Buch Der Lieder | Page 8

Heinrich Heine
gefangen
Das hübsche, goldne Wort."

Das sollt ihr mir nicht mehr erzählen,
Ihr Vöglein wunderschlau;

Ihr wollt meinen Kummer mir stehlen,
Ich aber niemanden trau.
IV
Lieb Liebchen, leg's Händchen aufs Herze mein; --
Ach, hörst du,
wie's pochet im Kämmerlein,
Da hauset ein Zimmermann schlimm
und arg,
Der zimmert mir einen Totensarg.
Es hämmert und klopfet bei Tag und bei Nacht;
Es hat mich schon
längst um den Schlaf gebracht.
Ach! sputet Euch, Meister
Zimmermann,
Damit ich balde schlafen kann.
V
Schöne Wiege meiner Leiden,
Schönes Grabmal meiner Ruh,

Schöne Stadt, wir müssen scheiden, --
Lebe wohl! ruf ich dir zu.
Lebe wohl, du heilge Schwelle,
Wo da wandelt Liebchen traut;

Lebe wohl! du heilge Stelle,
Wo ich sie zuerst geschaut.
Hätt ich dich doch nie gesehen,
Schöne Herzenskönigin!
Nimmer
wär es dann geschehen,
Daß ich jetzt so elend bin.
Nie wollt ich dein Herze rühren,
Liebe hab ich nie erfleht;
Nur ein
stilles Leben führen
Wollt ich, wo dein Odem weht.
Doch du drängst mich selbst von hinnen,
Bittre Worte spricht dein
Mund;
Wahnsinn wühlt in meinen Sinnen,
Und mein Herz ist krank
und wund.
Und die Glieder matt und träge
Schlepp ich fort am Wanderstab,

Bis mein müdes Haupt ich lege
Ferne in ein kühles Grab.
VI

Warte, warte, wilder Schiffsmann,
Gleich folg ich zum Hafen dir;

Von zwei Jungfraun nehm ich Abschied,
Von Europa und von Ihr.
Blutquell, rinn aus meinen Augen,
Blutquell, brich aus meinem Leib,

Daß ich mit dem heißen Blute
Meine Schmerzen niederschreib.
Ei, mein Lieb, warum just heute
Schauderst du, mein Blut zu sehn?

Sahst mich bleich und herzeblutend
Lange Jahre vor dir stehn!
Kennst du noch das alte Liedchen
Von der Schlang im Paradies,

Die durch schlimme Apfelgabe
Unsern Ahn ins Elend stieß?
Alles Unheil brachten Äpfel!
Eva bracht damit den Tod,
Eris
brachte Trojas Flammen,
Du brachtst beides, Flamm und Tod.
VII
Berg und Burgen schaun herunter
In den spiegelhellen Rhein,
Und
mein Schifflein segelt munter,
Rings umglänzt von Sonnenschein.
Ruhig seh ich zu dem Spiele
Goldner Wellen, kraus bewegt;
Still
erwachen die Gefühle,
Die ich tief im Busen hegt.
Freundlich grüßend und verheißend
Lockt hinab des Stromes Pracht;

Doch ich kenn ihn, oben gleißend,
Birgt sein Innres Tod und
Nacht.
Oben Lust, im Busen Tücken,
Strom, du bist der Liebsten Bild!
Die
kann auch so freundlich nicken,
Lächelt auch so fromm und mild.
VIII
Anfangs wollt ich fast verzagen,
Und ich glaubt, ich trüg es nie;

