Briefe an eine Freundin | Page 2

Wilhelm von Humboldt
der durch nichts gest?rt und unterbrochen wurde, ist Umgang, der gegenseitig zu n?herer Kenntnis des Charakters f��hrt. Ein Geheimnis kann er nicht sein, die ganze Welt k?nnte den Inhalt wissen. Aber sie waren an mich geschrieben, so war es das Heiligtum meines Lebens; so bewahrte ich schweigend und verborgen, was nur f��r mich geschrieben war, mich entsch?digte f��r gro?e Entbehrungen, mich lohnte f��r viele Leiden, mir erschien wie mein zugewogenes Erdengl��ck, das mich ganz auss?hnte mit Schicksal und Verh?ngnis.
Wie viel aus einem solchen, das innere Leben vertrauungsvoll ber��hrenden Briefe ausgeschaltet werden mu?, wie nicht die H?lfte bleiben kann, auch vieles durch Mitteilung entweiht werden w��rde, darf kaum angedeutet werden. Zugleich ist anderes wieder in dem Sch?nen und selbst Lobenden so charakteristisch, spricht den inneren Gem��tsreichtum und die F��lle des g��tigsten, gerechtesten Herzens so hinrei?end aus, da? es denen nicht entzogen werden darf, die jede Erinnerung der Art gewi? heilig verehren. Da? alle diese die hier erscheinenden Briefe wie eine zwiefache Stimme aus einer unsichtbaren Welt, wie ein doppeltes Verm?chtnis ansehen, ist mein Wunsch. Zuerst die teuern Hinterbliebenen des Verfassers, dann die gro?e Zahl seiner Verehrer und Freunde, in deren Herzen gewi? nie sein Bild erl?schen wird, da ihm die Stelle darin durch Liebe und Ehrfurcht geweiht ist. Demn?chst sind sie ein Verm?chtnis f��r den engen Kreis der Freunde der Herausgeberin, welche alle Papiere sorgf?ltig gesammelt, bewahrt, geordnet und treu-gewissenhaft ausgew?hlt hat. Jeder, der das Gl��ck hatte, dem Vollendeten n?her zu stehen und den er w��rdigte, ihm das Innere seiner hohen Seele aufzuschlie?en, wird ihn in den Briefen, in dem Gange seiner Ideen und den ?fteren Selbstzeichnungen wiederfinden.
Manches bedarf, nur um nicht ganz unverst?ndlich zu sein, einer Erkl?rung, wozu ich mich ungern entschlie?e. Welche Frau, geehrt und begl��ckt durch Wilhelm von Humboldts Teilnahme und Freundschaft, gew��rdigt vielj?hriger, vertrauungsvoller Briefe und im Besitz so vieler geistreicher Bl?tter, k?nnte den Mut haben, ihre Ansichten und ihr Geschreibe neben das zu stellen, was aus seiner Feder flo?! Ihn allein reden zu lassen ist geziemend und nat��rlich. Die Briefe selbst sind es und sie allein, worauf es ankommt, und welche Tendenz der Briefwechsel haben sollte, geht klar daraus hervor.
��ber den Beginn desselben m?chte einige Nachricht dem einen und andern interessant sein. Kurz und einfach will ich sie geben.
Wir lernten uns in fr��her Jugend, im Jahre 1788 in Pyrmont kennen, wohin Herr von Humboldt, der in G?ttingen studierte, von dort kam, und wohin ich, nur wenige Jahre j��nger, meinen Vater begleitete, der allj?hrlich ein Bad besuchte. Wir wohnten in einem Hause, waren Tischnachbarn an der Wirtstafel und lebten in Gesellschaft meines Vaters drei gl��ckliche Jugendtage von fr��h bis sp?t als unzertrennliche Spazierg?nger in Pyrmonts Alleen und reizenden T?lern. Wir hatten uns so viel zu sagen! so viele Ansichten und Meinungen mitzuteilen! so viele Ideen auszutauschen! wir wurden nicht fertig. Wie leise diese oder jene Saite angeschlagen wurde, sie fand den tiefsten Anklang.
Es war die letzte Epoche einer sch?nen, bl��ten- und hoffnungsreichen, poetischen Zeit, worin ein Teil der Jugend ideal und begeistert lebte, w?hrend der andere, wie heute, im Realismus prosaisch fortschritt. Wir geh?rten beide zu dem ersten. Und es herrschte damals noch die sch?ne Ruhe vor dem nahen Sturm, der bald furchtbar ausbrach.
Wenn die Jugend auch den klaren Begriff der Gr??e noch nicht hat, so ahnt und empfindet sie doch solche. Wilhelm von Humboldts Charakter war schon im J��ngling derselbe, wie er sich sp?ter und bis an das Ende seines Lebens aussprach. Schon 1788 lebte er in hohen und klaren Ideen, schon damals war die einzig heitere Ruhe ��ber sein ganzes Wesen ausgegossen, die im Umgang h?chst wohlt?tig ergriff und sich jeder Unterhaltung ebenso mitteilte. Jedes Wort war ��berzeugend und beleuchtete hell den Gegenstand, wor��ber er sprach.
Herr von Humboldt reiste nach drei Tagen ab. Wir blieben l?nger. Mir blieb die Erinnerung von drei gl��cklichen Jugendtagen, die ein gew?hnliches, allt?gliches langes Leben an Gehalt aufwiegen. Das Andenken derselben hat mich durch mein ganzes Leben begleitet. Mein neuer junger Freund hatte auf mich einen tiefen, nie vorher gekannten, nie in mir erloschenen Eindruck gemacht, der gesondert von andern Empfindungen, in sich geheiligt, wie ein geheimnisvoller Faden durch alle folgenden Verh?ngnisse meines Lebens ungesehen lies, und fest in mir verborgen blieb, den ich immer gesegnet und als eine g��tige F��gung der Vorsehung angesehen habe. Es kn��pften sich an diese Erinnerungen, so wenig als an die drei Tage selbst, weder W��nsche, noch Hoffnungen, noch Unruhe. Ich f��hlte mich unendlich bereichert im Innern und meine Seele war mehr noch als vorher aufs Ernste gerichtet. Manches, was wir besprochen hatten, besch?ftigte mich noch lange, und ?das Gef��hl f��rs Wahre, Gute und Sch?ne? wurde klarer und st?rker in mir.
Wir sahen uns nicht wieder, auch hegte ich nicht die leiseste Hoffnung des Wiedersehens. Ich schlo? die vor��bergegangene sch?ne Erscheinung in das Allerheiligste und gab es nie heraus, sprach nie dar��ber und sicherte es so
Continue reading on your phone by scaning this QR Code

 / 141
Tip: The current page has been bookmarked automatically. If you wish to continue reading later, just open the Dertz Homepage, and click on the 'continue reading' link at the bottom of the page.