Casanovas Heimfahrt
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Title: Casanovas Heimfahrt
Author: Arthur Schnitzler
Release Date: April 11, 2006 [EBook #18148]
Language: German
Character set encoding: ISO-8859-1
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CASANOVAS HEIMFAHRT ***
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CASANOVAS HEIMFAHRT
NOVELLE VON
ARTHUR SCHNITZLER
1918
S. FISCHER * VERLAG BERLIN
Erste bis fünfzehnte Auflage
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten Copyright
1918 S. Fischer, Verlag
CASANOVAS HEIMFAHRT
In seinem dreiundfünfzigsten Lebensjahre, als Casanova längst nicht
mehr von der Abenteuerlust der Jugend, sondern von der Ruhelosigkeit
nahenden Alters durch die Welt gejagt wurde, fühlte er in seiner Seele
das Heimweh nach seiner Vaterstadt Venedig so heftig anwachsen, daß
er sie, gleich einem Vogel, der aus luftigen Höhen zum Sterben
allmählich nach abwärts steigt, in eng und immer enger werdenden
Kreisen zu umziehen begann. Öfter schon in den letzten zehn Jahren
seiner Verbannung hatte er an den hohen Rat Gesuche gerichtet, man
möge ihm die Heimkehr gestatten; doch hatten ihm früher bei der
Abfassung solcher Satzschriften, in denen er Meister war, Trotz und
Eigensinn, manchmal auch ein grimmiges Vergnügen an der Arbeit
selbst die Feder geführt, so schien sich seit einiger Zeit in seinen fast
demütig flehenden Worten ein schmerzliches Sehnen und echte Reue
immer unverkennbarer auszusprechen. Er glaubte um so sicherer auf
Erhörung rechnen zu dürfen, als die Sünden seiner früheren Jahre, unter
denen übrigens nicht Zuchtlosigkeit, Händelsucht und Betrügereien
meist lustiger Natur, sondern Freigeisterei den Venezianer Ratsherren
die unverzeihlichste dünkte, allmählich in Vergessenheit zu geraten
begannen und die Geschichte seiner wunderbaren Flucht aus den
Bleikammern von Venedig, die er unzählige Male an regierenden
Höfen, in adeligen Schlössern, an bürgerlichen Tischen und in
übelberüchtigten Häusern zum besten gegeben hatte, jede andere
Nachrede, die sich an seinen Namen knüpfte, zu übertönen anfing; und
eben wieder, in Briefen nach Mantua, wo er sich seit zwei Monaten
aufhielt, hatten hochmögende Herren dem an innerm wie an äußerm
Glanz langsam verlöschenden Abenteurer Hoffnung gemacht, daß sich
sein Schicksal binnen kurzem günstig entscheiden würde.
Da seine Geldmittel recht spärlich geworden waren, hatte Casanova
beschlossen, in dem bescheidenen, aber anständigen Gasthof, den er
schon in glücklicheren Jahren einmal bewohnt hatte, das Eintreffen der
Begnadigung abzuwarten, und er vertrieb sich indes die Zeit -
ungeistigerer Zerstreuungen nicht zu gedenken, auf die gänzlich zu
verzichten er nicht imstande war - hauptsächlich mit Abfassung einer
Streitschrift gegen den Lästerer Voltaire, durch deren Veröffentlichung
er seine Stellung und sein Ansehen in Venedig gleich nach seiner
Wiederkehr bei allen Gutgesinnten in unzerstörbarer Weise zu
befestigen gedachte.
Eines Morgens auf einem Spaziergang außerhalb der Stadt, während er
für einen vernichtenden, gegen den gottlosen Franzosen gerichteten
Satz die letzte Abrundung zu finden sich mühte, befiel ihn plötzlich
eine außerordentliche, fast körperlich peinvolle Unruhe; das Leben, das
er in leidiger Gewöhnung nun schon durch drei Monate führte: die
Morgenwanderungen vor dem Tor ins Land hinaus, die kleinen
Spielabende bei dem angeblichen Baron Perotti und dessen
blatternarbiger Geliebten, die Zärtlichkeiten seiner nicht mehr ganz
jungen, aber feurigen Wirtin, ja sogar die Beschäftigung mit den
Werken Voltaires und die Arbeit an seiner eigenen kühnen und bisher,
wie ihm dünkte, nicht übel gelungenen Erwiderung; - all dies erschien
ihm, in der linden, allzu süßen Luft dieses Spätsommermorgens,
gleichermaßen sinnlos und widerwärtig; er murmelte einen Fluch vor
sich hin, ohne recht zu wissen, wen oder was er damit treffen wollte;
und, den Griff seines Degens umklammernd, feindselige Blicke nach
allen Seiten sendend, als richteten aus der Einsamkeit ringsum
unsichtbare Augen sich höhnend auf ihn, wandte er plötzlich seine
Schritte nach der Stadt zurück, in der Absicht, noch in derselben
Stunde Anstalten für seine sofortige Abreise zu treffen. Denn er
zweifelte nicht, daß er sich sofort besser befinden würde, wenn er nur
erst der ersehnten Heimat wieder um einige Meilen näher gerückt wäre.
Er beschleunigte seinen Gang, um sich rechtzeitig einen Platz in der
Eilpost zu sichern, die vor Sonnenuntergang in der Richtung nach
Osten abfuhr; - weiter hatte er kaum etwas zu tun, da er sich einen
Abschiedsbesuch beim Baron Perotti wohl schenken durfte, und ihm
eine halbe Stunde vollauf genügte, um seine gesamten Habseligkeiten
für die Reise einzupacken. Er dachte der zwei etwas abgetragenen
Gewänder, von denen er das schlechtere am Leibe trug, und der
vielfach geflickten, einst fein gewesenen Wäsche, die mit ein paar
Dosen, einer goldenen Kette samt Uhr und einer Anzahl von Büchern
seinen ganzen Besitz ausmachten; - vergangene Tage fielen
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