Bulemanns Haus | Page 2

Theodor W. Storm
gewartet, eines Tages auch jene Frau mit einigen dunkeln Kindern anlangen zu sehen. Und bald hie? es, er habe auf der Rückfahrt ein Sklavenschiff getroffen und an den Kapit?n desselben sein eigen Fleisch und Blut nebst ihrer Mutter um schn?des Gold verkauft.--Was wahres an solchen Reden gewesen, vermag ich nicht zu sagen", pflegte der Greis hinzuzusetzen; "denn ich will auch einem Toten nicht zu nahe treten; aber so viel ist gewi?, ein geiziger und menschenscheuer Kauz war es; und seine Augen blickten auch, als h?tten sie b?sen Taten zugesehen. Kein Unglücklicher und Hilfesuchender durfte seine Schwelle betreten; und wann immer ich damals dort gewesen, stets war von innen die eiserne Kette vor die Tür gelegt.--Wenn ich dann den schweren Klopfer wiederholt hatte anschlagen müssen, so h?rte ich wohl von der obersten Treppe herab die scheltende Stimme des Hausherrn: Frau Anken! Frau Anken! Ist Sie taub? H?rt Sie nicht, es hat geklopft!' Alsbald lie?en sich aus dem Hinterhaus über Pesel und Korridor die schlurfenden Schritte des alten Weibes vernehmen. Bevor sie aber ?ffnete, fragte sie hüstelnd:'Wer ist es denn?' und erst, wenn ich geantwortet hatte:'Es ist der Leberecht!' wurde die Kette drinnen abgehakt. Wenn ich dann hastig die siebenundsiebzig Treppenstufen--denn ich habe sie einmal gez?hlt--hinaufgestiegen war, pflegte Herr Bulemann auf dem kleinen d?mmerigen Flur vor seinem Zimmer schon auf mich zu warten; in dieses selbst hat er mich nie hineingelassen. Ich sehe ihn noch, wie er in seinem gelbgeblümten Schlafrock mit der spitzen Zipfelmütze vor mir stand, mit der einen Hand rücklings die Klinke seiner Zimmertür haltend. W?hrend ich mein Gewerbe bestellte, pflegte er mich mit seinen grellen runden Augen ungeduldig anzusehen und mich darauf hart und kurz abzufertigen. Am meisten erregten damals meine Aufmerksamkeit ein paar ungeheuere Katzen, eine gelbe und eine schwarze, die sich mitunter hinter ihm aus seiner Stube dr?ngten und ihre dicken K?pfe an seinen Knieen rieben.--Nach einigen Jahren h?rte indessen der Verkehr mit meinem Vater auf, und ich bin nicht mehr dort gewesen. Dies alles ist nun über siebzig Jahre her, und Herr Bulemann mu? l?ngst dahin getragen sein, von wannen niemand wiederkehrt."--Der Mann irrte sich, als er so sprach. Herr Bulemann ist nicht aus seinem Haus getragen worden; er lebt darin noch jetzt.
Das aber ist so zugegangen.
Vor ihm, dem letzten Besitzer, noch um die Zopf--und Haarbeutelzeit, wohnte in jenem Haus ein Pfandverleiher, ein altes verkrümmtes M?nnchen. Da er sein Gewerbe mit Umsicht seit über fünf Jahrzehnten betrieben hatte und mit einem Weib, das ihm seit dem Tod seiner Frau die Wirtschaft führte, aufs sp?rlichste lebte, so war er endlich ein reicher Mann geworden. Dieser Reichtum bestand aber zumeist in einer fast unübersehbaren Menge von Pretiosen, Ger?ten und seltsamstem Tr?delkram, was er alles von Verschwendern oder Notleidenden im Laufe der Jahre als Pfand erhalten hatte und das dann, da die Rückzahlung des darauf gegebenen Darlehens nicht erfolgte, in seinem Besitz zurückgeblieben war.--Da er bei einem Verkauf dieser Pf?nder, welcher gesetzlich durch die Gerichte geschehen mu?te, den überschu? des Erl?ses an die Eigentümer h?tte herausgeben müssen, so h?ufte er sie lieber in den gro?en Nu?baumschr?nken auf, mit denen zu diesem Zwecke nach und nach die Stuben des ersten und endlich auch des zweiten Stockwerks besetzt wurden. Nachts aber, wenn Frau Anken im Hinterhaus in ihrem einsamen K?mmerchen schnarchte und die schwere Kette vor der Haustür lag, stieg er oft mit leisen Tritt die Treppen auf und ab. In seinen hechtgrauen Rockelor eingekn?pft, in der einen Hand die Lampe, in der andern das Schlüsselbund, ?ffnete er bald im ersten, bald im zweiten Stockwerk die Stuben- und die Schranktüren, nahm hier eine goldene Repetieruhr, dort eine emaillierte Schnupftabaksdose aus dem Versteck hervor und berechnete bei sich die Jahre ihres Besitzes und ob die ursprünglichen Eigentümer dieser Dinge wohl verkommen und verschollen seien oder ob sie noch einmal mit dem Geld in der Hand wiederkehren und ihre Pf?nder zurückfordern k?nnten.
Der Pfandverleiher war endlich im ?u?ersten Greisenalter von seinen Sch?tzen weggestorben und hatte das Haus nebst den vollen Schr?nken seinem einzigen Sohn hinterlassen müssen, den er w?hrend seines Lebens auf jede Weise daraus fern zu halten gewu?t hatte.
Dieser Sohn war der von dem kleinen Leberecht so gefürchtete Supercargo, welcher eben von einer überseeischen Fahrt in seine Vaterstadt zurückgekehrt war. Nach dem Begr?bnis des Vaters gab er seine früheren Gesch?fte auf und bezog dessen Zimmer im dritten Stock des alten Erkerhauses, wo nun statt des verkrümmten M?nnchens im hechtgrauen Rockelor eine lange hagere Gestalt im gelbgeblümten Schlafrock und bunter Zipfelmütze auf und ab wandelte oder rechnend an dem kleinen Pulte des Verstorbenen stand.
Auf Herrn Bulemann hatte sich indessen das Behagen des alten Pfandverleihers an den aufgeh?uften Kostbarkeiten nicht vererbt. Nachdem er bei verriegelten Türen den Inhalt der gro?en Nu?baumschr?nke untersucht hatte, ging er mit sich zu Rate, ob er den heimlichen Verkauf dieser Dinge wagen solle, die immer noch das Eigentum anderer
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