ihm ein, da
er als vornehmer Mann, mit allem Notwendigen und Überflüssigen
reichlich ausgestattet, wohl auch mit einem Diener - der freilich meist
ein Gauner war - im prächtigen Reisewagen durch die Lande fuhr; -
und ohnmächtiger Zorn trieb ihm die Tränen in die Augen. Ein junges
Weib, die Peitsche in der Hand, kutschierte ein Wägelchen an ihm
vorbei, darin zwischen Säcken und allerlei Hausrat schnarchend ihr
betrunkener Mann lag. Sie blickte Casanova, wie er verzerrten
Gesichtes, Unverständliches durch die Zähne murmelnd, unter den
abgeblühten Kastanienbäumen der Heerstraße langbeinig ausschreitend
einherkam, zuerst neugierig spöttisch ins Gesicht, doch da sie ihren
Blick zornig blitzend erwidert sah, nahmen ihre Augen einen
erschrockenen, und endlich, wie sie sich im Weiterfahren nach ihm
umwandte, einen wohlgefällig lüsternen Ausdruck an. Casanova, der
wohl wußte, daß Grimm und Haß länger in den Farben der Jugend zu
spielen vermögen als Sanftheit und Zärtlichkeit, erkannte sofort, daß es
nur eines frechen Anrufs von seiner Seite bedurft hätte, um dem Wagen
Halt zu gebieten und dann mit dem jungen Weib anstellen zu können,
was ihm weiter beliebte; doch, obzwar diese Erkenntnis seine Laune für
den Augenblick besserte, schien es ihm nicht der Mühe wert, um eines
so geringen Abenteuers willen auch nur wenige Minuten zu verziehen;
und so ließ er das Bauernwägelchen samt seinen Insassen im Staub und
Dunst der Landstraße unangefochten weiterknarren.
Der Schatten der Bäume nahm der emporsteigenden Sonne nur wenig
von ihrer sengenden Kraft, und Casanova sah sich genötigt, seinen
Schritt allmählich zu mäßigen. Der Staub der Straße hatte sich so dicht
auf sein Gewand und Schuhwerk gelegt, daß ihnen ihre Verbrauchtheit
nicht mehr anzumerken war, und so konnte man Casanova, nach Tracht
und Haltung, ohne weiteres für einen Herrn von Stande nehmen, dem
es just gefallen hatte, seine Karosse einmal daheim zu lassen. Schon
spannte sich der Torbogen vor ihm aus, in dessen nächster Nähe der
Gasthof gelegen war, in dem er wohnte, als ihm ein ländlich
schwerfälliger Wagen entgegengeholpert kam, in dem ein behäbiger,
gutgekleideter, noch ziemlich junger Mann saß. Er hatte die Hände
über dem Magen gekreuzt und schien eben mit blinzelnden Augen
einnicken zu wollen, als sein Blick, zufällig Casanova streifend, in
unerwarteter Lebhaftigkeit aufglänzte, wie zugleich seine ganze
Erscheinung in eine Art von heiterm Aufruhr zu geraten schien. Er
erhob sich zu rasch, sank sofort zurück, stand wieder auf, versetzte dem
Kutscher einen Stoß in den Rücken, um ihn zum Halten zu veranlassen,
drehte sich in dem weiterrollenden Wagen um, um Casanova nicht aus
dem Gesicht zu verlieren, winkte ihm mit beiden Händen zu und rief
endlich mit einer dünnen hellen Stimme dreimal dessen Namen in die
Luft. Erst an der Stimme hatte Casanova den Mann erkannt, trat auf
den Wagen zu, der stehengeblieben war, ergriff lächelnd die beiden
sich ihm entgegenstreckenden Hände und sagte: »Ist es möglich, Olivo
- Sie sind es?« - »Ja, ich bin es, Herr Casanova, Sie erkennen mich also
wieder?« - »Warum sollt' ich nicht? Sie haben zwar seit Ihrem
Hochzeitstag, an dem ich Sie zuletzt gesehn, an Umfang ein wenig
zugenommen, - aber auch ich mag mich in den fünfzehn Jahren nicht
unerheblich verändert haben, wenn auch nicht in gleicher Weise.« -
»Kaum,« rief Olivo, »so gut wie gar nicht, Herr Casanova! Übrigens
sind es sechzehn Jahre, vor wenigen Tagen waren es sechzehn! Und
wie Sie sich wohl denken können, haben wir, gerade bei dieser
Gelegenheit, ein hübsches Weilchen lang von Ihnen gesprochen,
Amalia und ich ...« - »Wirklich,« sagte Casanova herzlich, »Sie
erinnern sich beide noch manchmal meiner?« Olivos Augen wurden
feucht. Noch immer hielt er Casanovas Hände in den seinen und
drückte sie nun gerührt. »Wieviel haben wir Ihnen zu danken, Herr
Casanova? Und wir sollten unsres Wohltäters jemals vergessen? Und
wenn wir jemals -« - »Reden wir nicht davon,« unterbrach Casanova.
»Wie befindet sich Frau Amalia? Wie ist es überhaupt zu verstehn, daß
ich in diesen ganzen zwei Monaten, die ich nun in Mantua verbringe -
freilich recht zurückgezogen, aber ich gehe doch viel spazieren nach
alter Gewohnheit - wie kommt es, daß ich Ihnen, Olivo, daß ich Ihnen
beiden nicht ein einziges Mal begegnet bin?« - »Sehr einfach, Herr
Casanova! Wir wohnen ja längst nicht mehr in der Stadt, die ich
übrigens niemals habe leiden können, so wenig als Amalia sie leiden
mag. Erweisen Sie mir die Ehre, Herr Casanova, steigen Sie ein, in
einer Stunde sind wir bei mir zu Hause« - und da Casanova leicht
abwehrte - »Sagen Sie nicht nein. Wie glücklich wird Amalia sein, Sie
wiederzusehen, und wie stolz, Ihnen unsre drei Kinder zu zeigen. Ja,
drei, Herr Casanova. Lauter Mädchen. Dreizehn, zehn und acht ... Also
noch keines in den Jahren, sich - mit Verlaub - sich - von Casanova das
Köpfchen verdrehen zu lassen.« Er lachte gutmütig und machte Miene,
Casanova einfach zu sich in den Wagen
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