Und ich hab es doch getragen --
Aber fragt mich nur nicht, wie?
IX

Mit Rosen, Zypressen und Flittergold
Möcht ich verzieren, lieblich
und hold,
Dies Buch wie einen Totenschrein,
Und sargen meine
Lieder hinein.
O könnt ich die Liebe sargen hinzu!
Am Grabe der Liebe wächst
Blümlein der Ruh,
Da blüht es hervor, da pflückt man es ab --
Doch
mir blühts nur, wenn ich selber im Grab.
Hier sind nun die Lieder, die einst so wild,
Wie ein Lavastrom, der
dem Ätna entquillt,
Hervorgestürzt aus dem tiefsten Gemüt,
Und
rings viel blitzende Funken versprüht!
Nun liegen sie stumm und Toten gleich,
Nun starren sie kalt und
nebelbleich.
Doch aufs neu die alte Glut sie belebt,
Wenn der Liebe
Geist einst über sie schwebt.
Und es wird mir im Herzen viel Ahnung laut:
Der Liebe Geist einst
über sie taut;
Einst kommt dies Buch in deine Hand,
Du süßes Lieb
im fernen Land.
Dann löst sich des Liedes Zauberbann,
Die blassen Buchstaben
schaun dich an,
Sie schauen dir flehend ins schöne Aug,
Und
flüstern mit Wehmut und Liebeshauch.
Romanzen
I
Der Traurige
Allen tut es weh im Herzen,
Die den bleichen Knaben sehn,
Dem
die Leiden, dem die Schmerzen
Aufs Gesicht geschrieben stehn.
Mitleidvolle Lüfte fächeln
Kühlung seiner heißen Stirn;
Labung
möcht ins Herz ihm lächeln
Manche sonst so spröde Dirn.

Aus dem wilden Lärm der Städter
Flüchtet er sich nach dem Wald.

Lustig rauschen dort die Blätter,
Lustger Vogelsang erschallt.
Doch der Sang verstummet balde,
Traurig rauschet Baum und Blatt,

Wenn der Traurige dem Walde
Langsam sich genähert hat.
II
Die Bergstimme
Ein Reiter durch das Bergtal zieht,
Im traurig stillen Trab:
Ach!
zieh ich jetzt wohl in Liebchens Arm,
Oder zieh ich ins dunkle Grab?

Die Bergstimm Antwort gab:
Ins dunkle Grab!
Und weiter reitet der Reitersmann,
Und seufzet schwer dazu:
So
zieh ich denn hin ins Grab so früh --
Wohlan, im Grab ist Ruh.
Die
Stimme sprach dazu:
Im Grab ist Ruh!
Dem Reitersmann eine Trane (Träne) rollt
Von der Wange
kummervoll:
Und ist nur im Grabe die Ruhe für mich --
So ist mir
im Grabe wohl.
Die Stimm erwidert hohl:
Im Grabe wohl!
III
Zwei Brüder
Oben auf der Bergesspitze
Liegt das Schloß in Nacht gehüllt;
Doch
im Tale leuchten Blitze,
Helle Schwerter klirren wild.
Das sind Brüder, die dort fechten
Grimmen Zweikampf, wutentbrannt.

Sprich, warum die Brüder rechten
Mit dem Schwerte in der Hand?
Gräfin Lauras Augenfunken
Zündeten den Brüderstreit.
Beide
glühen liebestrunken
Für die adlig holde Maid.
Welchem aber von den beiden
Wendet sich ihr Herze zu?
Kein

Ergrübeln kann's entscheiden --
Schwert heraus, entscheide du!
Und sie fechten kühn verwegen,
Hieb auf Hiebe niederkrachts.

Hütet euch, ihr wilden Degen,
Böses Blendwerk schleicht des Nachts.
Wehe! Wehe! blutge Brüder!
Wehe! Wehe! blutges Tal!
Beide
Kämpfer stürzen nieder,
Einer in des andern Stahl. --
Viel Jahrhunderte verwehen,
Viel Geschlechter deckt das Grab;

Traurig von des Berges Höhen
Schaut das öde Schloß herab.
Aber nachts, im Talesgrunde,
Wandelts heimlich, wunderbar;
Wenn
da kommt die zwölfte Stunde,
Kämpfet dort das Brüderpaar.
IV
Der arme Peter
1
Der Hans und die Grete tanzen herum,
Und jauchzen vor lauter
Freude.
Der Peter steht
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