch
artig zuwerfen. Ansonsten: »Ballspiele sportlicher Art sind
nicht gestattet.« Kein Völkerball, kein Fußball. Für die
Jungens war das besonders schlimm. Die ließen ihre über-
schüssige Kraft an den Spielgeräten und Sitzbänken und
natürlich an den Verbotsschildern aus. Es muß einige Kohle
gekostet haben, die kaputten Schilder immer wieder zu
erneuern.
Über die Einhaltung der Verbote wachten die Hauswarte.
Ich hatte schon ziemlich schnell bei unserem Hauswart
Verschissen. Nach unserem Umzug in die Gropiusstadt lang-
weilte mich der Spielplatz aus Beton und Sand mit der kleinen
Blechrutsche schon wahnsinnig. Da fand ich dann doch noch
etwas Interessantes. Die Gullys im Beton, durch die das
Regenwasser abfließen sollte. Damals konnte man das Gitter
über dem Abfluß noch abheben. Später machten sie es dann
fest. Ich hob also das Gitter ab und warf mit meiner Schwester
allen möglichen Mist in den Gully. Dann kam der Hauswart,
griff uns und zerrte uns in das Büro der Hausverwaltung. Da
mußten wir beide, sechs und fünf Jahre alt, unsere Personalien
angeben. So gut wir das schon konnten. Meine Eltern wurden
benachrichtigt, und mein Vater hatte einen guten Grund zum
Prügeln. Ich begriff noch nicht so ganz, warum das so schlimm
war den Abfluß zu verstopfen. In unserem Dorf am Bach
hatten wir ja ganz andere Sachen gemacht, ohne daß je ein
Erwachsener gemeckert hätte. Ich begriff aber so ungefähr,
daß man in Gropiusstadt nur spielen durfte, was von den
Erwachsenen vorgesehen war. Also rutschen und im Sand
buddeln. Daß es gefährlich war, eigene Ideen beim Spielen zu
haben.
Das nächste Zusammentreffen mit dem Hauswart, das ich
erinnere, war schon ernster. Das kam so. Ich ging mit Ajax,
meiner Dogge, spazieren und kam auf die Idee, für meine
Mutter Blumen zu pflücken. Wie ich es in unserem Dorf
früher fast auf jedem Spaziergang gemacht hatte. Es gab aber
zwischen den Hochhäusern nur die mickrigen Rosen. Ich
machte mir die Finger blutig, um ein paar Blumen von den
Strauchrosen abzuknicken. Das Schild »Geschützte Garten-
anlage« konnte ich noch nicht lesen, oder habe es auch nur
nicht kapiert.
Ich verstand aber sofort, als ich den Hauswart schreiend
und fuchtelnd über den nicht zu betretenden Rasen rennen
sah. Ich bekam panische Angst vor dem Typen und rief:
»Ajax, paß auf!«
Mein Ajax spitzte natürlich gleich die Ohren, ein paar
Nackenhaare gingen hoch, Ajax wurde steif und sah den Kerl
mit den bösesten Augen an, die er machen konnte. Der Typ
ging sofort rückwärts über den Rasen und wagte erst wieder
zu schreien, als er vor dem Hauseingang war. Ich war froh,
versteckte die Blumen aber, denn ich ahnte ja, daß ich wieder
mal was Verbotenes getan hatte.
Als ich zu Hause ankam, hatte die Hausverwaltung schon
angerufen. Ich hätte den Hauswart mit einem Hund bedroht,
hatten sie gesagt. Statt des Küßchens von meiner Mutti, das
ich mir mit den Blumen hatte einhandeln wollen, gab es den
Hintern voll von Vati.
Im Sommer war die Hitze bei uns manchmal unerträglich.
Die Hitze wurde regelrecht von Beton, Asphalt und Steinen
gespeichert und zurückgestrahlt. Die paar mickrigen Bäume
gaben keinen Schatten. Und der Wind wurde von den
Hochhäusern abgehalten. Es gab weder ein Schwimmbad
noch ein Planschbecken. Nur einen Springbrunnen mitten auf
unserem Betonplatz. Da planschten und spritzten wir manch-
mal. War natürlich verboten, und wir wurden auch immer
schnell weggejagt.
Dann kam die Zeit, da wollten wir Murmeln spielen. Aber
wo findest du einen Platz in Gropiusstadt, auf dem man
murmeln kann. Auf Beton, Asphalt oder Rasen Marke
»Betreten verboten« kann man eben nicht murmeln. In der
Sandkiste auch nicht. Denn zum Murmeln braucht man einen
einigermaßen festen Untergrund, in den man kleine Löcher
buddeln kann.
Wir fanden eine beinah ideale Murmelbahn. Unter den
Ahornbäumen, die sie bei uns gepflanzt hatten. Damit die
Bäumchen nicht unter all dem Asphalt erstickten, hatte man
für sie eine kreisrunde Öffnung im Asphalt gelassen. Der
Kreis um den Stamm war aus fester, sauber und glatt
geharkter Erde. Einfach ideal zum Murmeln.
Nun hatten wir aber, wenn wir dort unsere kleinen Kuhlen
zum Murmeln buddelten, nicht nur die Hauswarte, sondern
auch noch die Gärtner auf dem Hals. Wir wurden immer
wieder unter wüsten Drohungen vertrieben. Eines Tages
hatten die Vertreiber aber leider eine gute Idee. Sie harkten
die Erde nicht mehr glatt, sondern
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